Margret Bernreuther: Die 69.-€-Platte

„Du hast gerade 69€ für eine Platte ausgegeben? Also, nicht mal eine Platte, sondern eine Single, weil es geht ja nur um dieses eine Lied? Ich dachte, du musst ein bisschen auf dein Geld aufpassen? Wegen Corona, ich mein harte Zeiten. Was ist denn mit dem Lied? Spiel mal vor! Ja schick mir den Link! Also, ich weiß ja nicht, das ist jetzt finde ich kein Wocheneinkauf wert. Also. Da würde ich den Kindern doch vielleicht das nächste Mal lieber sowas wie neue Sandalen kaufen. Ich mein, der Sommer hat ja gerade erst angefangen. Und deine Stereoanlage ist doch eh voll im Arsch. Du kannst also noch nicht mal ordentlich aufdrehen daheim. Ja, schön wenn deine Nachbarn da nicht so traurig drüber sind. Ich kapier einfach nicht warum du das Lied nicht einfach streamst, du hast mir doch den Link geschickt. Also für mich ist das raus geschmissenes Geld. Ich würde das Ding zurückschicken. Ja sag mal, wie sieht das denn schon wieder aus. Du hast die noch keine 24 Stunden und dann sieht die Platte so aus. Also Mint kannst du knicken. Die wirst du noch nicht mal mehr als very good los. Warum willst du sie denn überhaupt nicht zurück schicken? Ja erzähl mal von deinem Plan. Deswegen hast du die Platte gekauft? Kann ich dir gleich sagen, klappt nicht. Das hat doch noch nie geklappt. Ich mein wäre ja was anderes, wenn du dir das Lied selber drauf schaffst und es auf der Bühne oder unter seinem Fenster performest. Das wäre ein Zeichen, aber so. Wie soll der das denn schnallen. Und dass du ihn meinst.
Du hast jetzt 69 Euro ausgegeben, weil du dir ernsthaft ausmalst das du bei der nächsten Gelegenheit das Lied auf den Plattenteller legst und wie durch Zauberhand weis der sofort ALLES?
Meine Güte bist du bescheuert. Und was machst du, wenn er nicht kommt? Immer einpacken?
Und dann weiß ich schon wie das Ding in ein paar Wochen aussieht. Wieso passt du denn eigentlich nicht besser auf deine Platten auf. Hier zum Beispiel, sowas ist echt traurig zu sehen.
Aber viel trauriger ist, das du immer denkst, dass es irgendjemanden interessiert.
Ja, sorry, das war jetzt hart. Aber du musst echt an dir arbeiten. Also wirklich an allem. Du kannst doch so nicht weiter machen. Machst du denn auch mal was für dich? Also, mal Yoga oder ein ausgiebiges Bad. Stimmt schon, Musik hören ist schon was für dich selber, aber nicht, wenn du die ganze Zeit drüber nachdenkst wie du andere damit beeindrucken kannst. Dann ist das ja wohl weniger, was du für dich machst. Wenn du Lieder für andere aussuchst.
Hast du halt nicht gelernt. Mal bei dir zu bleiben. Ich mach dir keinen Vorwurf. Ich sag nur, das ist mal, was du angehen solltest.“. 

Margret Bernreuther: Fernsehen

Unser Wohnzimmer befand sich im obersten Stockwerk unseres riesigen Hauses und nahm dort beinahe die gesamte Fläche ein.
Ausgelegt war es mit einem rauen Teppich, der früher mal beige war, aber auf dem so oft etwas verschüttet worden war, das sich die eigentliche Farbe nicht mehr genau bestimmen ließ.

Wir hatten eine Leder Sofa Garnitur, bei der man die Sitzkissen abnehmen konnte, um dann auf den Lehnen sitzend Pferd zu spielen.
Auf der anderen Seite des Wohnzimmers stand ein Flügel.
Ein Klavier, aus hellem braunen Holz. Er passte gut zu uns.
Weil obwohl, es eben ein verdammter Flügel war, das Ding bestimmt unglaublich teuer gewesen ist, es doch einen irgendwie schäbigen Eindruck machte.

Einmal die Woche kam der Klavierlehrer, der es irgendwann aufgab, uns Klavier spielen beizubringen, weil wir sowieso nie übten und er es auch einfach nicht mehr hören konnten, wie wir uns immer noch bei der linken Hand bei „Für Elise“ abmühten.
Lieber brachte er uns ein selbstgebautes Schachspiel mit, das aus zwei Glasplatten bestand, zwischen die er die verschiedenen Felder in farbigen Quadraten eingelegt hatte.
Ich weiß nicht wie er annehmen konnte, dass dieses Schachspiel, nachdem er gegangen war auch nur einen Tag noch so aussehen würde.

Selbstverständlich lagen die Papierquadrate und die Glasplatten bei seinem nächsten Besuch, kreuz und quer im Wohnzimmer verteilt.
Also erstmal einsammeln und das Spielfeld wieder aufbauen.

Sieben Jahre lang kam der Klavierlehrer. Und ich weiß jetzt wie man Schach spielt.
Kann es aber nicht.

In unserem Wohnzimmer stand der Fernseher.
In den 80er Jahren gab es nur ein paar Dinge, die wir unbedingt anschauen mussten.
Und ich bin verblüfft, wenn ich mir es so überlege, wie zuverlässig wir die Zeiten von unseren Lieblingsserien wussten.
Colt Seavers – lief immer um 17:30 im ZDF mit Werbeunterbrechung, die gerne gesehen wurde, weil ja zwischendrin die lustigen Mainzelmännchen herumsprangen.
Dann gab es noch Spass am Dienstag – das war eigentlich leicht zu merken. Weil die Sendezeit ja quasi im Titel verankert war. Sonntag eigentlich auch die Sendung mit der Maus. Aber wir haben es meistens erst zum Löwenzahn geschafft. Was eine Stunde später dran war und wo der Peter Lustig dann immer gesagt hat, wir sollen jetzt abschalten.
Machten wir auch. Weil kam dann ja auch nichts. Fernsehgarten, oder langweilige Reisedokumentationen.

Ich erzähl meinen Kindern immer was das für eine Sache war. Mit dem Fernsehen und das es genau den einen Möglichkeitsraum gab, zur richtigen Zeit am Gerät zu sitzen, oder die Chance war vorbei.
Die Sendungen bauten aus diesem Grund auch nicht wirklich aufeinander auf. Es gab also selten, außer vielleicht bei der Schwarzwaldklinik, einen Cliffhänger.

Aber dann kam das Satelliten Fernsehen und das veränderte einfach alles.
So viele Sender, soviel Auswahl.
Wir bekamen erst spät einen Anschluss und da gab es dann RTL und Tele 5 und MTV, wo wirklich noch Musik lief.
Die Fernbedienung war nach ein paar Wochen schon kaputt oder einfach weg. Vielleicht hat unsere Mutter auch versucht unseren Konsum durch Verstecken etwas Einhalt zu gebieten.
Man konnte also nur noch direkt am Receiver umschalten.

Meine Geschwister und ich lagen abwechselnd, auf dem alten rauen, dreckigen Teppich und haben mit dem großen Zeh umgeschaltet.
26 Programme in die eine Richtung und dann, wenn dann nichts mehr kam, alles rückwärts.
Bis man auf etwas stieß, was man angucken wollte.

Wir hatten so gut wie nie eine Fernsehzeitung.
Manchmal zu Weihnachten um zu gucken wann Drei Haselnüsse für Aschenbrödel lief.
Es herrschte nur noch Willkür vor diesem Gerät.
Die festen Zeiten, die man vor dem Fernseher verbrachte komplett aufgelöst.
Auf dem Flügel sammelte sich der Staub.

Der Klavierlehrer kam eines Nachmittags nochmal. Um uns zu besuchen. Wir lagen auf dem Teppich und im Fernsehen lief gerade Danger Mouse.
Traurig stand er in der Tür, dann streichelte er sanft mit seinem Finger ein Muster in den Staub auf dem Flügel und verließ grußlos den Raum.

Claus Caraut: Den Lichtersaft reinpläsieren

– Karaffée im Wandel der Gezeiten –

(1) Vor dem Kaffee

Gumo Freunde der heißen Bohne
Heiz mir gleich die zähe Mure hinters Brett!
erstmal einen drallmayer probohno hinter die stulle broten, was Mörtwl
Es ist Zeit für ne Tasse TeeR
HEIZEN
Ich zwiebel mir die Brüllsuppe jetzt wieder würzig in den Kartoffelkopf rein
Gumo Freunde. Das Aggregat wird angebrüllt endlich den geilen Saft rauszurücken.
Der brühe Vogel fängt den Schlonz!
nach einem ausgiebigen Wanderausflug ersma schön zartschmelzenden Brüllonado in die Muldenfräse nei, was Schlemtems
bin dumm wie ein Stück Müll bis gleich die Terrorkirsche gekocht ist
Kaffee ist für mich lecker
völlig verplästert zur rinse kriechen und ornglich lichtersaft in die plürre kippen
Erstmal einen reintöpfern, in die ausgedürstete Visage!
Yes we Kännchen
nach dem Saft gieren
Schöm die WOCHENENDEINLEIZUNGZ-SALBUM IN STOFFWECLSELAPPERAT REIMPUMPEN, WAS LEUMPTINGS
more espresso less depresso, was mepfelt?
Wer knüppelt da im Widerschein/es ist der Schmonz, der fein will rein

(2) Kaffee kochen

ersma schön plan ein‘ reinzementiern mit die Schlonzierraupe
Schlacke häckseln
Ordentlich Strauchmehl aufkochen
WOMMS ihn dir rein frisch von der Glut runter in die Arbeiterfresse
den Boiler heiß haben
Erstma fett ne Erpressung reinwürfeln
Schlagt die Giftzähne der Schlonzeschlange in den Milcxschaum, Lefterz!
grüße vom brewpiter und seinen monden
DIE KANNE HEISS HABEN
ALLES BRÜHT GUT
ÄS KAFI USE LA
Freude schöner GÖTTERSCHLONZEN WAS LEUNDENE
Ich kawenze mir den Röstköttelsud ausschließlich mit großen Mengen Eutersaft ins Fressgemächt
Schlonzkanister so siedend heiß reinbasteln, dass das Zäpfchen Tango tanzt, was
Der ganze zylinderförmige Humpen wird bei überkritischem Druck durch die Kiemen gefräst. Was Du da siehst ist im Prinzip embryonale Kohle.
Erstmal ’nen starken Kaffee brauen, was Leute?

(3) Wichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens

Bαριστοτέλης
HANS MAGNUS SCHLONZENBERGER
Reinmund Carver
HAURUCKI MURAKANNI
Schlack Lacan
Jon Bohni – ich will ein Kind von dir ! It’s is my live
Franz Kaffka
Vladimir Nabokaff
MAUL SCHLONZEIMER
Hildegard von Schlingen
Marcel Prost
Kracht (richich in fressbrett rein)
Fjodor Dostolonghi
Plören Kierkegaard
LORD VOLLAUTOMORT!?
Daniel César Martín Brühl Schlonzález

(4) Kaffee trinken

schön das BRÜLLSCHIFF HINTER DIE BRÜSTUNG LOTSEN
Kaffeepatronen direkt im Darm einlagern
Würzigen Schlonzo reingourmeten
Huhu ich bretter mir jetzt die schwarze Planke hier vollends hintern Hut.
ICH PEITSCH MIT SECHZIGTAUSEND KNOTEN DURCH DAS LICHT UND RIECHE KAFFEE AUS DEN GESCHÄFTEN WIE EIN HUND SEIN SOCIAL MEDIA AN DER PISSHECKE IM PARK
reinschlörzen
einen hinter den Hut hauen
das KLÖTZCHEN fest reinDREHEN
manisch einen kannistern
musst du im Ganzen als Klotz die fresse runterprügeln
DAS BEMZIN EIMSPEISEN
Die Brülle reincremieren
DEN VERMALEDEITEN SUDZUBER HINTER DIE HASSZARGE ZINNOBERN, ZUM DEIBEL!
düsteren malorke in den corpus reinkolportieren
DIE DICKE PRESSOMONDBRÜHE REINLABEN WAS
MASSIV HINTERVENIEREN
Den niederträchtigen Sirup in die Leiche verdammen. In die Physiognomie reinpathologisieren. Das Elend mit dem Trane huldigen. Die Teufelsränen einfahren lassen. Den Gotteshauch einatmen. Den Schlonz reimzubern
Halbtot den Notkanister volltanken
erstmal einen kübel äthiopischen lötsaft reinheidelbeerisieren, was yirgacheffes?
IN DIE FRESSE PROBRÜLLVIDEN
ordentlich die Mallotze in die Müllkippe sortieren
MIR VOLLE KANNÜLE DAS HEISSE SERUM IN MEINEN ANTIKÖRPER ZWANGHAFT REINIMPFEN
schön den lichtersaft reinpläsieren
Ab ins Hintertreffen mit der daumendicken Dampframme!
REIIIIINNNNNWEEEEMMMMSSSSEEEEEENNNNNNNNNN
REINGHOULEN WIE EIN OGER
INERNATIONALISCHMIEREN
neibouldern
DIE BRÜLLGEFÜLLTEN STIEFEL AUF EX HINTER DIE NUSS WICHTELN
die Bohne neibolzen
BEERENSIFFE HINTERS SPALIER KLEMMEN
FETT DIE KRÜMELFAUST SCHMECKEN, WAS
sich den napalmtrunk in den dreckskörper berzerkern
HINTERHEIZEN
BRÜLLEN BIS DER ARZT KOMMT
hart sich die brennende Kehlenreibe hinters Fressbrett kämmen
die Schlonze reinwemmsemmeln
direkt 1:1 die düstre bernsteinscheibe ins gehirn verballern
BISSI BRÜLLOBST REIMERNTEN
SCHLACKE DIREKT IN DIE HALSÖFFNUNG REINWAMMSEN
REINWAHNEN
Teeren und Kaffeedern
REINFLEZEN
Prost. Soeben aufgebrüht und hetzt reim damit!
STATTLICH
Frühmorgens erstma Eduschieren
Die Kackvisage stilvoll kaputtsaufen.
STRULL NINTER
REIMPFEFFERN
Die Tschibohnen schweißheiß in die Körperkanone reinzischen
REINBEIZEN
die dunkel-cremige Brüllschlorze in den Schlonzschlund reinböllern
HINTER DIE HILDE BRENNEM!!!!!?
Das raue Rinnsal volles Rohr in den dunkeldüstren Schlund mörsern
übertrieben kaffee trinken bis die poperze birst
Die famoseste Idealschlonze bis ins klobigste Hirnareal grobporig reinfantasten
Erstmal lodernden Morgenteer im Schacht verklappen.
Mit der goldenen Brühllgülle den Blinddarm beleuchten
DIE BITTERSAURE, SCHWISCHWASCHWATTE SCHWARUTZE IN MEINEN KACKSCHLOND ZENTRIFUGIEREN
BRÜLLERVERBOT? NICHT MIT MIR!!!!!
über den basar flanieren
Die müden Knochen hart kochend einballersamieren
Zünde jetzt die Stange Dynamit
Den fettzischen Schwarzölsaft grobschlächtig mörteln und reikärchern
Schieb mir jetzt die Brühstange so richtig zwischen die Dichtlippen. Die Muffe muss mal angezogen werden.
Mit dem Schmackes aus der schwarzen Schlacke das nackige Packeis zum Bersten bringen
Schön den König Kaffee in den Fleischpalast geleiten
MELDE: FEUER!

(5) 50 words for Karaffée

das geile Öl-Gesöff
Geile Schlickschlonze, eyy
bräsige Güllegrütze
Labsal meiner Seele
Brülltrompete
das schwarze Gold
Covfefe
Exzesso
Intenso BÖLLERUNG
der Todesengel des morgendlichen Gluthauchs
die urst geile Reinprügelschlacke
Reiseziel: MaLORKa
der siedende Sumpf
Schlonzito
Bittersüsse Schaumgeburt

(6) Nach dem Kaffee ist vor dem Kaffee

Koffeeinsaft schon weggegurgelt, Fellas
um 19:24 noch tiefschwarze Suppe ins Maul reibetoniert
Ich komm jetzt nach Hause soll ich nochmal schlonzen
Verstehe die Frage nicht
gut cappu heut schon hinter die segel genagelt
So, Freunde. 22:13. Jetzt zum Abschluss des wilden Rittes nochmal ne Wanne flüssige Nacht abpumpen.
ICH VERDTEH DIE FRAGHE NICHTT
Dark Cassandra durch die Kackfresse gestrigelt
Vorm Schlafengehen Black Beauty eingepfercht.
ERST WENN MAN VOR SCHWEISS TRIEFT WIE EINE MEERJUNGFRAU HAT MAN GENUG INTUS, DASS MAN EINE NEUE FUHRE BRÜHEN/BRÜLLEN DARF
kübel mir jetzt auch noch einen Kleinen in die Fresssenke rein
Ich kann übrigens, trotz der krankhaft voluminösen Unmengen Schlonzgranatenbracke, die mit vormittags durch die Visagenbohrung durchpimpere, um diese Uhrzeit auf gar keinen Fall mehr nachlegen, weil ich dann die ganze Nacht wachliege
Aus Soldarität noch zwei (!) Knalltrompeten durch den Arsch geblasen
Die gute Brühwarme schön keramisch geschmeidich reim ins Leuwenmoylchen gießen
Sattelt ihr um die Zeit auch nochmal das schwarze Wildpferd auf?
BEI ALLEN 76 BASAREN VON STAMBUL! DER BRÜLLER VON EBEN HAT GEKNALLT
Schön die Mandeln abflexen, da ich so gierig auf den Torpedo war. Egal, wenn ich nachlad mach ichs nochmal.
gerade eingeschissen
ähm
scherz
brüllend komischst in die Milz gehonkt
ICH WILL ZU EIM KARFEEE, ABER KAIN LADENS HABZ AUFFF
i schlonz heut durch, ihr so!?
gerade auch noch einen geknüppelt
Den Wecker früher stellen, damit mal eher schlontzzen kann!!! Schliesslich können wir nachts keinen rwim saifne
Morgen früh wieder Black Essig in den Wechselbalg aufbocken was LHERUTERP

Texte: Andreas Unteregge, Bastian Borstell, Ben Mertens, Benjamin Kindervatter, Christoph d’Aube, Daniel Rapoport, Elisabeth Heide, Ella Gülden, Fabo Hotzenplotz, Filip Olmak, Jan Dobritius, Jessica Ramczik, Jo Goldmund, John Osinski, Julia Meta Müller, Katharina Schmidt, Kevin Hofius, Lean N. B. Völkering, Lisa Li, Marius Beise, Mark-Stefan Tietze, Martin Albrich, Mercedes Nabert, Mönch Meier, Robert Friedrich von Cube, Rosa Maria Stein, Sebastian Albin, Senneberg Lutz, Tom Schommsen, Wiebke Kämpf, Wulian Jagner, Yan Theodor Weißmann

Skript, Schnitt: Claus Caraut
Titel: Andreas V. Weber
Sprecher*innen: Andreas M. Lugauer, Andreas Unteregge, Anna Housa, Ben Mertens, Bernd Pflaum, Elisabeth Heide, Ella Gülden, John Osinski, Julia Meta Müller, Katharina Schmidt, Lean B. Völkering, Lisa Li, Margret Bernreuther, Mark-Stefan Tietze, Robert von Cube, Sandy Malitzki, Sebastian Albin, Timo Möller, Wiebke Kämpf

Epilog (Web Exclusive):

Texte: Annebert Lassdas, Li Almereyda, Luise Braun, Maurizio Massaro, Roman Wilh, Sebastian Koch

Skript, Schnitt: Claus Caraut
Sprecher: Christian Y. Schmidt

Margret Bernreuther: twist in my sobriety

Meine Oma ist gerade gestorben. Also, ich glaube sie ist schon ein paar Tage tot. Ich hatte keinen Kontakt mehr zu ihr. 100 Jahre alt ist sie geworden.
100 und einen Monat.
Geboren wurde sie in Madrid.
Und dann als dort der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, wurde sie von ihren deutschen Eltern, zuerst zurück ins Allgäu und dann ins karge Mittelfranken abgeschoben.

Das fleissige und sehr junge Mädchen wurde nach ihrer Zwangsarbeit auf Haus und Hof der Familie, dazu auserkoren, den fettleibigen und vor allem im Kern schon mit seinem Schicksal hadernden Gutsbesitzer vermählt.

Er hätte sich auch was schöneres Vorstellen können, denn eigentlich ein Dr. der Chemie und noch eigentlicher auch nicht für den Hof oder gar die Brauerei gemacht.

Mein Opa hat sein Schicksal dann aber doch angenommen und das Beste was ich zumindest über ihn weiß ist, das er kein Nazi war und es gibt eine hinter vorgehaltener Hand erzählte Geschichte über eine Tante die in denunziert hat und woraufhin er dann doch irgendwohin an die Front musste und dann da sofort in amerikanische Gefangenschaft kam, aber dann war der Krieg auch schon vorbei.
Die Tante, also eigentlich die Schwägerin wurde vom Hof gejagt, denn der Bruder, ist nicht zurück gekommen. Aus dem Krieg.

So, musste also der Hof und das Bier weiterhin in Schuss gehalten werden und da hat die alte Mutter, des Großvaters ihm also meine Oma ans Herz gelegt.
Bzw. alles so demnach eingefädelt, das auch niemand was hat sagen können oder sich hat trauen.

Das junge Mädchen die nun nach ihrem Zwangsdienst auf dem Hof nun gleitend hinüber wechselte. In den Zwangsdienst am Ehemann. Der hat ihr zum Geschenk dann auch gleich 5 Kinder in den Schoss gedrückt. Die alle in einer sagenhaften Lieblosigkeit herangezogen wurden. Wie man es sich schrecklicher nicht ausmalen mag. 

Nachdem die Kinder aus dem Haus, oder tot waren wurde der Großvater krank und hat sich bei einem Spaziergang nach langem Siechtum dann anständigerweise selbst das Leben genommen.

 Meine Oma hatte keine Liebe für uns. Sehr nutzlos und sinnfrei bewertete sie unsere Existenz.

Meine Mutter konnte sie schon überhaupt nicht leiden und der Vorwurf das meine Mutter sich mit ihrer reichen Kinderschar auch nur einen Platz in das gemachte Nest sichern wollte, war kein Geheimnis.

Das Wichtigste war ja das man fleißig ist und keinen Dreck macht und keinen Lärm und unsere gesamte Existenz war für unsere Großmutter eine einzige Zumutung.

An den wenigen Gelegenheiten an denen wir bei ihr sein durften oder besser gesagt sollten war meine Oma eher fassungslos. Nahezu angeekelt von unserer kindlichen Dummheit und das man uns zu nichts brauchen konnte.

Ich habe nur eine Erinnerung an sie, in der sie mir für einen kurzen Moment ihre Aufmerksamkeit geschenkt hat. 

An einen kleinen Moment an dem sie mir zugehört hat.

In ihrer Wohnung lief das Radio – Tanita Tikaram – Twist in my sobriety.

Ich liebte dieses Lied und hatte mir aus irgendwelchen Informationen folgende Geschichte zusammengedichtet.

Tanita Tikaram wollte nie ein Star werden, aber gemeine Plattenverkäufer haben sie gezwungen, als sie ihre schöne Stimme hörten und jetzt vermarkteten sie sie quasi gegen ihren Willen.

Kein Wort ist wahr von dem.

Aber ich erzählte es trotzdem meiner Oma.

Sie war ganz angetan. Ich glaube sogar das Lied hat ihr gefallen.

Und meine Großmutter beugte sich zu mir hinunter und sagte: Ja, das ist schlimm! Wenn man zu etwas gezwungen wird.

Margret Bernreuther: geist

Jeden Morgen wenn ich die Wohnung verlasse entdecke ich unten auf der Ablage bei den Briefkästen neue Figürchen oder andere Haushaltsgegenstände.
Oft sind es kitschige aber nicht besonders hochwertige Porzelanfiguren. Manchmal ein Gewürzglasrondell, gestern stand ein Kochbuch zur Anleitung für fettreduzierte Ernährung dort.

All diese Gegenstände sind sehr bunt zusammengewürfetlt. So war neulich auch mal ein aufwendig bestickter Fächer in einer mit Stoff bezogen Schachtel dort zu finden. Auf dem Fächer zwei Pandabären die unter einem blühenden Kirschbaum spielen. Die Kiste mit goldenen und roten Stoff besponnen. Auf den ersten Blick, insgesamt ein hübsches Ding, aber trotzdem konnte die Verpackung und Gestaltung dieses Fächers, dennoch nicht die mangelnde Wertigkeit der Sache verbergen.
Es wirkte bei genaueren hinschauen eher wie ein Gegenstand aus einem günstigen Souvenirladen der gar einem AsiaShop aus der Innenstadt, bei dem neben der Tütensuppe und den Gewürzsossen, das ein oder andere Handwerkszeug verscherbelt wird.

So wie all die Dinge die dort stehen keinen kostspieligen, aber im ganzen doch vielleicht ideellen Wert darstellen. 

Hinunterstellen tut sie unser Nachbar. Da bin ich mir sehr sicher. Ich habe ihn zwar noch nie direkt dabei erwischt. Aber da wir ansonsten ein sehr junges Haus haben, bin ich mir sicher, daß die Gegenstände aus seiner Wohnung stammen.
Herr Schag wohnt im Stock über uns. Er ist über 80 Jahre alt und ist derjenige der schon immer hier gewohnt hat. Unzählige WGs und junge Menschen hat er schon ein und ausziehen erlebt.
Die früher noch regelmäßigen Hoffeste hat er immer wohlwollend vom Balkon aus mit erlebt, konnte sich aber trotz mehrmaligen einladen, nie dazu aufraffen zu uns hinunter zu kommen.

Zusammen mit seiner Frau standen sie dann also manchmal für längere Zeit am Balkon und schauten sich an, was da so alles los war in unserem Hof.
Noch nie gab es auch eine Beschwerde wenn eine Feier länger dauerte, oder gar das aufräumen am nächsten Tag allen beteiligten sehr schwer fiel und es sich bis in die kommende Woche hineinzog, das alles wieder an Ort und Stelle war.

Mit der Zeit und mit den Jahren lies aber auch die Anteilnahme vom Balkon aus immer stärker nach.
Seiner Frau ging es nicht mehr so gut. Sie wurde dement und ihr gemeinsames Konstrukt fing an zu bröckeln. Wir im Haus hatten schon einiges an Erfahrung mit dementen Bewohnerinnen.
In der Wohnung nebenan wohnte eine italienische Nona, die trotz hochgradiger Demenz noch bis ins hohe Alter in Schlappen auf ihrer Vespa zum einkaufen gefahren ist. Manchmal hat sie sich verfahren und dann gab es wieder große Sorge und die Kinder haben sie mit uns zusammen gesucht.
Irgendwann wurde den Kindern klar, daß sie ihre Mutter nicht mehr in unserer Verantwortung lassen können. Und sie ist, vermutlich zum sterben nach Italien gebracht worden.

Frau Schag die freundliche Nachbarin, ereilte kein so schönes Schicksal. Ihr Mann versuchte es eine zeitlang damit, sie einzusperren. Aber nachdem sie auch in der Wohnung dann Dinge nicht mehr so hinterlassen hat, wie er es gewohnt war und man sich nicht mehr darauf verlassen konnte, dass sie das Essen richtig kocht und überhaupt die Dnige tut, wozu man doch so eine Frau hat, hat Herr Schag sie ins Altenheim gebracht. Ich verwende seine Worte.
Ich weiß nicht wieviel Liebe da jemals im Spiel war. Und auffällig fand ich es schon immer, das wir noch nie eines der 3. Kinder bei uns im Haus angetroffen haben.

Dieses alte Pärchen, deren Leben nach Erzählungen von Frau Schag nur aus Arbeit bestand. Ich kann nicht beurteilen, ob sie glücklich waren oder nicht. Und noch weniger kann ich die Dinge beurteilen die Herr Schaag nun langsam aus der Wohnung räumt.
Für ihn anscheinend wertlose Dinge, die seiner Frau gehören.
Sie wird nicht wieder zurück kommen und er hat keine Verwendung dafür. Aber direkt in die Mülltonne werfen möchte er sie auch nicht. Dafür hängt vielleicht der Geist seiner Frau zu sehr an diesen Dingen.
So machen sie vielleicht nochmal eine Zwischenstation. In einer der WG’s. Oder so wie bei uns. Der kleine Fächer mit den spielenden Pandabären.

Würde Herr Schaag in anstatt ihn zu verschenken, seiner Frau ins Altenheim mitbringen, würde sie sich vielleicht an die Reise nach China erinnern, die sie vermutlich nie gemacht haben.


 

Margret Bernreuther: Systemische Beratung

Du redest ohne Unterlass.

Ich höre dir zu. Ich hänge an deinen Lippen. Ich habe mich dir zu Füßen gesetzt und lausche deinen Worten. Du sprichst nicht mit mir. Du erwartest keine Antworten.

Du berichtest von deiner gescheiterten Beziehung und was dir angetan wurde.
Ich versuche das Verstandene mit Blicken und langezogenen Hmmms zu bestätigen.

Ab und zu stehe ich auf und wechsle die Schallplatte. Meine Musikauswahl lässt du unkommentiert. Darum geht es ja nicht und ich versuche auch hier möglichst unemotional zu bleiben.

Dass du überhaupt wieder hier sitzt, grenzt für mich an ein Wunder.

Vor Wochen hattest du dich von mir verabschiedet. Mir gesagt, dass aus uns nichts werden kann.
Dass es noch so viel zu bearbeiten gibt in deiner eigenen Welt.

Du bist auch noch verliebt. In eine andere Frau, die dich nicht will und wo du dich nur von mir hast trösten lassen.
Und wie gut ich das kann. Wie mir ständig etwas einfällt um dich auf andere Gedanken zu bringen.
Gedanken und auch Gefühle lassen sich doch steuern.

Immer wieder verfolge ich da einen verhaltenstherapeutischen Ansatz.
Was tut man wenn sich die Gedanken immer wieder um dieselbe Sache drehen?
Eine Sache die sich durchdenken aber nicht lösen lässt.

Ich muss also versuchen, anders über diese Sache zu denken, oder sogar versuchen überhaupt nicht mehr darüber nachzudenken.

Diese Sache also, mit der anderen Frau. Und wie du mir sogar erklärst, wie sich die Rollen getauscht haben. Du auf einmal der Gewollte bist und nicht mehr der Verschmähte.

Dieses Mal meinst Du mich.
Ich bringe dir Verständnis entgegen.

In meinem Kopf ist es genauso, dass das noch passieren wird.
Du hast nun schon so einen mutigen Schritt getan.
Mir geschrieben das du einen Fehler gemacht hast und das du sehr dumm warst und das mich vermisst.

Aber jetzt sitzt du bei mir und redest von der anderen Frau. Ich kann dir bestimmt helfen.
Ich kann es schaffen, dass du sie vergisst. Du musst nur auf mich hören.

Ich bin aber still. Ich sage dir nichts. Wohlwollend lasse ich dich verbal auf mir abwichsen.

Es ist wie in einem Porno, nur ohne Sex.

Es ist Abend und wird dunkel. Du hast dich leer geredet. Dich über mir zu ergießen hat dir aber keine Erleichterung verschafft. Du musst jetzt nach Hause. Gemeinsames Abendessen?

Vielleicht ein andermal.


Margret Bernreuther: Sucht

Mit dieser Art von Einsätzen hatte ich wirklich meine Probleme.
Aber sich drücken ging nicht. Sind wir doch mal ehrlich. Niemand aus unserer Truppe hat Lust auf so einen Einsatz.
Der Ablauf ist in der Regel immer der Gleiche.
Ein Nachbar ruft an und beschwert sich wegen eines schlimmen, bestialischen, alle Alarmsignale weckenden Geruchs aus der Nachbarwohnung.
Natürlich sind da auch manchmal so Scherzbolde dabei, die anrufen um sich über die Kochgerüche der arabischen Nachbarn aufzuregen.
In so einem Fall gibt’s dann gern mal eine Anzeige, wegen grundlosen Rufens der Polizei.
Im heutigen Fall zeichnete es sich aber schon ab, das wir es mit einer gerechtfertigten Anzeige zu tun hatten.
Die Wohnung war uns zumindest nicht unbekannt. Zumindest die vermeintlichen Bewohnerinnen.
Die beiden Schwestern hatten schon mehrere kleinere Anzeigen bei uns im Computer, wegen kleinerer Delikte. Kleinere Diebstähle, Erregung öffentlichen Ärgernisses.

Die Nachbarn hatten uns informiert, dass aus der Wohnung ein furchtbarer Gestank zu vernehmen sei. Klingeln und Klopfen hätten nichts gebracht. Keine der beiden Damen öffnet die Tür.

Die Polizei kann eine Wohnung gegen den Willen des Inhabers nur betreten, wenn dies zum Schutz eines Einzelnen oder des Gemeinwesens gegen dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist.

Gefahr in Verzug. Umgangssprachlich.
In diesem konkreten Fall. Die Sorge der Anwohner, dass jemand in der Wohnung gestorben ist.
Ich bezweifle das. So schnell stirbt man nicht.
Trotzdem müssen wir hin und mein Kollege und ich werden zugeteilt.
Auf der Fahrt zu der Wohnung sprechen wir wenig. Mein Kollege spricht eigentlich generell wenig mit mir, aber er ist kein Arsch. Dem ist zum Glück auf eine gesunde Art alles wurst.

So eine Einstellung bewundere ich. Dienst nach Vorschrift, sich nichts zuschulden kommen lassen. Alles immer korrekt bei dem. Und noch dazu, sich deswegen nicht wichtig machen.
Hätte ich heute diesen Einsatz abgelehnt, wäre das sicher so rüber gekommen. Dass ich mich wichtig machen will. Ab und zu dürfen wir das.
Einsätze verweigern, ohne Angabe von Gründen.
Das ist ein kleiner Trick den unser Dienstleiter sicher aus irgendeinem Motivations-Seminar hat.

Lassen Sie in einfachen Dingen auch mal Fünfe gerade sein

Allzu oft brauchst du das aber nicht bringen. Und ich will auch nicht, dass jemand Verdacht schöpft, weil ich jedes Mal bei dieser Art von Einsätzen kneife.
Ich habe jetzt in meiner Dienstzeit schon echt ein paar heftige Sachen gesehen. Blut zum Beispiel macht mir überhaupt nichts aus.

Wir sind am Wohnhaus angekommen. Hier gibt es immer mal wieder Randale.
Das Viertel wird gerade von  Hipstern übernommen und die Häuser nach und nach saniert. Das Haus, wo wir heute sind, ist das letzte in dem Strassenzug, das noch nicht renoviert wurde.

Die Wohnung befindet sich im dritten Stock.
Das Eingangstor ist nicht verschlossen.

Der Vorgang ist klar: erstmal nach oben und klingeln und vehement klopfen.
Checken, ob etwas in der Wohnung zu hören ist.
Im zweiten Stock vernehme ich den Geruch schon. Es ist kein Verwesungsgeruch und ich weiß jetzt schon, was uns bevorsteht.
Der Geruch – eigentlich Gestank – ist eine Mischung aus Kompost und Zigarettenrauch.
Süß und herb. Und es reicht eine kleine Prise, um bei mir eine Erinnerungskette in meinem Gehirn freizuschalten. Schon verrückt wie stark das Gehirn auf Gerüche reagiert.
Wie gut man sie sich merken kann.

In meinem Kopf bin ich wieder 8 Jahre alt. Wir lebten damals in einem ähnlichen Mietshaus. Jeden Nachmittag, als ich von der Schule nach Hause kam, empfing mich dieser Geruch.

Meine Mutter war ein Messi.
Jemand der nichts wegschmeissen konnte.

Und da war es vollkommen egal, ob die Dinge, die sie anhäufte, einen Wert hatten.
Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter mir jemals etwas zu essen gekocht hat.

So schnell stirbt man nicht

Das Hämmern an der Tür ließ mich aus meinen Gedanken schrecken.
Die Nachbarin steckte mittlerweile ihre neugierige Nase zur Tür hinaus.
Ja, gut, dass die Polizei endlich da ist. Der Gestank ist ja wirklich nicht mehr auszuhalten.
Die zwei Frauen waren eh nicht mehr ganz sauber, sie wissen schon was ich meine.
Das war ja nur eine Frage der Zeit, bis die sich mal was antun.
„Haben sie mal die Nummer der Hausverwaltung für mich“
„Ja, Guten Tag, wir bräuchten Zugang zu einer ihrer Wohnungen“

„Ja, wir warten“

Ich habe mich immer gefragt, wo meine Mutter all das Zeug eigentlich her hatte.
Wir hatten kein Geld. Nahm ich zumindest an. Meine Mutter hat meines Wissens nach nie gearbeitet.
Ich war mit einem mir unbekannten Mann irgendwann gezeugt worden. Ich hatte noch zwei ältere Geschwister, die schon lange ausgezogen waren.

Mein Therapeut hat mir gesagt, ich muss das von mir loslösen. Meine Mutter war krank.

Der Begriff Messie-Syndrom (abgeleitet von englisch mess „Chaos, Durcheinander“) bezeichnet ein zwanghaftes Verhalten, bei dem das übermäßige Ansammeln von mehr oder weniger wertlosen Gegenständen in der eigenen Wohnung im Vordergrund steht, verbunden mit der Unfähigkeit, sich von den Gegenständen wieder zu trennen und Ordnung zu halten

Ich muss verstehen, dass das wie eine Sucht ist. Der Betroffene kann nicht damit aufhören.
Die Betroffene kann nicht mehr wichtig von unwichtig unterscheiden.
Die Betroffene kann nichts dafür, dass man vor lauter Zeug um sich herum vergisst, dass man ein Kind hat.

Der Hausbesitzer ist mittlerweile eingetroffen. Vorerst verzichten wir auf Verstärkung.
Reicht auch wenn wir die rufen, wenn wir eine oder zwei Tote in der Wohnung finden.
Der Hausbesitzer schließt die Wohnung auf. Die neugierige Nachbarin, die sich direkt hinter mir in Position gebracht hat, fängt unmittelbar das Würgen an.
Es ist genauso wie ich es geahnt habe. 

Ich betrete meine Wohnung. Verrückt, dass sich die Art von Messi-Wohnungen so wenig unterscheiden.
Damals als mich das Jugendamt zusammen mit der Polizei aus der Wohnung geholt hatte, mussten sie sich auch erstmal einen Weg zu mir freiräumen.
Ich war seit drei Tagen nicht mehr in der Schule gewesen und meine Lehrerin hatte Meldung beim Jugendamt gemacht.
Die Polizistin, die mich damals aus der Wohnung getragen hatte, roch ganz betörend gut nach Waschmittel. Manchmal denke ich mir, das ist auch der Grund warum ich Polizistin geworden bin.
Und wenn die Großwäscherei, die unsere Uniformen wäscht, irgendwann das Waschmittel ändert, kündige ich.

Mein wortkarger Kollege kann sich nicht mehr beherrschen. Er flucht, weint geradezu. Wir können die Wohnung nicht betreten.
Mit Tränen in den Augen rufe ich die Verstärkung. 
Ja, sie soll gleich der Entrümpelungsfirma bescheidgeben.

Zwei Tage lang haben die gebraucht um die Wohnung zugänglich zu machen.
Von den Frauen fehlte jede Spur.
Genau wie meine Mutter hatten sie sich in Luft aufgelöst.
Das Jugendamt konnte mir nie sagen wo sie abgeblieben war.

Şehbal Şenyurt Arınlı: Brief I

Nürnberg, 18. Oktober 2018

Çalışma masamın üzeri karmakarışık. Kafamın içi, içimin labirentleri de… Çalışma masamın üzeri darmadağınık. Hayatımın kendisi de… Bir çalışma masamın olması çok iyi… Bir de toparlayabilsem! Her akşam toparlıyorum. Sabaha huzurla masamın başına geçebileyim, iki satır ilerleyebileyim diye. Ama her nasılsa, galiba, gece yarıları kalkıp yeniden ortalığı karıştırıyorum. Ne düşünüyorum, nerelere gidip geliyorum ucu bucağı belirsiz. Karışık, karmakarışık işte! Darmadağınık. Belki bu mektupları yazarken biraz toparlanırım. Mesela, şimdilik şu dil kursu kitaplarımı raflara tıkıştırabilirim; yeni geldiğim bu memleketi tanıyacağım diye ortalığa yığdığım onca kitabı, broşürleri, etkinlik tanıtımlarını, programları… Yazmaya çalıştığım, kıvranıp durduğum bana göre ütopya/kimine göre distopya notlarımı çekmeceye sokuşturabilirim; önceleri yazılmış ama yayınlanmamış, yayınlanması için çalışsam iyi olur diye ortalıkta tuttuğum yazılarımı unutabilirim. Ya da memleket dergilerine yazmak için sıralayıp durduğum makaleler/denemeler için aldığım notları, okumam gerekenleri… Neyse ki, film tasarımlarımı çoktan sümen altı etmişim. Şişindiği yerden arada bir burnunu uzatmaya çalışsalar da pek kulak vermiyorum onlara. ‘’Şimdilik film işi çok ağır gelir, bekleyedurun!’’ diyorum. Bu yeni memlekette ‘’tutunma’’ projeleri dosyalarımı da toptan ortadan kaldırmalıyım. Zaten burada bir işe yarar mı belli bile değil! Hadi, ya… en önce ‘kendine haksızlık etme’ klasörünü geri dönüşüme göndersem iyi olacak! ‘’Bu kadar karmaşa içinde, bir yılda bir sürü bir şeyler yapıp durdun işte, daha ne istiyorsun!’’ diyerek yani. Çalışma masamın üstünde bir telaş, bir telaş… Farkındayım, bedenimin hücreleri de zıp zıp zıplıyor! Ne oluyor kardeşim?.. Bir sakin ol! Dölek dur! Velhâsıl masamı toplasam iyi olacak! Sevgili Terezia Mora, Rastlantıların hiç de öyle rastgele olmadığını düşünmüşümdür hep! Rastlantı gibi olanların; başka rastlama maceralarıyla olgunlaşarak özgün bir varoluş kazandıkları yerlerden, gelip geçtikleri/dallanıp budaklandıkları/derleyip topladıkları/değişip dönüştükleri ile zaten oraya varmaktan başka çarelerinin olmadığını… Bulunduğum yerden kademe kademe geriye/dörtbir yöne/gündelik hayatın kılcallarına doğru giderek beni oraya taşıyan tesadüfleri izleme oyununu çok severim. Çok eğlencelidir! Şimdiki soru; ‘’Hangi tesadüfler zinciri bizi bir araya getirdi’’? Bir öneri, iki kabul! Öneriyi yapanın tesadüfler zinciri neydi? Bu öneriye hangi yolculuklardan sonra ve nereden/nasıl gelmişti?… Bir insan tanımadığı birine neden mektup yazar? Yani, şimdi, ben size neden yazıyorum? Siz benimle yazışmayı neden kabul ettiniz? Bunlar, ya ‘gerek’ler, ya ‘zorunluluk’lar, ya ‘ihtiyaç’lar üzerinden yaşayan; yapıp ettiklerini bir temele oturtmadan rahat etmeyen biri olarak bir zemin arayışı soruları galiba ve şimdi buna verebilecek bir cevabım yok sanırım. Gerçi, bu soruların bir önemi var mı, onu da bilmiyorum ya! Belki de cevabı yazışmaların ilerleyen süreçlerinde –birbirimizi tanıdıkça- birlikte keşfederiz, kim bilir?………….


übersetzt von Sabine Adatepe

Nürnberg, 18. Oktober 2018 

Auf meinem Schreibtisch herrscht Tohuwabohu. Ebenso wie in meinem Kopf und den Labyrinthen in mir. Auf meinem Schreibtisch herrscht wildes Durcheinander. Wie auch in meinem Leben. Wie gut, dass ich einen Schreibtisch habe. Wenn es mir nur gelänge, Ordnung zu schaffen! Jeden Abend räume ich ihn auf. Damit ich mich in Ruhe und Frieden am nächsten Morgen daransetzen kann und zwei Zeilen vorankomme. Irgendwie aber stehe ich wohl mitten in der Nacht auf und bringe ihn wieder durcheinander. Ungewiss, was ich denke, wo ich mich herumtreibe. Durcheinander, Chaos! Wildes Chaos! Vielleicht gelingt es mir, beim Schreiben dieser Briefe ein wenig Ordnung zu schaffen. Jetzt könnte ich doch die Bücher vom Sprachkurs im Regal verstauen, ebenso wie all die Bücher, Broschüren, Veranstaltungsflyer, Programme, die ich ringsum aufgestapelt habe, um das Land kennenzulernen, in dem ich neu bin. Die Notizen zu der Utopie, manche meinen, es werde eine Dystopie, die ich mühsam zu schreiben versuche, könnte ich in die Schublade stopfen, könnte die unveröffentlichten Texte, die ich griffbereit halte, weil ich denke, es wäre gut, wenn ich mich um ihre Veröffentlichung bemühen würde, endlich aufgeben. Ebenso wie die endlos aufgereihten Stichworte für Artikel, Essays für Zeitschriften in der Heimat und all das, was ich noch lesen müsste. Immerhin habe ich Filmideen längst unter die Schreibtischunterlage geschoben. Wo sie sich allzu sehr drängeln, strecken sie zwar manchmal die Nase heraus, aber ich leihe ihnen kaum ein Ohr. „Filmemachen ist im Augenblick extrem schwierig, wartet ein bisschen“, raune ich ihnen zu. Auch die Akten mit Projekten, um hier im neuen Land „Halt zu finden“, sollte ich allesamt beiseite räumen. Ohnehin ist ungewiss, ob sie hier zu etwas nütze sein würden. Komm, los jetzt, es wäre gut, zuerst einmal den Ordner „Tu dir kein Unrecht“ auf Wiedervorlage zu verschieben. Mit Fug und Recht kann ich mir sagen: In dem einen Jahr hast du in all dem Wirrwarr doch eine Menge getan, was willst du mehr! Aufregung herrscht auf meinem Schreibtisch und Stress. Das weiß ich wohl, die Zellen meines Körpers hüpfen auf und ab. Was ist denn los? Komm runter! Relax! Kurz, ich sollte dringend meinen Schreibtisch aufräumen. Liebe Terézia Mora, seit eh und je denke ich, Zufälle sind gar nicht so zufällig! Denke, was wie ein Zufall aussieht, was, in anderen Zufallsabenteuern gereift, eigene Existenz gewonnen hat, mit allem, was es streifte, was es verzweigte und komplizierte, was es auflas und zusammensuchte, veränderte und verwandelte, hatte gar keine andere Chance, als genau an diesen Punkt zu gelangen. Ich liebe das Spiel, von meinem Standpunkt aus Stufe um Stufe zurück, in alle vier Winde, in die geheimsten Winkel des täglichen Lebens einzutauchen und all die Zufälle zu verfolgen, die mich hierher gebracht haben. Das macht richtig Spaß! Jetzt lautet die Frage: Welche Zufallsverkettung hat uns zueinander gebracht? Eine Offerte, zwei Mal Zustimmung! Was war die Zufallskette auf Seiten derer, die das Angebot unterbreiteten? Nach welchen Reisen, wie und woher kamen wohl sie auf diese Offerte? Warum schreibt man jemandem, den man nicht kennt? Warum also schreibe ich Ihnen jetzt? Warum haben Sie eingewilligt, mit mir zu korrespondieren? Fragen auf der Suche nach einem Fundament, von einer Person, die anhand von „Notwendigkeiten“ oder „Zwängen“ oder „Bedürfnissen“ lebt und keine Ruhe gibt, ehe sie das, was sie tut, auf ein Fundament gestellt hat, und für den Augenblick habe ich darauf keine Antwort. Ja, ich weiß nicht einmal, ob diese Fragen überhaupt von Belang sind. Vielleicht entdecken wir die Antwort in späteren Stadien unserer Korrespondenz, wenn wir uns näher kennenlernen, wer weiß?………………


Şehbal Şenyurt Arınlı

Aus dem Buch „Zwei Autorinnen im Transit – Ein Dialog“ 

Übersetzung von Sabine Adatepe

binooki Verlag