… ist ganz schön anstrengend, findet Daphne Elfenbein. Immer gibt es irgendwas zu putzen.
Nachdem Gastronomie, Museen und Wellness von Virus-Verordnungen vermiest sind, wird nicht mehr entspannt. Doch selbst fürs Nicht-Entspannen braucht man den passenden Sessel. Ach, Frau Elfenbein hat beim Putzen immer ganz philosophische Gedanken und eine Welle der Wonne wogt durch ihr Herz, als sie den Schmutzlappen im Schmutzwasser auswringt und nochmal über ihre Fußtapsen wischt. Ein blanker Boden – eine Wohltat! Sie wird sich einen Sessel kaufen!
Je länger das mit dem Zwangswohnen währt, um so sichtbarer wird der Schmutz. Frau Elfenbein hat den Dreck nie wahrgenommen, als sie noch in der weiten Welt vagabundierte. Jetzt wuchtet sie täglich Staubwedel, Wischlappen und Bohnerwachs gegen den stetig niedersinkenden Staub. Der kommt nicht aus dem Weltall, sondern wird abgeworfen von Haut und Haar, Hemd und Hose, Hausdecke und Handtuch… und einer haarigen Katze.
Heftig pfeffert sie Wischlappen und Schürze in einen Winkel. Die Sache mit dem Sessel will ihr nicht aus dem Kopf. Mit Maske und Impf-App marschiert sie zum Möbelhaus. Soll doch die Katz die Staubmäuse jagen. Ein neuer Sessel muss her… Ein Sessel, der sich ergonomisch Frau Elfenbeins aristokratischem Hintern anpasst, dynamisch schwingend, hydraulisch verstellbar, leicht. Nur so wird Wohnen wieder zur Wohltat! Sonst ist Frau Elfenbein ja so anspruchslos wie ein Käsebrötchen. Doch die Pandemie fordert ihren Tribut. Wer sich anpasst, überlebt!
Zum Glück ist Shopping noch nicht infektiös, nachdem jeglicher Spaß virusverdächtig auf dem Altar des Infektionsschutzes geschlachtet wurde. Knirschend zerbröckelt eine gebrannte Mandel unter Daphne Elfenbeins dritten Zähnen, als sie in der Cafeteria sitzt und Prospekte studiert, während eine Putzfrau mit OP-Maske den Feudel über die Bodenfläche schwingt. Dann setzt sich ein maskierter Mann im Möbelhaus-Kostüm an Frau Elfenbeins Tisch und mit 1,5 m Abstand und einem Tablet entwerfen sie gemeinsam einen Fernsehsessel mit hellbraunem Lederbezug und Alugestell. Das Design wird dann gleich zum 3-D-Druck ins Depot gegeben. Frau Elfenbein freut sich schon, bald federleicht im Sessel zu wippen, dem Himmel entgegen, der unter der Zimmerdecke endet.
Erschöpft kehrt sie abends vom Einkaufen zurück und reißt sich die Maske vom Gesicht. Endlich wieder wohnen! Doch die von Ikea und co. beworbene Wohn-Wellness muss warten! Da ist noch die Wanne auszuwischen und Wäsche zu waschen. Doch was wird nicht alles auf morgen verschoben. Denn nun wird weitere zum Wohnen wichtige Ware im Web bestellt. Es fehlt noch so Vieles.
Wenigstens ist Wohnen nicht ansteckend. Pech hat, wer sein Heim mit anderen teilt, oder mit lebensmüdem Leichtsinn noch Kontakte pflegt. Der einst so geschätzte Mitmensch ist zur Infektionsgefahr mutiert! Geduckt gehen wir aneinander vorüber. Auch Augenkontakt weckt schon Argwohn. Sirenengeheul von früh bis spät, wenn sie die Todgeweihten abholen, oder Durchgedrehte aufsammeln. Der Rest hat sich beim Lüften den Tod geholt.
Frau Elfenbeins Nachbarn zum Beispiel: Es ist ja nur eine Frage der Zeit, bis die auch infiziert sind. Dauernd klingeln Leute bei denen an der Tür und sie grölen und lachen und reden laut durcheinander. Sie presst das Ohr an die Wand, einen Zettel mit der Nummer der Notfallrettung in der Hand: Husten und röcheln sie schon? Wetten, die sind morgen alle in Quarantäne? Sie dichtet schon mal die Türen ab…
Bei Kerzenschein und Kräutertee feiert Frau Elfenbein ihre unbefleckte Gesundheit und wartet auf Ware, entschlossen, zu den Überlebenden zu gehören, wenn das Virus die Menschheit dahingerafft hat. In Ihrem Schwingsessel träumend produziert sie post-pandemische Prognosen: Sie wird ihre Waren nur noch aus den Wohnungsauflösungen der Corona Opfer erwerben, denn Amazon hat keine Mitarbeiter mehr. Sie wird ihr Gemüse selbst anbauen, denn der Rosenkohl wächst nicht mehr bei Penny. Nur ihr aerodynamischer Sessel. Auf dem wird sie dann irgendwann, wenn alles geputzt ist und das Wohnen beginnen kann, tief durchatmen ….