Eine durchsichtiger Gefrierbeutel wird langsam ausgepackt. Wiederverwendbar, mit diesem Verschluss an den Enden den man wieder zusammendrücken kann. Zip nennt sich diese Technik habe ich in der Werbung gehört. Der Beutel ist ganz knittrig und schon etwas angelaufen. Wiederverwendbar. Heinz und Gisela achten auf so etwas. Haben sie immer schon. Nicht erst seit diese 16jährige Schwedin den Klimawandel prophezeit hat und der Bio-Strom nur noch 30 Cent die Kilowattstunde kostet. Nein, schon seit dem ersten gemeinsamen Ausflug in die Berge im Sommer 1982. Kurz bevor die Kinder kamen. „Toll. Umweltbewusst. So hätte ich sie gar nicht eingeschätzt“, denke ich mir, will mich schon räuspern und sie für diesen tollen Beutel loben, doch dann sehe ich Stullen in Alufolie. Doppelt gewickelt. Vermutlich also nur der Geiz der die wiederverwendbaren Beutel in die Taschen hat wandern lassen.
Meine Bewunderung nimmt schnell ein jähes Ende. Widerliches Pack, denke ich mir.
Es ist halb zwölf im Zug von Nürnberg nach Berlin und Gisela und Heinz beginnen nun ein sehr frühes Mittagessen. Das zweite Frühstück, wie es so schön heißt. Eher unschön ist aber dass ich mir das ganze nun auch ansehen muss. Viel schlimmer den ganzen Auspack-Kau-Geruch-Prozess fast hautnah mitbekomme. Es gibt: 1 rohe Krakauer für Heinz. 1 käsebrot für gisela, 1 käsebrot für heinz, 2 hartgekochte eier. 1 Packung Haribo.
Genüsslich hat heinz soeben in die wurst hineingebissen, nicht in der mitte durchgebrochen sondern sich einfach herzhaft das obere Ende in den Mund gesteckt und seine dritten drauf knallen lassen. Es riecht nach wurst. jetzt riecht dieses ganze ruheabteil nach wurst! ist geruchsbelästigung nicht noch schlimer als lärm. schließlich habe ich kopfhörer in den ungeputzten ohren. mir wäre es lieber gisela würde heinz etwas erzählen. stattdessen riecht es nun nach geräucherten wurstwaren. heinz schmatzt laut. es knistert. jetzt wird die käsestulle aus der alufolie geschält. gisela hat ihre bereits ausgepackt und halb verschlungen während sie mit leerem blick in die brandenburgerische landschaft starrt. trostlos hier. trostlos auch die geschmierten stullen. zwei scheiben körnerbrot, so helldunkel. nicht wirklich gesund aber auch kein toast. irgendwas dazwischen. ich würde sie gerne fragen welches brot sie heute morgen geschmiert hat, denn es schaut sehr weich aus aber heinz hat jetzt schon die zweite krakauer im mund und ich werde langsam wütend. zurück zu den broten. zwei scheiben brot, butter, eine scheibe butterkäse.
doch gerade als ich heinz und gisela betrauern wollte sehe ich aus giselas käsestulle eine scheibe schwarzwälderschinken unter dem butterkäse hervorlugen. sehr fein. gisela scheint eine frau von experimenteller küche zu sein. einfach mal den schwarzwälder unter den butterkäse gelegt. frech. ich frage mich ob eine saure gurke versteckt ist. würde gerne aufstehen, zu ihr rüber laufen und ihr das brot aus der hand klauen. es dann aufklappen und inmitten von speckrändern und käselöchern nach der gurke wühlen.
die dritte krakauer wandert im moment in den mund von heinz. ein speckfetzen bleibt an seiner lippe hängen, echsenglech schießt seiner zunge aus den kleinen lippen hervor und nimmt das weiße, seidene fädchen zurück in den dunklen rachenraum.
gisela trägt: dunkelblaue, rustikale schuhe aus wildleder, hellbeige schnürsenkel, eine dunkelblaue jeans, abgewetzt am oberschenkel, ein helllilaenes-weißes t-shirt, darüber eine schwarze dünne jacke aus lederimitiat, eckgie brille mit goldene rahmen und dunkelroten steinchen an den seiten, zwei silberfarbene ohrringe, kurzhaarschnitt, rotbraun gefärbt. wimperntusche
heinz trägt: schwarz-graue funktionsturnschuhe, graue schnürsenkel dunkelgraue jeans, einen karierten pullover in den farben blaugrau-hellbeige-hellbraun, schwarze ärmel, einen grau karierten schal, mit diesem klassichen knoten, einmal um den hals gelegt und die beiden offenen enden in die schlaufe geschoben die entsteht, eckige brille mit feindnen grauem rahmen und bügeln, keinen bart, kurz haarschnitt, grau-dunkelblond
nun wird das ei geköpft, mit einem beherzten griff auf die kleine tischplatte des ices geknallt. krrh macht das. ein ekliges geräusch. das brechen der harten schale matscht auf das weiche ei innere. heinz pullt jetzt. jeder kleiner schalensplitter fällt in die alufolie, kopfschütteln dabei. bin mir unklar ob die beiden nicht genervt sind von dem klappern der tastaturen meines laptops. es ist mir egal. es riecht hier nach wurst. und jetzt auch noch nach ei. ich fass es nicht. ruheabteil würde ich am liebsten schreien. aber ich bleibe natürlcih ruhig. schließlich bin ich wohlerzogen und weiblich. Und im ruheabteil.
gisela ist mittlerweile beim nachtisch angekommen. haribo colorado. mit einem kleinen gummi war die packung verschlossen. sie hat also bereits gestern oder heute morgen genascht. oder war es heinz?
mir wird schlecht. heinz hat soeben seinem ei in weniger als drei bissen dem garaus gemacht. ohne salz. ohne pfeffer. nun knuspert es weiter. die alutoflie wird zusammengerollt und in den gefrierbeutel zurück manövriert.
gisela blättert währendessen in der superillu. wo sind die colorado. es geht so schnell. mittagspause in weniger als 10min. die colorado sind wieder aufgetaucht. sind in heinzs blickfeld geraten. ein kurzer blick zu seiner gattin durch die zusammengezogenen augen. doch jetzt wird noch nicht zugegriffen, denn mittlerweile wurde das smartphone aus der tasche geholt und mit einem finger wild darauf herumgeschoben. tindert heinz?? ich meine deutlich eine wischbewegung ausgemacht zu haben. vermutlich humbug. natürlich humbug.
das handy wurde weggelegt. heinz hat nun die colorado packung in der hand und sucht sich seine lieblinge heraus. legt sie vor sich auf den tisch. die grünen frösche mag er scheinbar gerne. ich muss auf die toilette. im nachbarabteil wird die zeit gelesen. hier wäre ich gerne. in der intellektuellen blubberblase der ice fahrten. stattdessen vesperpause mit bärchen und mausi. die bildzeitung wird bei mir aufgeklappt. schumi mit familie auf mallorca. toll der schuhmacher. gehts ihm wieder gut? ich kann nur die schlagzeile lesen, heinz hält die zeitung mit seinen wurstfingern zu schräg und scheint auch sichtlich genervt zu sein, dass mein laptop eine tischhälfte belegt. wissen braucht platz.
ich würde gerne wissen, wie es michael geht.