Zwischen bitteren Tränen
und einem leisen Lachen
Der Clown
taumelt durch die Welt
Schau in sein Spiegelbild,
so verletzlich,
Hinter seiner Maske
erkennst du dich selbst.
Das Magazin für Eigenart
Zwischen bitteren Tränen
und einem leisen Lachen
Der Clown
taumelt durch die Welt
Schau in sein Spiegelbild,
so verletzlich,
Hinter seiner Maske
erkennst du dich selbst.
Nase rot, Orangenbommeln,
Keiner von den feinen Herrn,
Sondern Steve schuf unsre Kita,
Er hat uns zum Fressen gern.
Steves Ballons sehn viele Kinder,
Hören Rummelplatzmusik,
Schweben hoch bis in den Himmel,
Stevie ruft noch: „Kindlein, flieg!“
Schöne Spiele spielt er mit uns,
Auch im grünen Ödland hier:
Berghotelgast, Bullengürtel,
Boote basteln aus Papier.
Und wenn es ganz dolle regnet
Und das Wasser schnell und tief,
Auf die Straße unsre Boote!
Aus dem Gully winkt uns Steve.
Und er lacht und ruft sehr laut dann:
„Eure Wettfahrt nun beginnt
Mit den großen Lastkraftwagen!“
Dabei stirbt schon mal ein Kind.
„Macht doch nichts!“, sagt Stevie immer.
Doch wir Kinder finden’s doof.
Denn wir müssen es begraben
Auf dem Kita-Tierfriedhof.
Ist das Kind dann auferstanden,
Riecht’s nach Hamster statt Persil,
Folgt uns stets mit Küchenmessern.
Kennt es denn kein andres Spiel?
Auch schon tot, doch gut gebadet,
In der Wanne, unser Schwarm:
Stevies Ma spielt mit uns Fangen,
Nimmt uns gerne in den Arm.
Ja, wir lieben Stevies Kita,
Die ist super, doch nur bis
Er aus seinen Büchern vorliest:
Tausend Seiten – das macht Schiss!
Freispielen
Lasst mich maskiert ein anderes ich sein
tollpatschig im traurigen,
gedemütigt als dumm reitend,
Phobien und Fantasien leitend,
Krokodile schlagend und diebisches entlarvend,
im populistischen edel adrett nichtssagend,
ein Freispielen zu untersagen
und man im Suchtmittelrausch diesen Kummer versucht zu ertragen,
in dem man dann Hoffnungen von erträumten besingt:
La Li Lu nur der Mann im Mond schaut zu
wenn die kleinen schlafen, drum schlaf auch du.
Und im Traum erscheint dir dann das Bärtierchen
und winkt vom Mond herab,
weil es ist ja das erste Alien von Mensch erbracht.
Schon steigt im Traum ein roter Ballon nach oben
welcher lachend freudig zerplatzt
und nun Masken herumfliegen ,die dein Ich
in seiner eigenen Angst nicht frei spielen lassen.
Ich bin Schauspieler, Maskenträger und Populist
und verhinder ein frei spielen meiner Philosophie,
da mir meine Liebe unfreiwillig Masken aufsetzt. . .
Und die rote Nase kommt vom Suchtmittelrausch,
welcher mir meinen Kummer ins Gesicht schraubt.
Schon pflücke ich mir eine Maske, die nur freundliches zeigt..
Nur in gedanklichen Ruinen läuft mein Hirn jetzt Amok,
als Joker und lacht, bis mein inneres Feindbild,
am Transhumanismusritual rein bricht.
Als ruiniertes, was ich mir selbst zusammen spinne
und teilhabende Personen darin,
wie verkehrt weiter ein schönes Leben erklären.
Darin Ziele, Hoffnungen sich tragisch unvollkommen erweisen,
die mich verwirrt irr tatenlos lebendiges verlassend,
einen Weg einschreiten, um vergangenes abzufassen.
Doch dies traumatisierende will sich nicht löschen lassen
und Gespinste treiben in Träumen ihren Unsinn
die mich befähigt orientierungslos zu handeln.
Ich habe keine reale Liebe mehr in mir
und erkenne auch nicht im sozialen digitalen, was dies noch wär‘.
Finsternis umhüllt mein ich und in ihr Stimmen die sagen.
98nrfchh du einsames Wesen verstehst die Welt nicht mehr.
Liebe deine Angst, denn Sie verführt dich zu emische Taten.
Und der Vogel der Woche schrillt vor sich hin,
denn das was er sah, ist für ihn,
Unsicherheit aszendierend
und innerlich eine Gefahr,
da Jedermann, ein Täter wie dieser sein kann.
Ich bin heute Morgen aufgewacht und hatte richtig hartnäckige Kopfschmerzen. Solche Kopfschmerzen, dass man ausrasten könnte, wenn es nicht so verdammt wehtun würde. Ich stelle mir die Frage, worüber ich in der Nacht alles nachgedacht habe, und ich komme zu der Erkenntnis, dass mich mein Besitz so richtig annervt! All der blödsinnige Kram um mich herum, den ich aus irgendwelchen anerzogenen Gründen seit Jahren und Jahrzehnten sammle. Also weg damit!
Ich beginne. Zunächst suche ich alles zusammen, das ich nur aus reiner Sentimentalität behalten habe: Gläser vom Weihnachtsmarkt, alte Fotos von irgendwelchen uncoolen Ereignissen aus meinem Leben, Bücher, die mir geschenkt wurden, da ich sie angeblich verschlingen würde, Kerzen, hunderte davon, Nippes und noch mehr Nippes. Ich stehe vor einer Schublade und schaue auf vierzehn Tesafilmrollen, neunzehn Kugelschreiber, vier Notizblöcke und so viele Post-Its, dass ich meine Wohnung wohl zweimal damit tapezieren könnte. Dabei mache ich mir doch Notizen auf dem Handy!
Der erste Müllsack ist in wenigen Minuten voll, dann der zweite, und als ich den dritten zuknote, stelle ich mir langsam die Frage, wie viel Müll ich zusammentragen werde und wohin ich diesen bringen müsse. Das alles würde niemals in die Mülltonne passen. Aber bloß nicht ablassen vom Ausmisten! Sonst knicke ich ein und räume wieder alles aus und in die Schränke ein. Die Kopfschmerzen werden weniger, und ich halte das Tempo hoch, indem ich nach und nach meine Wohnung entgifte.
Der Wohnzimmerschrank hat es mir angetan – das meiste habe ich bereits entsorgt, und jetzt geht es an die staubigen Bier- und Weingläser, die schon lange nicht mehr in Benutzung waren, ehe auch die allerletzten Reste in anderen Schubladen verschwinden, und ich mich ernsthaft zu fragen beginne, ob ich eine leeren Schrank im Wohnzimmer haben möchte.
Kurzerhand entschließe ich mich, im Schlafzimmer das Bett abzuschlagen – die Matratze kommt mit ins Wohnzimmer. Ab jetzt ist ein großer Teil des Schlafzimmers Ablagefläche für die Müllsäcke, aber auch nach und nach für die Möbel, die ich abbaue – beginnend mit dem Bettgestell und dem leeren Wohnzimmerschrank.
Ich merke, wie die Wohnung große leere Flecken erhält, und am Nachmittag ist der erste Raum komplett leer. Nichts, aber auch rein gar nichts habe ich aus dem Wohnzimmer als bewahrungswürdig für mein weiteres Leben identifiziert, und so führt mich mein nächster Weg in die Küche. Hier fliegen zunächst die vielen Geräte, die ich nie nutze, aus den Schränken, ehe ich die Anzahl an Geschirr drastisch reduziere. Ich brauche keine zwölf Teller oder vierzehn Kaffeebecher, je ein Set muss genügen.
Auch die Küche leert sich immer weiter; nur die Kaffeemaschine und der Kühlschrank scheinen noch eine gewisse Wichtigkeit in meinem Leben zu besitzen. Dann aber beschleicht mich ein Gedanke, der alle aufkommenden Fragen für immer und ewig beantworten könnte: wenn ich doch gar nichts so richtig besitzen muss – warum muss ich überhaupt eine Wohnung besitzen? Diese Frage arbeitet sehr stark in mir, und ich muss zugeben, dass ich einige Probleme nicht auf Anhieb lösen kann – wie zum Beispiel die Klamottenversorgung -, doch soll ich mich von diesen Unwägbarkeiten etwa abhalten lassen? Vom absoluten Besitzlosenzustand? Wobei… Ja natürlich! Ich besitze dann immer noch meine Erinnerungen, Gefühle, Leidenschaften… doch ich bin dafür wenigstens den ganzen Pröll los! Endlich!
das ist mein Buch, am Rand des hölzernen Tisches
mein Boden, auf den ich das Teeservice setze
die Ordnung zum Kreis einer Linie und Ecke
am Ende der Lehre, schlussendlich Verwischtes
dort steht auch die Kanne, chromblassgrau im Leben
meliert wie die Haare, die ich mit mir trage
doch alles wirkt ruhig, ringsum was ich habe
bleibt in sich gekehrt vom verwaschenen Reden
es ist jetzt vollbracht, meine Zeit scheint zu Ende
und alles was bleibt, sind die blattlosen Seiten
dort bin ich, dort war ich und dennoch beizeiten
bin ich das Stillleben im Schein deiner Hände…
Auf dem Tisch liegt er, wie etwas Gezähmtes, mit Zähnen,
mit messerscharfen Blickpunkten, an ihren Schenkeln ent-
lang kleine Perlen, klitzekleine vom Regen und rotgestürzte
Unterlippen von seiner Protagonistin: er liest am Biertisch
weiter vom Schreiben….
Letztens kam ich in das Zimmer meines pubertierenden Sohnes und es sah aus, als hätte er den nicht ernst gemeinten Auftrag ernst genommen, jeden Quadratmillimeter seines Bodens mit irgendeinem Gegenstand zu bedecken. Zwischen dem Gefühl der Freude, dass mein Sohn etwas mit einer solchen Konsequenz betrieben hatte und dem aufwallenden Zorn, dass mein eigentlich gemeinter Auftrag wieder einmal völlig ignoriert worden war, fand ich im hinteren Bereich des Zimmers eine kleine Ecke, wo ich den Boden sehen konnte – und das Gefühl der Freude hatte keine Chance mehr. Ich nahm tief Luft und ließ den Zorn über meine Stimmbänder entweichen, doch die erwartbare Reaktion meines Sohnes zeigte mir, dass er seine Legierung mit Teflon überpinselt hatte, denn es kam nicht mehr der zarteste Hauch einer Kritik bei ihm an. Doch, o Wunder, bemerkte ich plötzlich eine Regung in seinem Gesicht und ein noch etwas unausgereifter Blick der Überlegenheit – man möchte nicht gleich sagen: Überheblichkeit! – zeigte sich.
»Dein Vorwurf, lieber Vater«, begann er mit einer viel zu freundlichen Stimme, »läuft ins Nichts, da Chaos im Griechischen weiter, leerer Raum bedeutet, und ich interpretierte das so, dass mein leeres Zimmer nicht unaufgeräumt sein kann!«
Ich gebe zu, ich war baff, aber vor allem musste ich mir selber eingestehen, dass das Gefühl der Freude plötzlich die Oberhand hatte. Mein Sohn sah und genoss seinen klaren Sieg, drehte sich um und ging zurück ins Wohnzimmer, wo er sicherlich die Momente des Bildschirmanbetens maximieren würde.
Auch ich nahm mein Handy aus der Tasche und wollte mich nicht so einfach geschlagen geben, denn ein verlorener Kampf macht noch keine verlorene Schlacht, und ich wühlte mich durch eine Vielzahl an unwissenschaftlichen Meinungstexten, ehe feststand, dass er zwar gewonnen hatte, es aber allenfalls ein Pyrrhussieg sein würde! Ich stapfte meinem Sohn hinterher ins Wohnzimmer, stellte den Ignoranten, wie er seinen Bildschirm anbetete, und fabulierte über die Zusammenhänge der griechischen Mythologie, redete über Chaos, Kosmos, Gaia, Nyx, Tartaros, Erebos, Eros und wie sie auch alle hießen, ehe ich zu dem Punkt gelangte, den ich vor allem machen wollte, und zwar den etymologischen Beweis, dass sich die Bedeutung des Wortes über all die Jahrhunderte verändert hatte und nun einfach nur Unordnung bedeutete, doch da war es wieder, das Teflon! Ich bemerkte viel zu spät, dass mir mein Sohn so gar nicht zugehört hatte, und vor meinen Augen stand das Endergebnis dieser Schlacht: 3:0 für ihn. Tief in mir sammelte sich etwas, das sich wie die Urwut anfühlte, doch bevor ich meine letzte Elternwürde aufs Spiel setzte, sollte ich ihn anschreien, sprang ich über meinen Schatten und bot an, sein Zimmer mit ihm zusammen aufzuräumen. Auch wenn ich dann sicherlich mehr als drei Viertel der Arbeit machen musste, würde unser Leben von einer großen Unordnung wieder ein klein wenig mehr in Richtung Ordnung geschoben – die Seite des Lebens, die ich einfach viel mehr mag!
vermischt
werden Wochen
zwischen kalten Nerven
eine stumpfsinnige Sprachlosigkeit mästen
sich an die Worte heranmachen
sie unvermittelt auf nasses Papier klopfen
damit es so ganz einfach nicht wird
unterwegs ein kopfloses Dasein zum bloßen Schein führen
eine alte Schreibmaschine mit jungen Haselnüssen und Jakobsmuscheln verzieren
wer entspricht schon der verlangten Anstrengung in der reichen Bedürfnislosigkeit
dösen
ohne Worte den Hof kehren
verlangt zufriedene Tüchtigkeit im Kleinen
sparen an der Denkfähigkeit
erhöht die physikalische Rente
trinken und spielen
ist gleichzeitig möglich
und ein natürlicher Wunsch der Umstände
schwüle Sommer
ohne Klimaschutz
begünstigen die Mattigkeit
das Innen bleibt schleierhaft
für die Frauen ein Witz
ist Hantieren in der Küche
gleichzeitig möglich
mit Überhörtwerden
Besenreisern Überbeinen und Schlafmangel
auf dem Land
gewöhnt man sich
an häusliche Funktion
der Schminktisch
steht im Vorratsraum
wird nur zum Kirchgang benutzt
drinnen ist Nebel am Herd
Zeichen der Äußerlichkeit
Wassertropfen hängen an Wäscheleinen
Tangas werden gestohlen
fremde Lebensformen des Ichs
existieren in der Dystopie
Kleinhalten ist wertvoll
ohne Vergleichsmöglichkeit
keine Bedürfnisse
Brauchtum und Tod
haben eine seltsame Ähnlichkeit
wo sind FlipFlops
Limonade und Leidenschaft
Heimweh nach Ferne
das Licht?
ordnet die Nachtstunden
das Unbegreifliche ein Ritual
Liebe
existiert handschriftlich
auf Rückseiten von Polaroids
das Tagebuch
Quersumme der Tagesschau
das
können
wir doch besser
die schlimmen Momente fehlen
die scharfe Unordnung ist nicht ansprechbar
der handzahme Körper ein schmerzloses Zeitvergehen
und doch erzähle ich sinnlos
am liebsten sofort abgelenkt
vom unhöflichen Zugehen
na hoffentlich
kurz
in dieser Zeit
half ich mir
aus dem Herausgehen
ich formulierte Berichte
über Traurigkeit
für das Radio
Prospekte aus Vergangenheit
sind Backpapier
für künftige Empfindungen
je mehr man fingiert
je fester wird der Glaube
nach den Kinderkrankheiten
unterschrieb ich das Darlehen
die Hypothek ist mein Ernstfall
meine Kinder liegen im Schatten
schweigen und atmen
lernen in der Schule
elementare Scham
summen Schlagertexte
werden frech
die Narben die Narben der Kinder
nach den Krankheiten
aus Hilflosigkeit
nahm ich Haltung an
keine Lust auf Abenteuer
das schwere Herz
ein Klumpen Embolie
verstockt vor Grausen
mein Doppelgänger
erwähnt ein tröstliches Ende
aber
identische Sprachlosigkeit
löst meine Rätsel nicht
hier werde ich stolz
früher hätte ich geprotzt
in der Ecke steht man stumm
das pure Auskommen
ein Beichte der Beschränktheit
das Ich erscheint mir fremder
als ein Stück Mond
in der Nacht
werde ich entpersönlicht
die guten Sitten
werden mein Rosenkranz
indem
die Zustände von frühen Neurosen nicht in der Notwendigkeit leben
gibt es nun tabellarische Momente von äußerst angespannten Deutungen
inzwischen habe ich euch elf sinnlose Briefe eingeschrieben
es sind private Szenen aus beweglichem Besitz
vielleicht treffen wir uns im Bewußtsein
oder in Alpträumen ohne Familiengeheimnis
eingefleischt im unheimischen Zuhause
vielleicht auch nicht
werden Wochen
vermischt
Anfangs fühlte sich Jonas Neum etwas unwohl, wenn er daran dachte den Urlaub in einer Stadt zu verbringen, in der es nicht üblich war mit Bargeld zu bezahlen.
Aber als in der Küche immer öfter ABBA statt wie sonst meistens Helene Fischer zu hören war, wenn seine Frau abwusch, sagte er „Na gut, fahren wir“ und Sie buchte im Internet eine Woche Stockholm. Jonas Neum war beruhigt die Sache seiner Frau überlassen zu können und nur seinen Teil der Kosten zu übernehmen. Er fand das Ganze zu kompliziert weil man seinem Gefühl nach, hunderte von Passwörtern dafür zu brauchen schien. So überließ er solche Dinge stets ihr wenn es ging, floh geradezu innerlich davor, fast wie einst der biblische Jona vor den Weisungen Gottes. Um so mehr wusste er, wie sehr er ihr diesen Urlaub schuldig war, denn Sie wollte unbedingt einmal ins ABBA Museum. Und wenn man gerne Bücher liest, so wie er es tat, lernt man viel über die Kraft von Träumen und Wünschen.
Zwei Tage bevor es los ging fand er beim Durchblättern eines Reiseführers etwas das seine Aufmerksamkeit erregte. Das wollte er sich ansehen. Am frühen Dienstagmorgen flogen Sie los und einen Vormittag später öffneten sich für beide die Pforten des ABBA Museums. Für seine Frau war es überwältigend. Sie sahen die Kostüme die die Vier bei ihren Auftritten getragen hatten und hörten von den Videoleinwänden die Entstehungsgeschichte der Band. Am Beeindruckendsten fand sie den Nachbau des ehemaligen Tonstudios mit seinem riesigen Mischpult. Eine Sache erinnerte beide an ihre Urlaube in England. Kein Museum ohne großen Souvenirshop.
„ Mekka nährt sich von den Pilgern und die Pilger nähren sich von Mekka“ meinte Jonas als seine Frau ein ABBA T Shirt mit zur Kasse nahm. Kurz darauf ergab sich allerdings eine ungeahnte Möglichkeit wieder Geld zu sparen. Zurück in der Altstadt, die Gamla Stan genannt wird, entdeckte Sie einen großen IKEA und sagte „ Irgendwie hab ich jetzt Lust auf Köttbullar.“ Deine Idee klingt ein bisschen nach dem Film „ Memphis Belle“ erwiderte Jonas. „ Wie meinst Du das“ fragte Sie. „ Weißt Du noch, die eine Szene : „ Wenn ich nochmal von Deiner Idee höre, das Du nach dem Krieg eine Schnellimbiss-Kette aufmachen willst, hau ich dir eine rein. Niemand will in einer anderen Stadt das Gleiche essen.“ Antwort: „Oh doch, es ist so beruhigend“ Sie lachten und gingen dann hinein. Beim anschließenden Bummel durch die Strassen fragte Jonas: „ Können wir vielleicht zu diesem Denkmal gehen, das ich im Reiseführer gefunden habe?“
Es war gar nicht weit zu dem kleinen Platz mit der Adresse Mosebacketorg 1-3.
Die mannshohe Skulptur zeigte zwei Frauen, Rücken an Rücken stehend, eine von Beiden hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Andere schien etwas zu tragen.
Ein kleines Schild, unten auf dem kurzen Sockel verriet den Namen der Skulptur und des Künstlers der es geschaffen hatte. Systrarna- die Geschwister, Nils Sjögren 1945.
Jonas setzte sich auf eine Bank in der Nähe und las noch einmal den Wikipedia Artikel darüber was den Künstler inspiriert hatte diese Skulptur zu schaffen.
Es erinnerte an ein tragisches Ereignis das sich 1911 in Stockholm ereignet hatte. Zusammengeschnürt, Rücken an Rücken ertränken sich zwei junge Frauen gemeinsam im Hammarby See. Die Zeitung „ Dagens Nyheter“ schrieb das die Beiden „ eine herzliche Freundschaft in Zusammenhang mit etwas Überdrehtem“ gehabt hätten. „ Sie hatten ihre Körper an den Hüften zusammengebunden und ihre Säcke mit Steinen gefüllt, um sie mit ihrem Gewicht in die Tiefe zu ziehen- daraus ging hervor dass die beiden jungen Mädchen gemeinsam den Tod gesucht und gefunden hatten.“ Der Wikipedia Artikel erwähnte noch, dass die Skulptur heute als Symbol der Erinnerung an die Diskriminierung von Schwulen, Lesben und Transgender Menschen in der Queeren Bewegung gilt.
Still saß Jonas auf der Bank in der Sonne und dachte in diesem Moment an viele seiner Kollegen.
An Jens, den Zugbegleiter aus Köln mit dem er seine letzte Schicht vor dem Urlaub nach Brüssel gefahren war. Wie selbstverständlich, begrüßte ihn ein anderer Kollege mit den Worten „ Hallo Jens, wie geht’s Deinem Mann?“ An die Autorin Sabine Brandl aus München, die einmal auf einer Buchmesse gebeten wurde, ihre Bücher vom Tisch ihres Verlages zu entfernen, nur weil Sie lesbische Liebesgeschichten schrieb, an denen nichts auch nur entfernt Anstößiges war. Jonas mochte ihre Erzählungen. Sie handelten von der Suche nach Freundschaft und Liebe , den Schwierigkeiten und den Enttäuschungen die jeder in Sachen Partnerschaft erlebt. Dann kam ihm ein anderes Denkmal in den Sinn, das er einmal zu Hause in Frankfurt gesehen hatte. Es erinnerte an das grausame Schicksal jener KZ Häftlinge die mit einem rosa Winkel an der Kleidung gekennzeichnet wurden, nur weil ihr „ Verbrechen“ darin bestand Männer statt Frauen zu lieben. Nicht wenige von den Juristen die sie damals in die Lager schickten durften nach 1945 weiterhin solcherlei „Recht“ sprechen, der berüchtigte Paragraf 175 wurde erst 1994 endgültig abgeschafft.
Kurz bevor er sich wieder erhob fiel Jonas noch ein Gespräch ein. Einmal, am Kölner Hauptbahnhof hatte er Pause und zwei Kollegen beratschlagten dort ihre Teilnahme am Christopher Street Day.
Sich schrill und laut zu gebärden, so wie dort war eigentlich nie Jonas Sache gewesen, er war nie in der Lage sich in einen derartigen Zustand der Euphorie zu versetzen. Er liebte eben die Stille und seine Bücher.
Doch hier in Stockholms Strassen, vor dieser Skulptur Nils Sjögrens, verstand er warum man dort buchstäblich mit Pauken und Trompeten für die sexuelle Gleichbehandlung demonstrierten musste.
Weil niemals und nie mehr ein Mensch ausgegrenzt, verurteilt oder gar in den Tod getrieben werden durfte, nur weil er anders fühlte und liebte, als der Andere.
Ich war ein Suchender, überall habe ich gesucht, wusste nicht was. In Frauen, Männern. In Beziehungen, in Sex, in Vorbildern, in Beispielen. Gesucht in Lehrern, Büchern, Geschichten. In Religionen: Christentum, Islam, Buddhismus oder Hinduismus.
Ich habe gesucht und gesucht: In Sekten und Okkultismus. Im Theater und in Filmen. Überall gesucht ohne zu Wissen wonach ich suche. Wissen oder Erfahrungen? Frag mich nicht. In der Arbeit und im autodidaktischen lernen habe ich gesucht. In der Angst, der Traurigkeit, der Wut. Gesucht in der Sucht und im Rausch. Gesucht in medizinischen Lösungen. Überall habe ich gesucht ohne zu wissen wonach. Ohne zu wissen warum.
Ich kam mit einem Splitter im Herzen zur Welt, das wusste ich nicht. Dieser Splitter trieb mich an, machte mich zu dem größten Suchenden aller Zeiten. Kurzzeitig fand ich etwas, bis es mir aus der Hand glitt. Der Splitter im Herz blieb bestehen, der Schmerz nur betäubt. Und dann eines Tages — Gott musste einen guten Tag gehabt haben— war der Splitter weg. Die Suche war beendet und nur ich blieb zurück. Ich so frisch wie eine kühle Brise im Sommer. Frisch wie eine Caprisonne am Stil frisch aus der Gefriertruhe im Klinikcafe. Frisch wie eine kalte Dusche am Morgen. Der neue Tag vor mir. Frisch auch die Duschen im Freibad nach einem Sprung vom zehn Meterbrett ins kühle Schwimmerbecken. Ich bin so frisch wie Frischhaltefolie.
Ich liebe meine Wegbegleiter und Wegbegleiterinnen, Gendern ist so frisch, dass die Autokorrektur daraus Genfern macht. Jeder Moment ist frisch in diesem Sommer. Ich bin die frische, ich bin der Sommer. Ich bin die Sommerfrische.