Sara und Caro schauen einen Film, eine Aufstiegsgeschichte. Die Geschichte löst in
Sara negative Gefühle aus! Sara fängt an Caro Vorwürfe zu machen. In der
Auseinandersetzung driften die beiden auseinander.
Ich hielt den Kopf aufgestützt auf meinem Ellbogen, der sich immer tiefer in die Sofalehne
bohrte. Neben mir auf dem Sofa saß Caro und suchte die Fernbedienung. Ich richtete
mich auf und legte die Decke, die ich mir um meine Beine gewickelt hatte beiseite. Dann
tastete ich mich vorsichtig durchs dunkle Zimmer zum Lichtschalter vor und knipste das
Licht an. Das kleine, unaufgräumte Zimmer wurde von einem kalten weiß durchflutet und
der Schatten, der gerade noch über Caros Gesicht lag verschwand. Ich setzte mich wieder
und starrte einen Moment lang auf den grauen, dreckigen Teppichboden der an manchen
Stellen verklebt war und auf dem sich jetzt auch noch orangfarbene Chipsreste verteilten.
Nervös griff ich in die Chipstüte, die auf dem Tisch lag. Sie war leer. Ich zerdrückte die
Chipstüte und warf sie auf den Boden, wo sie knisternd wieder aufging. Ein bedrückendes
Gefühl stieg in mir auf. Meine Brust zog sich zusammen und in der kleinen Furche unter
meiner Nase bildeten sich Schweißperlen. Ich stand auf, öffnete das Fenster und zündete
mir eine Kippe an. Kalte Luft schlug mir entgegen und der Lärm des Zuges der vorbei
rauschte überfuhr mich. Ich rauchte ohne abzuaschen und schaute auf die menschenleere
Bahntrasse, die langsam vor meinen Augen verschwamm. Mutti war allein,
tablettenabhängig und chronisch pleite und mein Bruder schwänzte immer häufiger die
Schule und zog jeden Tag mit ein paar Idioten, die die Wohnscheibe in Beschlag nehmen
wollten durch die Siedlung. UND ICH: ICH BEKAM PANISCHE VERSAGENSÄNGSTE.
SCHEIẞE!, dachte ich.
„Was ist los?“, fragte Caro und riss mich aus meinen Gedanken. Ich schnippte die
angerauchte Kippe auf die Straße und schloss das Fenster. „Ich glaube, ich schaff´s Abi
nicht, vielleicht schmeiß ich´s hin.“ Caro zappte durchs Programm. „Quatsch, das klappt
schon!“ Du musst dich nur anstrengen“. Ich nahm ihr die Fernbedienung aus der Hand.
„Caro, du hörst mir gar nicht zu!“ Sie sah mich irritiert an. „Wir müssen alle büffeln, ohne
geht´s halt nicht!“, sagte sie. Mein Mund war trocken und meine Stimme wurde rau und
dünn. „Mir wird das gerade alles zu viel“, „ich mach´ mir Sorgen um meine Mutter und
meinen Bruder und darüber, ob wir die Wohnung verlieren und wieder umziehen müssen!“
Ich schämte mich für meine Mutter und meinen Bruder, für unsere Plattenbausiedlung und
ich schämte mich für den dreckigen Teppichboden in meinem Zimmer. Ich sah Caro
unverwandt an und wartete auf eine Reaktion. Sie schwieg.
Nach einer Weile bakam ich nichts weiter zu hören als ein kurzes, entmutigendes „Hmm“.
„HMMM“, wiederholte ich bedrohlich und krallte mich an der Sofalehne fest. Das Leder
unter meinen Händen wurde feucht. „Du musst nach der Schule nicht arbeiten und
irgendwelchen Yuppies teure Klamotten andrehen! Du hast nach der Schule Zeit zum
Lernen und gehst abends entspannt ins Schwimmtraining.“ Caro sah mich herausfordernd
an. „Glaubst du, ich hab´s einfacher als du?“ „JA! Verdammt!“, fluchte ich. Sie fing an
hecktisch in ihrer Jackentasche herumzukramen und zog ihre Dauerkarte fürs Schimmbad
heraus. Sie warf sie auf den Tisch. „Hier bitte“, ihre Stimme bekam einen spöttischen
Tonfall. „Schwimm so viele Runden du willst! Du musst keinen Cent dafür bezahlen!“ Dann
nahm sie die Fernbedienung in die Hand und zappte weiter durchs Programm. Meine
Situation schien Caro nicht zu interessieren. Das kränkte mich. Doch wie sollte sie sie
auch verstehen können? Caros Eltern waren noch zusammen und verdienten beide gut
und konnten ihr alles ermöglich. Caro kennt keine Geldsorgen keine sozialen
Abstiegsängste. „Reg dich ab, Caro!“, sagte ich nach einer Weile. Es geht nicht nur ums
Geld. Du hast gute Noten. Du wirst mit Sicherheit studieren und nach dem Studium
wahrscheinlich im Büro deiner Mutter anfangen!“, sagte ich nüchtern und zuckte die
Schultern. „Ich habe keine Ahnung was aus mir einmal werden soll.“ „Aber dafür kann ich
doch nichts“, erwiederte sie „Und dass ich im Büro meiner Mutter anfange“, schob sie
hinterher „ist auch noch nicht sicher“. „Du hast aber die Möglichkeit im Büro anzufangen
wenn du willst. In meinem Leben gibt es keine gemachten Nester, in die ich mich setzen
könnte.“ Mein Blick ruhte auf ihrem verständnislosen Gesicht. Als sie es bemerkte, sah sie
weg. „Verstehst du nicht!“ Sie schüttelte den Kopf, dann nahm sie ihre Jacke vom Sofa
und ging wortlos aus dem Zimmer.