Demien Bartók: Freiheit

Transkript:

„Also Freiheit bedeutet einfach anzufangen, ins Blaue hinein. Stolpern, aufstehen, wieder stolpern. Freiheit, das bedeutet improvisieren. Das bedeutet nicht wissen, ob es gut geht. Freiheit ist immer mehr als man darf. Freiheit bedeutet. Abwesenheit von Zwängen.

Freiheit ist ein Wort mit acht Buchstaben.

Es hat Vokale und Konsonanten.

Das Wort Freiheit fühlt sich ausgewogen an. Wenn ich es so auf der Zunge habe, habe ich das Gefühl, ein ausgewogenes Wort auf der Zunge zu haben.

Freiheit bedeutet, im Rampenlicht zu stehen, die Augen auf einen gerichtet. Und zu Versagen. In der Nase popeln und versagen.

Freiheit ist Scheitern. Freiheit ist Luft. Freiheit. Von Zwängen. Freiheit zur Wahrheit.

Alles, was nicht frei ist, ist nicht wahr.

Jeder Satz, der gut klingt, könnte wahr sein. Freiheit. Es sein Wort. Das jeder gern benutzt. Freiheit ist ein Stift vom Universitätsklinikum Leipzig gesteckt in meine Nase, in mein rechtes Nasenloch, richtig tief rein. Das ist Freiheit. Ich ziehe den Stift heraus und lecke ihn ab. Das ist Freiheit. Wie viel Freiheit hält eine Gesellschaft aus? Dass doch hier die Frage, oder?

Frei bedeutet frei von Routine, frei von Struktur, frei von Zentrum, frei von Eindeutigkeit.

Freiheit muss problematisch sein. Freiheit ist immer heikel.

Die Menschen streben als solche, also als Menschheit, ihrer Befreiung entgegen. Oder auch nicht. Meine Damen und Herren. Oder auch nicht. Es ist gar nicht so leicht, eindeutige Aussagen über die Menschheit zu machen. Außer, dass in der Klemme sitzt. Die Menschheit sitzt eindeutig in der Klemme. Deshalb fantasiert sie auch von Freiheit. Freiheit ist ein Wort wie Liebe, wie Gerechtigkeit, wie Wahrheit, wie Männlichkeit, wie Weiblichkeit, wie Kind, wie erwachsen. Wie Plastik und Holz. Freiheit. Reelles. Der blaue Himmel, der endlose blaue Himmel. Aber, aber der Himmel kann ja gar nicht endlos sein, weil er ja nur

Ach egal. Freiheit bedeutet Sätze abbrechen. Freiheit heißt Fingernägel kauen. Freiheit ist etwas. Grobes Etwas, über das jeder stolpert. Etwas, das viele unangenehme Folgen haben kann.

Freiheit heißt ausgeliefert sein. Freiheit vor Schutz. Freiheit vor Leben. Frei von Leben, frei von Sinn stolpere ich rhythmisch metaphorisch zukunftssicher die Treppe runter. Direkt in das Schuhregal rein.

Freiheit ist manifestiert in der Wildheit von Radio Z. Radio Z ist an den Quellen der Freiheit, der Kreativität, der Wahrhaftigkeit. Radio Z ist eine Erektion. In der geistigen Dürre. Wir freuen uns auf eure Zuschriften. Wir sind an eurer Meinung interessiert. Glaubt ihr, dass unser Programm irgendetwas auf der Spur ist?

Fühlt ihr diese diese seltsame Spannung in der Luft? Also ich weiß ja nicht. Ich glaube daran, dass es noch zu einer großen Aufbruchstimmung kommen wird. Vielleicht sogar nach 2021. Also ich weiß nicht, ob wir das aushalten. Aber wahrscheinlich fangen die Franzosen an und die Spanier und Italiener und Portugiesen. Ich weiß nicht, was wir von Europa halten sollen, aber irgendwas hat doch Europa mit Freiheit zu tun.

Leute, jetzt wollen wir doch mal die Kirche im Dorf lassen.

Europa litt unter unfassbar grausamen Kriegen und Vernichtungs, Aktionen und Unterdrückung und wir sind immer noch nicht zusammengewachsen zu einem freundlichen Kontinent. Und Freiheit ist das einzige, über das wir noch verfügen in unserem politischen Arsenal. Freiheit des Marktes, Freiheit des Einzelnen. Freiheit des Strebsamsten.

Die ganze Konsumgesellschaft widert mich irgendwie genauso an, wie der Fleischkonsum und die Autos die Innenstadt verpesten und die Faschos und all die verblödeten Leute, die bestimmten Verschwörungsmythen hinterherrennen.

Die Menschen haben ein metaphysisches Bedürfnis. Die Kunst gibt ihnen nichts mehr. Das Theater tot, Fernsehen tot, alles tot, Popmusik alles tot.

Naja. Manchmal hab ich schon so eine Abneigung gegen gegen die Hälfte aller Menschen, dass ich zweifle, ob die Menschheit als Ganzes überhaupt verdient hat, erlöst zu werden. Von den sozialistischen reformistischen und vielleicht doch ein bisschen narzisstischen, nicht nazistischen Kräften. Verbleiben wir so: Freiheit ist Schwadronieren, Freiheit ist Assoziieren. Freiheit ist zwecklos. Zwei Zweiheit ist Dreiheit, ist Vielheit, ist 5 hat, ist Dadaismus. Dadaismus ist einfach.

Dadaismus war mal wichtig. Surrealismus tot, Futurismus tot. Alles tot.

Der Tod ist letztlich die Freiheit, die wir alle anstreben. Freiheit von Bewusstsein, von Zeit und Raum. Die Freiheit von Allem, manifestiert im Nichts. Also ich weiß nicht, was wollt ihr mehr?“

Andii Weber: Yoko und John – Eine Liebe aus Kaltschaum

Irgendwann in Amsterdam. Ein sonniger Morgen erhellt eine Suite in einer Jugendherberge. YOKO und JOHN erwachen gerade in ihre Flitterwochen hinein. Auf dem Tagesplan stehen heute eine original Industriehafenrundfahrt und eine coole Käseverkostung. Der Wecker gibt
einen Urschrei von sich. YOKO klappt hoch und begrüßt den Tag.

Y, herzallerliebst: Hui, was für ein schöner Morgen! Da möchte ich doch mal meinen Lieben Mann aufwecken. JOOOOHN! AUFWACHÄN JETZT! WIR HABEN HEUTE VIEL VOR!

John stöhnt, schält sich aus den Federn und sieht nicht ganz so frisch aus. Sein Bocklevel ist sichtlich low.

J: Was ist denn los mein Hasenpfötchen? Wie spät ist es denn?

Y, gewaltig schreiend: HALB SIEBÄÄHN! IN NER HALBEN STUNDE GIBTS ESSEN UNTEN!

J: Ach Rohrspätzchen, können wir nicht noch ein bisschen liegen bleiben? Nur 5 Minuten? Ich kauf uns dann später ne Dose Fisch und Chips unten am Hafen, ok?

Y: JOHN! KEINE AUSREDÄN! WIR WOLLEN DOCH SIGHTSEEING MACHÄN!

J: Ja schon, aber wir können auch noch in fünf Minuten Sightseeing machen, Hurzelpurz!

Y: WIR SIND HIER IN DER SCHÖNSTEN STADT EVER UND DU WILLST PÄNNÄN? DA HAB ICH MIR JA EINEN TOLLEN MANN GEANGÄLT! AMSTERDAM HAT DEN SECHSTGRÖSSTEN INDUSTRIEHAFÄN VON DER GANZÄN WÄLT. WAS KANN DENN JETZT WICHTIGER SEIN ALS SO EINÄ. EINMALIGÄ. INDUSTRIEHAFÄNRUNDFAHRT?

J: Na, Der Weltfrieden.

Y: DER WAS?

J: Der Weltfrieden.

Y: DAS HAB ICH AKUSTISCH SCHON VERSTANDÄN! ABER WAS HAT DAS MIT DEM WELTFRIEDÄN ZU TUN, WENN DU DA RUMLIEGST?

J: Joghurtschnäuzchen, wenn überall auf der Welt jetzt gerade alle Menschen noch ein bisschen liegen bleiben würden, dann wäre immerhin schon mal fünf Minuten Weltfrieden, oder?

Y: HM DA HAST DU WOHL RÄCHT!

J, erstaunt: Ja, wirklich?

Y: JA! LEG DICH RUHIG HIN! SCHNÄLL, BEVOR SIE WIEDER BOMBEN IRGENDWO REINSCHMEISSEN! LOS, SCHLAFÄÄN!

John ist sichtlich verwundert und schüttelt den Kopf und Yoko sieht ihrem Mann dabei zu, wie ihn der Kaltschaum zufrieden schmatzend in sich aufnimmt.

[bliep]

Werbeunterbrechung: Hallo Kids! Mein Name ist Dr.Mabuse und ich bin Zahnarzt. Immer wieder werde ich gefragt, wie man seine Zähne am besten vor dem abfaulen schützt. Leider fragen das die meisten Menschen erst, wenn ihnen die – sie verzeihen mir den Ausdruck – gammeligen Stumpen schon auf halb 12 aus dem Fressbrett hängen. Tja, blöd gelaufen.
Dabei ist die Lösung so simpel wie genial: Einfach zweimal täglich Zähneputzen. Wichtige und wertvolle Gesundheitstipps wie diesen erhalten sie jede Woche in der Apothekerbeschau. Ein erhabenes Magazin, gedruckt auf echtem Papier zum anfassen und zum riechen.Apothekerbeschau: Das Magazin für die Ewigkeit. Jetzt in jeder Apotheke

[bliep]

JOHN wacht auf und muss sich schütteln. das Zimmer ist berstend voll von
Menschen. es handelt sich um ein Rudel Journalisten, die das junge Paar keck mit ihren Digitalkameras anpirschen, Immer auf der Suche nach heißen Neuigkeiten zum aktuellen Weltgeschen. Drollig!

J flüsternd zu Yoko: Wer sind diese Leute?

Y leise schreiend: DAS SIND JOURNALISTÄN, JOHN!

J: Um Himmels Willen, wieso das denn? Ist das nicht gefährlich? Sind die Stubenrein?

Y: WIR MACHÄN JÄTZT KUNST JOHN!

J: Bittewas?

Y: KUNST! JOHN!

J: Ja das hab ich akustisch schon verstanden, Schmusekätzchen. Aber was hat das alles zu
bedeuten?

Y: WIR MACHEN EIN BED IN! WIR SIND ALSO QUASI IN THE BED DRINNEN, JOHN. UM ZU PROTESTIERÄN!

John ahnt worauf das ganze hinausläuft, reibt sich die Stirn und startet sein Morgendliches Yogaprogramm. Es beginnt mit dem Sandwurm.

J: Für den Weltfrieden, stimmts?

Y GENAU! DU BIST SOOOOOOOOOO. KLUG.

Das Rudel wird immer unruhiger. Die Jungtiere lechzen nach frischem Informationen, da tritt der Alpharüde hervor und beginnt zu investigieren. Ein Verhalten, dass in dieser Jahreszeit für ältere Journalisten übrigens vollkommen natürlich ist.

Journalist: Wuff! Guten morgen die Herrschaften, Wolfram Eschenacher von der Züricher Zeitung. Sie protestieren hier also für den Frieden?

J: Ja, naja … also demonstrieren … das war mehr so ‘ne kindliche Trotzreaktion …

Journalist: sehr interessant WUFFWUFFWUFF!. Und was soll das bringen? ist das nicht ein bisschen – verzeihen sie mir den Ausdruck – arrogant von ihnen? Dass Sie denken, dass sie durch herumlümmeln WUFFWUFF wirklich etwas verändern können?

Y säuselnd: Das ist nicht arrogant, sondern antiautoritär. Wissen sie, wenn nämlich alle Menschen einfach mal länger liegen bleiben täten, dann wäre ja auch auf der ganzen welt …

Journalist: HAHAHAWUFFWUFFWUFF sind sie nicht putzig?

Das Rudel, das bisher still zugehört hat, kann sich vor Bellen nicht mehr halten. Zwei Jungtiere, die wohl Ihren Platz in der Gruppe behaupten müssen, brechen aus der Gruppe
aus.

Jungjournalist Tim: TIm von der Bento hier, wüff. Wann wird endlich gebumst bei euch?

Jungjournalist Tom: Tom von Vice, kläffkläff. Genau! Wir brauchen Content!

Ein wilder Tumult bricht los. John und Yoko verschränken ihre Arme und bleiben regungslos sitzen. Den Journalisten wird klar, dass hier nichts weiter passieren wird und sie traben aus dem Zimmer.

J: Endlich sind die weg. Naja, dann können wir jetzt ja runter zum Früh…

Y: BIST DU DOOF? DU MACHST NOCH UNSER KUNSTWERK KAPUTT! DU BLEIBST SCHÖN LIEGEN!

J: Aber ich hab Hunger

Y: NICHTS GIBTS, DIE KUNST GEHT VOR. MEINST DU, JOSEPH BEUYS HÄTTE SICH AUS SEINEN KUNSTWERKEN ERST EINMAL EIN SCHMALZBROT GEMACHT, NUR, WEIL ER EIN BISSCHEN HUNGER HATTE? NEIN HÄTTE ER NICHT! ER HAT GETAN
WAS GETAN WERDEN MUSSTE! NÄMLICH KUNST. SO!

J: Is’ ja gut mein Zitronenfalter. Dann warte ich eben noch bis … wie lange soll dieses

Kunstwerk denn überhaupt stehen?

Y: EINE WOCHÄ. UND TAGSÜBÄR KANN MAN VORBEIKOMMEN UND SICHS
ANSCHAUÄN!

J. Eine Woche? Tagsüber anschauen? Ach Rattenpups, das halte ich aber für gar keine gute …

Es klopft zurückhaltend an der Tür. Ein älterer Mann mit verschmierter Hornbrille steht im Türrahmen. Er heißt Mammut und hat einen Strauß Blumen dabei. Außerdem weint er ein bisschen, aber das tut er würdevoll.

Mammut: Ich hoffe ich störe nicht. Ich weiß, wie schwer das gerade für euch ist.

Yoko und John schweigen. Sie wüssten sowieso nicht, was sie jetzt sagen sollten. Der Mann hat offenbar seelische Schmerzen. Mammut schreitet auf das Bett zu und legt die Blumen und die Pralinen daneben.

Mammut: Ich wünsche euch, auch im Namen der Gewerkschaft, ganz ganz viel Kraft. Ihr schafft das!

Mammut nickt kurz und verschwindet möglichst schnell. Ihm war dieser Besuch offensichtlich etwas peinlich

J: Aha, und so sehen jetzt also unsere Flitterwochen aus oder was?

Da erschallen Schalmeien und ein kleiner Junge mit lustiger Frisur tritt in den Raum. Er stampft mit jedem Schritt fest auf und hat ein zusammengekniffenes Gesicht. Er denkt wohl, dass ihn diese Gesichtsartistik wütender aussehen lässt, aber unsere beiden
Friedensaktivisten deuten das als unschuldige Niedlichkeit.

J: Oh schön, ein Kind! Kinder sind unsere Zukunft! Komm doch her, kleiner Fratz!

Der Junge stapft entschlossen auf das Bett zu

Junge: So ihr beiden Spinner, jetzt steht schon auf!

J: Nanu? Ein Kunstbanause?

Y: Wie heißt du denn, Junge?

Junge: Ich bin der Präsident von den US von A!

J, kichert: Na sowas

Y: JOHN!

Junge: Halt die Fresse, du Hippiepenner! Nimm gefälligst deinen Präsidenten ernst!

J: Ich bin aber Engländer!

Junge: Mir reichts! es ist fünf vor 12 und ihr lümmelt da rum. Und ganz Amerika mit euch.

J: Ganz Amerika?

Junge: Ja, ganz Amerika! Die Wirtschaft ist am Boden! Nichts geht mehr. So traurig!

J verwirrt: Also bist du jetzt traurig oder die Wirtschaft?

Junge: Ich bin nicht hier um über Wirtschaft zu diskutieren! Fakt ist, dass Alles stillsteht, bis ihr endlich aufsteht.

Y: Aber das war doch der Sinn, das ist antiautoritärer Protest …

J: Ein Scheiß ist das! Ihr hört sofort damit auf! Ich halt jetzt so lange die Luft an, bis ihr aufsteht!

J: Nein tu das nicht! Sowas endet böse!

Der Junge hält die Luft an. Yoko und John sitzen da und schauen ihm beim Blauwerden zu. Einige Minuten vergehen bis der Junge endlich bewusstlos umfällt. Poff.

J, vergnügt: Wow, das ganze hat ja echt was gebracht! Und ich konnte tatsächlich noch fünf Minuten schlafen. Und irgendwie hat es ja doch auch ein bisschen Spaß gemacht.

Y: DAS WAR EIN VOLLER ERFOLG! LASS UNS DAS BALD MAL WIEDER MACHEN,

JOHN!

J: Wie könnte ich da nein sagen, meine kleine Schreischnauze?