Carsten Striepe: Flaschenpost

Gesellschaftskritik ist ein Lifestyleprodukt. Nicht mehr als ein schickes Accessoire von Akademiker:innen jeglicher Coleur, das sie vor sich hertragen und begeistert davon erzählen welche tollen Erkenntnisse und Erfahrungen sie im Austausch miteinander gewinnen durften. Stolz präsentieren sie das Unsagbare der Woche ohne die Tragweite überhaupt begreifen zu wollen. Gleich einer Holiday-Experience und einer Afterwork-Session mit den ach so geliebten Kolleg:innen. Ein Glaubensbekenntnis, dass wir dies und jenes erkannt und in uns vernichtet haben, während die ganze Scheiße einfach weitergeht. Und manchmal reicht die Demut gerade noch für ein Bier getränktes Bekenntnis, die immer noch anwesenden inneren Widersprüche anzuerkennen. Aber bald hat man es geschafft. Bald ist man frei vom Widerspruch. Ganz bestimmt. Bald. Und dann?!

Uns ist einiges abhanden gekommen über die Zeit: Die einstige Schlagkraft der Krüppel- und Irrenbewegung, die Antipsychiatrie und Patient:innenkollektive, die autonomen Bewegungen gegen die Zumutungen des Geschlechterverhältnis, sowie die antirassistischen Proteste der 80er und 90er Jahre, selbst die 68er-Bewegung trotz all ihrer Irrwege, Karriereambitionen und Projektionen. Heute sind sie Speaker:innen, Workshopgebende, Lehrer:innen, Pädagogi:nnen, Wirtschafts- und Businessmenschen im Anzug. Sie sitzen in Gremien und Kampagnen, sind promovierte Expert*innen für dies und das, geben schlaue TED-Talks zu wichtigen Themen, sie wissen wie man redet und wie man Menschen für sich gewinnt, sie überzeugen in der Kommunalpolitik und auf Bundesebene, machen Expertisen-Beratung, reden über Sustainabilty und SDGs. S-D-Gs! Echte Macher eben. So hört zumindest jemand zu – was er oder sie hört und daraus schließt ist nicht weiter von Belang. Was daraus folgt – egal, denn es geht um das Bekenntnis! Ein Workshop hier und da. Für das höhere Ideal! Für die gute Sache! Für die einfachen Botschaften! Mehr als Harmonie ist nicht drin.

War das erklärte Ziel nicht die Abschaffung des entfremdeten Tuns und Machens, des Kategorisierens, des Labels und der Etiquette? Eine radikale Kritik der Zurichtung eines jeden Subjekts? Gegen alles was scheiße ist? Nieder mit den Palästen? Eine Welt frei von Zwang und zweckgesteuerten, instrumentellen Beziehungen? Die Bezugnahme aufeinander radikal verändern und neudenken? “Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen” …und so weiter und so fort? Antiquiertes Geschwätz, für das sich kein Absatzmarkt am sogenannten Meinungskorridor mehr findet. Die heiklen Themen werden ausgespart, weil jemand die Meinung aus gänzlich anderen Gründen teilen könnte, der uns nicht gefällt. Diskussionen um emanzipatorische Belange sind nicht weiter von Wissensaustausch und schmerzhafter Bereicherung durch Widerspruch geprägt, sie sind zum Austausch von Bekenntnissen verkommen. Es wird abgeklopft ob die Person gegenüber den Standpunkt teilt. Wenn nicht, lohnt sich keine weitere Auseinandersetzung. Der Unterschied von Argument und Standpunkt verschwimmt.

Seit Herbst letzten Jahres ist nichts mehr wie es war. Zu verschieden die Verschiedenheit. Zu heimelig und bequem die Gedanken, die zum Einfachen führen. Brechts “Das Einfache, das schwer zu machen ist” scheint noch weiter in die Ferne gerückt als je zuvor. Da sind nur noch anonyme Schützengräben aus denen geschossen wird. Das Lob auf Selbstkritik ist nichts wert, wenn sie nicht verstanden, geschweige denn kollektiv eingelöst wird. War bis zu diesem Tag immer weit entfernt von jetzt. Was wenn die autoritäre und konformistische Rebellion das letzte bisschen vom Tellerrand der Gesellschaftskritik kratzt und sich einverleibt? Wo sind die Unterschiede im Suchen nach dem greifbaren Bösen in der Welt? Wie schafft man die Gehirnakkrobatik sich selbst aus der Kritik auszuschließen und dem Wahn – die eigene Gewordenheit in all dem Ekel ignorierend – verfällt? Wie viel Pragmatismus ist nötig bis zur völligen Selbstaufgabe? Was bleibt da übrig als angepasste Selbstvergewisserung und Klarheit der einfachen Worte? Vernichtung statt Verneinung ist schön – sie tut uns ja nicht weh, nur den anderen. Innere Konflikte werden beiseite gestellt und suchen eine Leinwand zur Projektion auf der stellvertretend Schlachten geführt werden. Dabei muss und wird doch sowieso alles kurzüber in Flammen stehen.

Wo kämen wir da hin wenn Gesellschaftskritik weh tun würde? Sie muss angenehm serviert werden auf einem buntem Porzellanbett, von dem wir jedes Wort schlürfen solange es uns schmeckt. Geh mir weg mit Gewordenheit, Zurichtung und Verhältnissen! Hört mir auf mit dieser Beharrlichkeit! Sei konstruktiv – auch wenn du dir nicht ausgesucht hast hier zu sein! Bitte nicht zu kompliziert, es soll ja auch jeder verstehen und mitkommen können. Klassismus wider Willen, dem Unverstandenen keine Chance einzuräumen bevor es verstanden werden kann. Klar, hier und da ein Begriff der uns suggeriert es sei von Relevanz. Wir brauchen Reichweite – sonst lohnt es sich nicht. Kritik muss sich aber lohnen sonst ist sie nichts wert. Wenn sie das soll, ist sie dann nicht vielmehr ihr Gegenteil? Ich habe noch nie davon gehört, dass einfache Antworten komplexe Probleme gelöst hätten.

Vor Jahren laß ich in einem Gedicht: Dialektik sei es tagsüber rote Flugblätter zu verteilen und abends schwarze Gedichte zu schreiben. Ist es noch Dialektik wenn letzteres zu überwiegen droht?

Allmählich ziehe ich ernsthaft in Erwägung ans Meer zu ziehen. Wenn wir schon dem Untergang geweiht sind, wünsche ich mir die Flaschenpost wenigstens am Strand lesen zu können.

Sabrina Marzell: Klassenfrage

Sara und Caro schauen einen Film, eine Aufstiegsgeschichte. Die Geschichte löst in
Sara negative Gefühle aus! Sara fängt an Caro Vorwürfe zu machen. In der
Auseinandersetzung driften die beiden auseinander.

Ich hielt den Kopf aufgestützt auf meinem Ellbogen, der sich immer tiefer in die Sofalehne
bohrte. Neben mir auf dem Sofa saß Caro und suchte die Fernbedienung. Ich richtete
mich auf und legte die Decke, die ich mir um meine Beine gewickelt hatte beiseite. Dann
tastete ich mich vorsichtig durchs dunkle Zimmer zum Lichtschalter vor und knipste das
Licht an. Das kleine, unaufgräumte Zimmer wurde von einem kalten weiß durchflutet und
der Schatten, der gerade noch über Caros Gesicht lag verschwand. Ich setzte mich wieder
und starrte einen Moment lang auf den grauen, dreckigen Teppichboden der an manchen
Stellen verklebt war und auf dem sich jetzt auch noch orangfarbene Chipsreste verteilten.
Nervös griff ich in die Chipstüte, die auf dem Tisch lag. Sie war leer. Ich zerdrückte die
Chipstüte und warf sie auf den Boden, wo sie knisternd wieder aufging. Ein bedrückendes
Gefühl stieg in mir auf. Meine Brust zog sich zusammen und in der kleinen Furche unter
meiner Nase bildeten sich Schweißperlen. Ich stand auf, öffnete das Fenster und zündete
mir eine Kippe an. Kalte Luft schlug mir entgegen und der Lärm des Zuges der vorbei
rauschte überfuhr mich. Ich rauchte ohne abzuaschen und schaute auf die menschenleere
Bahntrasse, die langsam vor meinen Augen verschwamm. Mutti war allein,
tablettenabhängig und chronisch pleite und mein Bruder schwänzte immer häufiger die
Schule und zog jeden Tag mit ein paar Idioten, die die Wohnscheibe in Beschlag nehmen
wollten durch die Siedlung. UND ICH: ICH BEKAM PANISCHE VERSAGENSÄNGSTE.
SCHEIẞE!, dachte ich.
„Was ist los?“, fragte Caro und riss mich aus meinen Gedanken. Ich schnippte die
angerauchte Kippe auf die Straße und schloss das Fenster. „Ich glaube, ich schaff´s Abi
nicht, vielleicht schmeiß ich´s hin.“ Caro zappte durchs Programm. „Quatsch, das klappt
schon!“ Du musst dich nur anstrengen“. Ich nahm ihr die Fernbedienung aus der Hand.
„Caro, du hörst mir gar nicht zu!“ Sie sah mich irritiert an. „Wir müssen alle büffeln, ohne
geht´s halt nicht!“, sagte sie. Mein Mund war trocken und meine Stimme wurde rau und
dünn. „Mir wird das gerade alles zu viel“, „ich mach´ mir Sorgen um meine Mutter und
meinen Bruder und darüber, ob wir die Wohnung verlieren und wieder umziehen müssen!“
Ich schämte mich für meine Mutter und meinen Bruder, für unsere Plattenbausiedlung und
ich schämte mich für den dreckigen Teppichboden in meinem Zimmer. Ich sah Caro
unverwandt an und wartete auf eine Reaktion. Sie schwieg.
Nach einer Weile bakam ich nichts weiter zu hören als ein kurzes, entmutigendes „Hmm“.
„HMMM“, wiederholte ich bedrohlich und krallte mich an der Sofalehne fest. Das Leder
unter meinen Händen wurde feucht. „Du musst nach der Schule nicht arbeiten und
irgendwelchen Yuppies teure Klamotten andrehen! Du hast nach der Schule Zeit zum
Lernen und gehst abends entspannt ins Schwimmtraining.“ Caro sah mich herausfordernd
an. „Glaubst du, ich hab´s einfacher als du?“ „JA! Verdammt!“, fluchte ich. Sie fing an
hecktisch in ihrer Jackentasche herumzukramen und zog ihre Dauerkarte fürs Schimmbad
heraus. Sie warf sie auf den Tisch. „Hier bitte“, ihre Stimme bekam einen spöttischen
Tonfall. „Schwimm so viele Runden du willst! Du musst keinen Cent dafür bezahlen!“ Dann
nahm sie die Fernbedienung in die Hand und zappte weiter durchs Programm. Meine
Situation schien Caro nicht zu interessieren. Das kränkte mich. Doch wie sollte sie sie
auch verstehen können? Caros Eltern waren noch zusammen und verdienten beide gut
und konnten ihr alles ermöglich. Caro kennt keine Geldsorgen keine sozialen
Abstiegsängste. „Reg dich ab, Caro!“, sagte ich nach einer Weile. Es geht nicht nur ums
Geld. Du hast gute Noten. Du wirst mit Sicherheit studieren und nach dem Studium
wahrscheinlich im Büro deiner Mutter anfangen!“, sagte ich nüchtern und zuckte die
Schultern. „Ich habe keine Ahnung was aus mir einmal werden soll.“ „Aber dafür kann ich
doch nichts“, erwiederte sie „Und dass ich im Büro meiner Mutter anfange“, schob sie
hinterher „ist auch noch nicht sicher“. „Du hast aber die Möglichkeit im Büro anzufangen
wenn du willst. In meinem Leben gibt es keine gemachten Nester, in die ich mich setzen
könnte.“ Mein Blick ruhte auf ihrem verständnislosen Gesicht. Als sie es bemerkte, sah sie
weg. „Verstehst du nicht!“ Sie schüttelte den Kopf, dann nahm sie ihre Jacke vom Sofa
und ging wortlos aus dem Zimmer.

Elias Hirschl: Über das Motiv der SAMSUNG MS 23 K 800 Watt Mikrowelle im Werk von Karsten Dorsch


Heute möchte ich einen Blick auf einen stark unterschätzten Autor werfen, ja vielleicht den unterschätztesten aller Zeiten. Karsten Dorschs Romane zeichnen sich durch ihre sprachliche Raffinesse aus, durch ihren Einfallsreichtum, ein diffiziles Einfühlungsvermögen zu seinen Figuren und eine enorme Detailkenntnis historischer Werke, zu denen er in seinen Büchern durchwegs stark Bezug nimmt. Ja seine Bücher sind gespickt mit Querverweisen, Zitaten und Anspielungen auf andere Werke und es würde Jahre dauern sie alle aufzulisten. Es gibt mehrere Theorien darüber, warum Dorschs Romane nie wirklich in den Literatur-Mainstream vordringen konnten. Manche halten sie für zu trist, andere für zu komödiantisch und wieder andere sagen, es liegt an eben jenen Querverweisen von denen Dorschs Bücher nur so überquellen. Letztere Theorie möchten wir uns kurz genauer ansehen.
Dorschs Werdegang ist im Vergleich zu seinen literarischen Kolleg:innen ein etwas sonderbarer. Als siebenjähriger Junge flüchtete er während eines Hurricans in den Sturmschutz-Bunker eines Nachbarn. Der Nachbar starb während des Sturms und der kleine Karsten war so leider die nächsten 30 Jahre in besagtem Bunker gefangen, bis ihn eines Tages ein Jogger zufällig entdeckte. In diesen 30 Jahren ernährte sich Karsten Dorsch ausschließlich von Tomatensuppe und Bohnen aus der Dose und las sämtliche Bücher, die in dem Bunker vorhanden waren. Die Bücher im Bunker waren: Ein Fall für dich und das Tigerteam Teil 576 – Geisterspuck im Altenheim von Thomas Brezina sowie eine Bedienungsanleitung für die Bunkerinterne Mikrowelle zum Aufwärmen von Dosennahrung. Laut eigener Aussage fand Karsten Dorsch seine Liebe zum Schreiben von eigener Literatur in dem er immer und immer wieder Ein Fall für dich und das Tigerteam Teil 576 – Geisterspuck im Altenheim, sowie die Bedienungsanleitung der SAMSUNG MS 23 K, 800 Watt Mikrowelle las.
Seine Bücher enthalten dementsprechend ebenfalls ausschließlich Zitate, Verweise und Anspielungen auf diese beiden Werke, die in der Geschichte der Weltliteratur leider viel zu wenig Beachtung finden, sodass die meisten Leser von Dorschs Romanen seine genaue Kenntnis dieser Werke nicht richtig zu würdigen wissen. Beispielsweise sein grandioser Roman: Die kaputte Mikrowelle in Zimmer 34, in dem vier Jugendliche der Bewohnerin eines Altenheims dabei helfen herauszufinden, wo die seltsamen geisterhaften Geräusche aus ihrer Mikrowelle herkommen, ist ein Musterbeispiel eines psychologischen Thrillers und verbindet gekonnt literarische Elemente und Motive nicht nur aus dem Buch Ein Fall für dich und das Tigerteam Teil 576 – Geisterspuck im Altenheim von Thomas Brezina, sondern auch aus dem Werk Bedienungsanleitung der SAMSUNG MS 23 K, 800 Watt Mikrowelle. Auch sein zweiter Roman mit dem Titel: „Der Geist in der Mikrowelle im Altenheim“ ist ein grandioses Beispiel dafür, wie sich altbekannte historische Stoffe in neuem Gewand erzählen lassen. Die historischen Stoffe in diesem Fall sind die Bedienungsanleitung der SAMSUNG MS 23 K, 800 Watt Mikrowelle, sowie das Buch Ein Fall für dich und das Tigerteam Teil 576 – Geisterspuck im Altenheim von Thomas Brezina und das neue Gewand in dem sie erzählt werden, ist ein etwas anderes Altenheim mit Klimaanlage und eine Mikrowelle, die eine lustige Melodie spielt, wenn sie das Essen fertig erhitzt hat. Eine lustige Melodie… oder etwa das läuten einer Friedhofsglocke? Dorsch spielt gekonnt mit unseren Erwartungen und unterwandert sie immer wieder von neuem. So etwa auch in seinem dritten Roman: „Die geisterhafte Mikrowelle aus dem Altenheim“, in dem der Geist einer verstorbenen Mikrowelle die armen Bewohner eines Altenheims terrorisiert – eine wirklich außerordentlich gut gelungene Adaption des alltherbekannten Themas von Geisterheimsuchungen in Altenheimen, erweitert durch das Motiv der SAMSUNG MS 23 K 800 Watt Mikrowelle.
So oder so, Dorschs Romane sind immer eine Empfehlung wert und noch heute läuft es mir kalt den Rücken hinunter, wenn meine Suppe endlich heiß ist.

Harald Kappel: Vom Abstellen des Mangels

morgens
ist das Bedürfnis am Größten
der Vortag
ist mit feuchten Erinnerungen gefüllt
der erste Schluck
nicht vor neun
ist der Schwerste
die selbstauferlegte Beschränkung
ein täglicher Erfolg
und
ein körperliches Muß
die Erleichterung
setzt augenblicklich ein
die Freude niemals
der Tag
wird
vom Abstellen des Mangels
erfüllt

Christian Knieps: Pitch Deck

Number Factory ist wie Backen nach Zahlen – Würfel dir die Welt, wie sie dir gefällt!
Danny de Pedrosa y Jesus geht zum Boardroom, um seine neue Strategie zu pitchen. Heute ist Senior Management Meeting, und Danny hat sich eine neue agile Strategy für Finance results and adjustments ausgedacht – endlich gab es eine crispy Methode, um per multiplen Würfeln die P&L zu generieren, ohne Aufwand, auf Basis von stochastischen Methoden, quasi Advanced Dungeons and Dragons Style mit Unternehmensergebnissen.
Er tritt ein und möchte die Stimmung anfühlen, ob er den Flow spüren kann, das vorherrschende Mindset, damit er auf Augenhöhe mit dem Management sein Mission Statement performant präsentieren kann. Er koppelt seinen Laptop mit dem Smartboard und beginnt das Big Picture auszurollen, will alle mitnehmen und zieht daher alle Register seines Storytellings, in dem er von Mehrwert, Employee DNA und Nachhaltigkeit in systemgestützten Prozessen spricht, ehe er zum eigentlichen Thema kommt: dem Outplacement von einigen Lowperformern, da das Würfeln des Unternehmensergebnisses die hohe Kunst – quasi Rocket Science für Raketenwissenschaftler – ist. Das gesamte Finance Team müsste resilienter werden, näher ans Business rücken, Guide und strategischer Berater werden, Steuermann/frau/divers, Feedback gebend, wertschätzend, mit Augenmaß! – und was ist gerechter als der Zufall!? Also warum das Intrapreneurship evaluieren, warum Big Data nutzen und die Unternehmenskultur durch permanentes Coaching umkrempeln, wenn man doch einfach Würfeln kann?
Das Feedback am Ende seiner Summary ist positiv, das Commitment des Managements ist vorhanden und Danny ist am Ziel: er hat mit seiner Keynote zur neuen Unternehmensstrategie nicht nur proaktiv alles gegen die Wand gefahren, sondern auch induktiv und disruptiv eine gesamte Silowelt an den Pranger gestellt und ausgewürfelt. Alia iacta est!

Matt S. Bakausky: Die Seele des Backens

Ich mag keine Geschenke. Als ich jünger war, habe ich mal ein Buch geschenkt bekommen. Das war gerade, als ich in meine erste eigene Wohnung eingezogen bin. Da gab es dann lauter nützliche Dinge. Wie zum Beispiel Socken. Oder ebendieses Buch.
Das Buch hieß „Backen nach Zahlen“. Es war ein Kochbuch. Bis heute habe ich nichts aus diesem Buch gekocht. Das liegt erstens daran, dass ich nicht koche und zweitens daran, dass ich keinen Backofen habe. Wie soll ich bitte nach Zahlen backen, ohne einen Backofen?
Warum ich nicht koche? Nun ja, ich leide an etwas, was sich Neophobie nennt. Das ist die Angst vor neuen Dingen. Dieses Kochen ist mir doch zu modern, es wird erst seit 1,5 Millionen Jahren praktiziert. Zumindest gab es da in Äthiopien die ersten Spuren von einer mit Feuer zubereiteten Mahlzeit.
Ich selbst bin natürlich älter als 1,5 Millionen Jahre, müssen Sie wissen. Ich bin eine alte Seele und stamme ursprünglich von einem Planeten, auf dem es keine Nahrung gibt. Deshalb tue ich mich mit der Ernährung hier auf der Erde überhaupt schwer.
Diese ganze Sache von etwas anderes töten, um am Leben zu bleiben und so weiter. Das bin ich so von zu Hause nicht gewohnt. Gefressen und gefressen werden … Nein, danke!
Aber ich muss mich dennoch irgendwie ernähren und das mache ich ganz altmodisch. Ich kaufe im Supermarkt essen, welches man nicht backen oder kochen muss und füttere es in mich rein. Der erste Supermarkt ist noch keine 1,5 Millionen Jahre alt, werden Sie vielleicht sagen und Spuren davon wurden nicht in Äthiopien gefunden. Da haben sie aufmerksam aufgepasst. Vielleicht habe ich ein wenig geschwindelt.

Hier ein Rezept aus dem Buch Backen nach Zahlen:

Für den Teig:
125 g Butter
100 g Zucker
2 Eier
300 g Mehl
1 Teelöffel Backpulver
1 Packung Vanillezucker
Etwas Butter für die Form

Für den Belag:
200 g Aprikosenmarmelade
175 g Butter
130 g Zucker
1 Packung Vanillezucker
400 g gemahlene Nüsse
200 g Zartbitterkuvertüre

Na, schmeckt gut, oder? Man beachte die Zahlen. Ja, es wird nach Zahlen gebacken. Leider habe ich keinen Backofen, sonst würde ich dieses Rezept mit meiner Briefwaage abwiegen und zubereiten. Vielleicht hätte mir jemand einen Backofen schenken können. Das wäre ein schönes Geschenk gewesen und ich hätte mich darüber gefreut. Benutzt hätte ich ihn selbstverständlich trotzdem nicht.

Philip Krömer: ErlangenHORROR

Und wenn der Vollmond wieder glitzert, wachsen den Werschweinen im Buckenhofer Forst Daumen. Dann steigen sie über ihren Zaun und traben in die Innenstadt, kratzen die Mülltonnen aus und ängstigen den Türsteher vom Zirkel. Aber der lässt sie nicht rein, keine Chance, nicht in dem Outfit. Halte deine Fenster und Türen geschlossen, Erlangen, bis der Mond morgen wieder abnimmt.

Habt ihr im Wiesengrund die niedergewalzten Büsche bemerkt? Die Risse im Asphalt des Radwegs? Das war der Lurch. Der hat beim geheimen Areva-Reaktorexperimenten zu viel vom Kühlwasser geschluckt. Jetzt misst er acht Meter von Schnauze bis Schwanzspitze und weiß mit seiner neuen Kraft nichts anzufangen. Wenn die Reiher vorübersegeln, legt er sich noch immer bewegungslos ins Gras.

Ein Sausen erfüllt die Luft und gurgelnd schluckt ein Strudel alles Wasser aus dem Dechsendorfer Weiher. Da ist ein Riss entstanden. Fische zappeln am matschigen Ufer, das bald bis an den tiefsten Punkt reicht. Und dort kommt … ein Gebäude zum Vorschein. Nein, eine Anordnung abstrakter Formen. Ein Tempel, in dessen innerster Kammer der schreckliche Cthulhu seinen ewigen Schlaf schläft. Leise jetzt. Den wollt ihr nicht wecken!

Tief aus den Bierstollen unterm Burgberg hallen seine Schritte, dringt sein hirnloses Gebrabbel. Wer unvorsichtig nachsehen geht, den schnappt er sich zur Zwischenmahlzeit. Erst wenn das Fest wieder anhebt und die Fässer angezapft werden, kommt der Troll heraus. Unter den Besuchern fällt er kaum auf. Dann steckt er Brezen in sich rein für zwei Fußballmannschaften und trinkt das Bier fässerweise. Wer ihn bei der Nahrungsaufnahme stört, bereut das bald. Das nimmt er krumm. Seine Fäuste sind nicht von Pappe.

blumenleere: spiel, spannung, spasz

kennst du das auch …? bohrende langeweile – dein magen schreit lauthals, hunger!; gib mir richtig fett geile dinge zum mampfen, aber sofort, sonst knallt’s!, doch du hast absolut keinen bock, dich – mir nichts, dir nichts – schnurstracks & fast so aufs geradewohl gen kueche zu begeben & dich dort brav & devot ans kochen zu machen. nein, das, naemlich, faellt dir genau gar nicht ein & etwas andres gescheites ebenso wenig – wenigstens nichts, was du nicht im laufe der letzten wochen mindestens zwei dutzend mal deinen gierigen schlund hinuntergestopft haettest.
diesem missstand, allerdings, laesst sich mit ein bisschen phantasie wirklich recht lockerleicht abhilfe schaffen – pass auf!:
zock dir einen w20 & einen w10 von deinem lokalen fantasy-brettspielladen, einen w6 wirst du ja sicherlich noch irgendwo daheim rumliegen haben, oder? dann verfass eine liste mit deinen 20 lieblingsgemuese- bzw. besten wissens & gewissens erhitzbaren lieblingsobstsorten (tierisches vernachlaessigen wir, der politischen korrektheit wegen, natuerlich tunlichst), schreibe 10 zubereitungsmethoden auf einen zettel (dazu wuerfelst du bei bedarf, also, falls die spezielle herangehensweise es erfordert, eins deiner liebsten komplementaeren fette bzw. oele aus – 6 optionen sollten reichen, um die sache nicht zu ueberkompliziert zu gestalten), von frittieren, braten ueber grillen & garen bis hin zu raffinierterem pochieren & duensten – einschlieszlich entsprechender nummerierung. daraufhin ueberlegst du gezielt, was fuer sogenannte beilagen dazu passen koennten, welche gewuerze, wie erstere angerichtet & praepariert werden duerfen. ist dir der kniff nun klar? los geht’s: kochen nach zahlen! (respektive: das entsprechende zeug besorgen &, sagt dir das somit gerade entstandene rezept nicht zu, wuerfel halt erneut!)
spannende kombinationen & kulinarische ueberraschungen beinahe garantiert!