Eisenbart und Meisendraht ist das Literaturvermittlungsmagazin für geschundene Seelen. Jeden Monat wird ein neues Thema von unserem Schriftsteller*innenpool beackert und hernach in Radiowellen (Z) transformiert, in den Pod geschmissen und hier im Internet kybernetisch in den space gepresst.
Diese Seite ist gut, denn sie bietet eine einwandfreie Möglichkeit, in allen Beiträgen herumzustöbern, die im Rahmen von EB&MD veröffentlicht worden sind.
Aktuelle Themen
Neue Textbeiträge
Matt S. Bakausky: Heilbringender Müll
Meine Wohnung ist voller Müll. Ein Freund ist jemand, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Müll zu verwerten. Ich sitze mit Schal um den Kopf und einer Sonnenbrille vor den Augen, auf dem Bett und jammere. Der Freund macht sich Kaffee, ich mir Tee. Er spült ab. Der Freund packt riesige Mülltüten. Er versucht mich zu motivieren, mitzumachen. Die anderen soll ich vergessen. Er fragt mich, was ich so denke und ich sage ihm, dass ich nur denke, wenn ich rede. Sonst ist mein Kopf leer. Wir bringen den Müll gemeinsam runter.Die Mantras aus dem Handy waren nervtötend und...
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Michael Schmidt: Wuiser und Wohnen
So ein Philosoph hat mal gesagt: „Ich denke, also bin ich.“ Und das hat auch gestimmt, weil wie wir heute wissen, hat’s ihn tatsächlich gegeben, diesen Philosophen. Allerdings müsst man heut viel eher sagen: „Ich wohne, also bin ich.“ Weil ohne das Wohnen ist alles nichts. Zumindest nichts Gescheites. Und damit man heut überhaupt noch wohnen kann oder zum Wohnen kommt, gehört sich schon was dazu. Die Frau Drangsaler von drüben zum Beispiel, die hat aus ihrer Wohnung raus müssen, weil die einen Eigenbedarf gehabt haben. Der Bub von denen hat nämlich endlich sein Jura-Examen bestanden gehabt, ausgerechnet im Mietrecht,...
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Philip Krömer: Erbschuld
I Erbsache Das Display zeigt die Nummer meiner Schwester, ich hebe mit Widerwillen ab. Ob ich mich um das HAUS kümmern könne. Nachdem sie doch bereits den Verkauf organisiere. Sie komme so bald nicht fort von ihrer Arbeit, die Anreise sei zu weit, schon zur Beerdigung hatte sie es nicht geschafft. Welche ebenfalls sie, aus der Ferne, in die Wege geleitet hatte. Nur beim Herablassen der beiden Särge bediente ich die Winde, warf eine Schippe Erde hinterher, für alles andere war gesorgt. Wenigstens konnte ich, als einziger der wenigen Trauergäste, ein paar Tränen weinen. Unser ELTERNHAUS. In dem wir aufgewachsen...
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Lutz Senneberg: Die Orgel
Ich bin der Nebel, Du bist der Giebel, Ich Spiele am Hebel, Du liest in der Fibel. Ich zupf an der LeierDu drehst an der Orgel, Machst Suppe aus Eier, Ich dünste nen Geier. Du machst täglich Sport, Ich bewege mich kaum, wechselst ständig den Ort, ich bleibe im Raum. Auf Orgel gibt es keinen Reim, Das les ich jetzt als Zeichen:Denn unsere Liebe soll nicht sein, Muss deiner Orgel weichen.
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Hanne Mausfeld: mit weitblick
wegbeamen unnötigin wärme lüfteln undin wilden wolkenweltenvoller kumulus wann immer wellen schlagenliebend auf schaumkronen tanzenauf himmelspferden gallopierenim eigenen Kämmerchenwohlwollend auch zum selbst das geistige lotterbett nicht besudeln odermaßstabsein lassen für blaue Stundenwer weiß wo
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Frédéric Valin: Wohnen
Nachts um zwei ist wieder was los. Mein Zimmer grenzt an die Küche, und Tag und Nacht haben für Ilse nur noch marginale Bedeutung; häufig kriegt sie nachts um zwei Lust auf, sagen wir mal, eine heiße Milch. Blöderweise steht keine heiße Milch im Kühlschrank, man braucht einen Topf – den alten, verbeulten, blankgescheuerten am besten, in dem wird schon seit Jahren, vielleicht auch Jahrzehnten die Milch heiß gemacht. Dazu braucht es auch den Herd, ein altes Ding, das noch mit Gas betrieben wird, und der keinen Anzünder hat; man muss ihn mit dem Feuerzeug entflammen. Außerdem ist er widerspenstig,...
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Daphne Elfenbein: Wohnen…
… ist ganz schön anstrengend, findet Daphne Elfenbein. Immer gibt es irgendwas zu putzen. Nachdem Gastronomie, Museen und Wellness von Virus-Verordnungen vermiest sind, wird nicht mehr entspannt. Doch selbst fürs Nicht-Entspannen braucht man den passenden Sessel. Ach, Frau Elfenbein hat beim Putzen immer ganz philosophische Gedanken und eine Welle der Wonne wogt durch ihr Herz, als sie den Schmutzlappen im Schmutzwasser auswringt und nochmal über ihre Fußtapsen wischt. Ein blanker Boden - eine Wohltat! Sie wird sich einen Sessel kaufen! Je länger das mit dem Zwangswohnen währt, um so sichtbarer wird der Schmutz. Frau Elfenbein hat den Dreck nie wahrgenommen,...
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David Telgin: Einraumwohnung
WohnzimmerSchlafzimmerMiniküche In einem Raum Auf 16 qm verteilt Das Leben Aber wo istnoch Platz?
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Katrin Rauch: Wir sterben alle irgendwann, die meisten von uns in Moskau.
Am 28. April 1993 stirbt die sowjetische Fliegerin und Offizierin Valentina Stepanovna Grizodubova in Moskau. Etwa zur selben Zeit hatten meine Eltern ungeschützt Sex. Wenn man einen Zeitraum von etwa zwei Wochen annimmt, in dem ich höchstwahrscheinlich gezeugt wurde, könnte ich alternativ zu Frau Grizodubova auch die Reinkarnation von Lucette Descaves sein – einer französischen Pianistin. Sie spielte 1932 unter Anleitung desselben das Dritte Klavierkonzert von Sergej Sergejevič Prokofjev, der auch in Moskau verstarb, aber fast genau 40 Jahre vor Grizodubova. Ob Grizodubova Descaves oder Prokofjev oder zumindest dessen Stück Peter und der Wolf ein Begriff war, lässt sich heute...
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Daphne Elfenbein: Daphne Elfenbeins Leichenschmaus
Trauerweiden sind nicht traurig. Sie haben lediglich ein Bündnis mit der Schwerkraft. Drum lassen sie ihre Zweige runter hängen, statt sie in den Himmel zu stemmen wie die anderen Bäume, die Pappeln zum Beispiel. Überdies können sie ihre Finger ins Wasser tupfen, wenn ihnen zu warm ist. Das ist ökonomisch, ökologisch und nachhaltig. Jawohl! Daphne Elfenbein findet, dass Trauerweiden zu Unrecht auf Friedhöfen herumstehen. Wenn es auf Friedhöfen keine Trauerweiden gäbe, vielleicht würden dann nicht so viele Hinterbliebene weinen an den offenen Gräbern, die im Totenmonat November besonders häufig weit auseinanderklaffen und Einblicke in furchtbare Abgründe bieten… die Möglichkeit, selbst...
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David Telgin: Zurück
TrauerTränenund Abschied VerlustSchmerzund Loslassen Dein Wegaus der Dunkelheit Stufefür Stufe Findest du Zurück In dein Leben
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David Telgin: Trauer
Der Atembleischwerdas Kleid Trauerdie dichin die Tiefe reisst Im Dunkelnsuchst dunach Licht
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Margit Heumann: „Therapie: Keine“
Mit dem Fahrrad durch die Stadt und alles wie immer. Eine Sekunde später alles anders: Aufgestoßene Autotür, keine Chance zu reagieren, kopfüber auf die Gegenfahrbahn, ein harter Aufschlag, Auto über mir, Bewusstlosigkeit. Notoperation, künstliches Koma, Krankenhauswochen, Reha-Monate, Therapien. Am Ende: Körperlich wieder hergestellt, chronische Apperzeptionsstörung im Bereich Lesefähigkeit, therapieresistent. Die Liebe meines Lebens verloren: das Lesen. Für immer. Mit brennenden Augen starre ich auf die Zeilen, zermartere mir das Gehirn. Ich sehe die Zeichen, das müssen Buchstaben sein, aber sie sind mir fremd geworden, lassen sich nicht mehr definieren, nicht zu Wörtern und Sätzen zusammenfügen. Bitter für mich Vielleser und...
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Theobald Fuchs: Denken, trocknen, sammeln, zu Staub, weiter.
Bis heute mache ich das, jeden Tag. Wenn ich wo eine tote Fliege liegen sehe, hebe ich sie vorsichtig auf. Lege sie zu den anderen auf das kleine Häuflein. In jedem Zimmer habe ich so ein Häuflein, in der windstillen Ecke natürlich. Die toten Fliegen sind so leicht, der leiseste Luftzug wirbelt sie davon. Noch immer, nach so vielen Jahren bin ich bei jeder einzelnen toten Fliege erstaunt, wie schwerelos sie ist, wie trocken, wie zerbrechlich. Unser Kaiser war damals viel weiter. Im Erkennen, im Verstehen und im Nutzen. Und überhaupt. Er wusste lange vor allen anderen, dass im Gesumm...
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Lea Schlenker: Ich sammle Geister und Kleingeld
Comics Marken KissenbezügeIch bin dieses Wesen das sammeln muss Ich sammle die kaputten AschenbecherDie du zwischen deinen Umzugskartons in der Garage aufbewahrstIch sammle Geister aus FlaschenRosen aus WillkürKleingeld aus fremden TaschenDreissig Milliarden Tränen nur wegen eines Teddybären Ich sammle Männer die mir das Schreiben beibringen könntenAber nicht wollenWeil ich zu süss und zu klebrig binim Geiste aber bereits ihre Autoreifen aufgeschlitzt habe Herdplatten Familienfeste AlbträumeIch bin dieses Wesen das schreien mussFear and Loathing aus dem BackofenLou Reed schreit Am-ph-ph-ph-ph-ph-ph-phetamines Ich schreie Erinnerungen an Menschen die mit Anglizismen beten Verdränge Erinnerungen an schlecht beleuchtete FussgängerstreifenSchwarze Polos die blind in die Nacht starrenBade in Erinnerungen...
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Margret Bernreuther: Die 69.-€-Platte
„Du hast gerade 69€ für eine Platte ausgegeben? Also, nicht mal eine Platte, sondern eine Single, weil es geht ja nur um dieses eine Lied? Ich dachte, du musst ein bisschen auf dein Geld aufpassen? Wegen Corona, ich mein harte Zeiten. Was ist denn mit dem Lied? Spiel mal vor! Ja schick mir den Link! Also, ich weiß ja nicht, das ist jetzt finde ich kein Wocheneinkauf wert. Also. Da würde ich den Kindern doch vielleicht das nächste Mal lieber sowas wie neue Sandalen kaufen. Ich mein, der Sommer hat ja gerade erst angefangen. Und deine Stereoanlage ist doch eh...
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Matt S. Bakausky: Leidenschaft
Stolz präsentierte ich ihr meine Sammlung. Sie war fasziniert und stellte Fragen zu den verschiedenen Exemplaren im Ordner. Sie war willig, an meiner Sammelleidenschaft teilzuhaben, schlug sogar vor, dass wir einen Ordner für gemeinsame Kinder anlegen könnten, sodass auch bei ihnen dieses Interesse geweckt werden würde. Ich war im siebten Himmel, mir war klar, dass ich diese Frau heiraten würde und dass ich ihre Zehennägel, so wie meine, Jahr für Jahr in einen Ordner abheften würde. Und nach 9 Monaten würden wir dann einen kleinen Ordner anlegen, für die Zehennägel unseres ersten Kindes. Eine finale Prüfung würde sie noch bestehen...
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Michael Schmidt: Wuiser und das Sammeln
"Wer Sachen sammelt, hat es in der Pandemie leichter gehabt. Meine Nachbarin zum Beispiel sammelt alte Bügeleisen. Ja, alte Bügeleisen! Die hat sie über die ganzen Jahre zusammengetragen und während dem Lockdown, da… ja, da hat sie… Naja, da wird sie sich den ganzen Haufen halt angeschaut haben. Da hat sie was zum Anschauen gehabt mit ihren Bügeleisen da. Zumindest ist ihr nicht langweilig geworden, während dem Lockdown, hat sie gesagt, weil sie ihre Bügeleisen hat. Und der Cousin von meinem Mann, der sammelt auch. Der sammelt alte Unterlagen über Baustellen von der Bahn. Damit er am Ende von seinem...
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