Katja Schraml: schlupf

„Und ist doch so, dass du die Tür aufreißen möchtst
und soviel Verlangen hast in dir drin,
dass dir die Flügel herauswachsen müssten aus dem,
was die anderen anschaun für deinen Buckel,
wenn eins bloß Augen dafür hätt und hätt an dich noch einen Glauben.
Aber das gibts ja nicht auf der beschissenen Welt.
Was dich beißt, sind nicht deine Flügel,
wo herausstoßen mit aller Gewalt,
das bleibt ewig dein Buckel.“

Marieluise Fleißer, Der starke Stamm

dem kaschpar wirds schlupfloch <gömställen1> unterm first zugemauert, weil er zu oft gegens fenster geflogen, zu viele brüche im glas verursacht, als dass ichs noch vertragen möcht. ihm nachtragen tu ichs nicht, doch die scheibe glas will keine*r mehr her|richten reparieren.

wo soll er jetzt hin? sucht er sich 1 neues versteck? in ritzen+schlitzen hinterm mörtel versteckt, in büschen+hecken vom gestrüpp verdeckt? <kriechen krabbeln + krauchen?> seit das navi keine großbuchstaben mehr kennt, folgt er täglich „dem weg“. (keine ahnung, wos endet.)

wohin er auch schaut, überall nisten sie schon, ziehen die brut hoch, stopfen die schnäbel, verteidigen lauthals ihr revier. was soll er noch hier? scharrfüße machen?

wandert er aus?
wohin könnt er gehen?
welche wege liegen ihm?

er hat keine heirat heimat mehr.

seit wochen siehst du ihn <epitheton ornans> unschlüssig umherirren <trödeln bis treideln>, verwirrt ackert er deine blumenbeettröge dir durch. doch da liegt längst kein korn mehr, die ratten habens dir jahrumjahr leergefressen, du pflanzt nichts mehr an.

seit dir der kaschpar gegens fenster geknallt – er weiß, dass dus beschriebst, bevor ers tat, das hat nichts geholfen (wie der stein für dein herzblut nicht das virus verhindert, das sich stets wie im richtigen leben <klandestin> nur unter der nachweisgrenze in deine texte geschrieben) – seit er dir <un|gelogen> gegen die scheiben geflogen, auf dass sie gesprungen geklirrt, sorgst du dich, er möcht dir was sagen, was nicht dein ohr erreicht, weil du lange schon taub für sein geschrei <krakeel krawall klamauk>.

und auf 1 leben <verb|leib+verderb> wirft er sich in deine ruhe hinein, schneidet die kabel des rads dir entzwei, dass du nicht mehr entfliehen kannst. ja, du machst ihn verantwortlich, auch für all die muskeln+sehnen, die du dir auf der flucht <überspannt> verrissen, auf dass du gelähmt in deinem zimmer hockst + zum fenster rausstierst wie der NARR (am liebsten würdest duS ausreisSen.)

du willst ihn nicht hören. <qui vive?> was könnt er dir sagen? die zeit (hier) sei vorbei, swär not_wendig weiterzuziehen? weil wir alles erreicht, was wir einst wollten, nämlich frei sein. warum lässt du ihn nicht mehr ein? <what is your way? hospitality or hostility?>

die stangen des käfigs kannst du ergreifen, mit deinen schritten an seinen rändern entlang die größe ermessen, die dir hinter gittern verblieben, dagegen anrennen <einschlagen zersägen aufdehnen> … so viel kraft hast du gesammelt, so viel schwung geholt, dass du die lücke geschaffen, die breit genug, dich durchzuzwängen, und kein gewicht, das sich an dich gehangen, um dich aufm boden zu halten, konntes verhindern, dass du entschwunden, ausgeflogen und nicht mehr zurückgekehrt. bravo, mein mädchen, das hast du gut gemacht, dazu braucht eine*r sch|neid. (1 leben lang das schicksal der geburt verarbeiten …)

aber da draußen das land, die welt, die ferne ist weit. an was orientierst du dich auf deinem flug? wohin solls gehen? du bist juNg_endlich <flügGe>, es spielt keine rolle, wenn du dich verausgabst, du erholst dich schnell und kein ausflug erschöpft dich, dass du nicht schnell wieder regenerierst. du tust alles, was geht, austesten probieren versuchen, einfach mal schauen, kurzer halt stopp <1 pause> und schon gehts wieder weiter voran. 

du baust dir 1 nest, jetzt weißt du, wies funktioniert. du findest zweidrei komische vögel, denens ebenso geht, ihr zieht um die häuser <sensationslust>, ihr lassts euch gut gehen, du suchst dir 1 bleibe <dach über hals über kopf>, und brennt 1 ab/stürzt 1 ein, sfindet sich stets 1 neue, weil deine flügel so stark, dass sie dich immer weitertragen. du suchst nicht mehr aufm boden nach all den resten, die andre übriggelassen, du mischst dich unter sie, willst vom frischgebackenen 1 stück abzwacken. entwickelst das schreiBen, um selbstSTändig zu werden, baust dir im nebelnichtsweiß 1 festhaltegrund auf buchstabenschwarz. errichtest 1 haus, das 1 schatten wirft auf deinem/deinen weg und wunderst dich, warums so dunkel um dich herum. schaust dich im spiegel an, deine silhouette sieht gut aus, und wenn nicht, brichts aus dir raus/brichst du zusammen, und du stehst wieder auf, denn aufgeben gibts nicht, das ist verboten. du gehst nicht mehr nah ran, hältst deinen abstand, beobachtest nur aus distanz.

du merkst, wie die regeln dich tragen, die hast du <regelGEhörig> mitgenommen, sie sind dir eingebrannt, 1 narbenkennzeichen=brandmal <stigma>, das trägst du herum, und nur 1x im früh_jahr, wenn die federn vom frühling dir glänzen, fällts nicht auf, im winter aber musst du dein kleid verstecken, dass jeden tag älter+g|rau|er (gegen) die reinheit schneewittchens <ballett+pferdemädchen> absticht, jetzt schimmerts schon nicht mehr, die ausflüge|l werden kürzer, du brauchst immer länger, dich auszuruhen, liegst tage+wochen herum und weißt nicht, obs kopf körper seele <knopp kropp + själ|v²>, womit du zuerst zu tun. bist du mehr müßig oder nur müde?

zwischen der angst des eingesperrt+ausgeschlossenseins bist du beschäftigt: ständige wiederherstellung des alleinseins. noch pfeifst du 1 lied, nicht immer 1 neues, singst alte weisen, auf dass sich die töne im winde verlieren – wenn die luft sie auf/mitnimmt, hoffst du, werden sie nicht wiederkehren. du kannst dich befreien, denkst du, wenn du sie weiterträgst → aufgibst, und tatsächlich verirren sich halbe melodien im wind, der <grundgütIGer> dir gütig+güNStig, doch bleibst du zurück mit zweidrei tönen, die ihren halt+zusammenhang verloren, du traust dich nicht suchen und sie verknüpfen – was, wenn wieder die alte klage nur <superfötation> deinen lippen entströmt? das immergleiche lied … alles wäre vergeben|s. und du verstimmst→verstummst.

trankst du den brunnen leer oder suchte das wasser sich 1 neuen weg? nur du bliebst hängen auf trockenem grund. unfähig, dich zu bewegen.

selbst_autonomie/_veränderung/_suche: ich möchte 1 andere*r werden/defizite beheben/mein leben ändern.

was davon wolltest du/willst du noch? das alte hast du ab/aufgegeben, das neue lässt sich nicht greifen, der schmerz nur schreibt sich tief in die haut, die muss gefärbt+gegerbt werden, auf dass man sieht, was innen verkehrt, das innere nach außen gezerrt.

und draußen zieht mit dir der kaschpar <radiKal> seine runden, wartet darauf, dass du die fenster öffnest. kommt er herein? oder möchte er, dass du hinaus? du weißt schon, dass dus selbst warst, die dafür sorgte, dass ihm das nest versperrt wird? dass er jetzt häufiger noch als zu vor, weil verWirrt, gegen scheiben+mauern klirrt – er|innert den schlupf, den du ihm verwehrst.

wie willst du leben ohne ihn?
wie soll er singen ohne dich?

du möchtest dich trösten <exkulpieren>, dass es noch 2 lücken gibt, auf der anderen seite, die noch keine*r gesehen/keinen schaden an|gerichtet, doch du hast sie ja längst verraten vor lauter furcht, er möchte dorthin ziehen, die nächsten scheiben zerstören. und jetzt sind sie alle zu.

aus kaputt + vorbei.

merkst du nicht, wie er flIeht? er lässt dir keine ruh. aber vertraue nicht drauf, dass er nicht ohne dich kann, dass du dir aussuchen könntest, ob du ihn hörst oder nicht, dass du ihn hin|halten/holen kannst, wenn du ihn brauchst, und aussperren, wenn dir sein klagewehweckruf zu viel.

der kaschpar ist eigen, ich weiß nicht, ob er sich in 1 tiefe stürzt, wenn du ihn nicht er|hörst, keinen neuen schutz gewährst. er wird doch immer die flügel breiten …

doch wie lange werden sie noch zum ab/über/weg/aus_flug taugen? vielleicht möchte er in den käfig zurück, weil er alt+müde des un|gewissens sich ausruhen möcht? seine stimme wird heiser, und wenn auch das lied nicht neu, wirds doch leiser. ihr könntet so schön gemeinsam kräChZen …

was also wirst du tun?

ihn die letzten geschichten erzählen lassen, die ihn noch quälen, auf dass sie hinaus in der welt vom wind vertragen wie deine oH_töne?

du weißt, dass kein*e andere*r kommen wird. kein neuer vogel mit lustigen mel|o|die|n.

wenn der ursprung des schreibens das gefühl des gefängnisses ist, des eingesperrtseins + der not des zwanghaften entfliehens: brauchst dus, um 1 grund zum schreiben zu haben? fliehst du den käfig, machst du dich frei oder entziehst du dir den boden? was, wenn du aufhörtest? was, wenn alles weggeschrieben? bleibt dann nur leere hülle? oder wirst du 1 neuer mensch? 1 unbeschriebenes blatt …

warum hat robert walser aufgehört zu schreiben?wie oft muss man sich häuten, bis man die letzte feste haut in fetzen haut, die keine*r mehr durchdringt?

machmal, wenn ich dich draußen seh, wie du dem wasser übers antlitz blickst, wie du ausschau hältst <epiphanie> nach der frau am meer, ob nicht ihr schiff endlich käme, das dich mitnähme, auf dass 1 andere voranginge, die des weges gewiss, dass du aufgeben könntest, dich abzumühLen, wie du seEhnsuchtsvoll nach 1 steuer schielst, das dein ruder obsolesziert, flieg ich gern auf + ziehe 1 runde, lenke deinen blick auf mich, auf dass du dich erinnerst, dass du am boden, schrittfürschritt, dass sie im wasser, zugumzug, und ich in der luft, schlagumschlag. dass du dort unten <schwerkraft>, dass sie da drinnen <schwerlicht>, und ich hier oben <schwerElos>. dass jede*r sein element, und wir nicht ohne einander auskommen können, nicht voneinander los. auch wenn sie immer nur schweigt, wenn ich schreie, und du versuchst, uns wegzuschreiben; auch wenn wir nicht wissen, wer von uns (mehr) fühlt denkt oder m/weint. wir sind alle dabei. wir sind die 3 grundsünden: gier torheit + zorn. wir sind uns einander existenzberechtigung. wir sind alle 3 → 1.

hab ich dir schon gesagt, dass nicht der kaschpar damals die sichtgläser fliegend zerschlug, sondern 1 unbekannte*r auf der suche nach 1 ventil für den inneren druck? oder aus welchem grund sonst … mit uns hatte das gar nichts zu tun – oder wer schießt (schon) auf den kaschpar?

und doch hat deine angst sofort alle angriffsflächen verbaut. hat die sprünge im glas dem kaschpar in die flügel geschoben. wärs nicht an der zeit nun, wo dus weißt+bereust, dass du ihm die tür öffnest + entgegenkommst?

sein geist sucht dich heim. du siehst ihn draußen im baume sitzen, aus zweigen hat er sich 1 form gebaut. 1 sTilLhouette sitzt er da und schaut zu dir herein. vem här vill bli gLömd nu!?³

wir müssen hinaus aufs offene meer, dort harrt unser* 1 dame. lass sie nicht länger warten. es gibt nur 1 schicksal, dem kommst du nicht aus, du kannst dich nicht ducken dauernd im dunkel, du kannst nicht zurück, zum lösCHen ists nun zu spät, das feuer hat um sich gegriffen, und keine flucht hilft. kämpfen musst du selbst. nimm deine regeln+grenzen + begehre auf – ewige jugend, die erwachsen werden will, und sich nicht traut. rebelliere gegen die eigenen schranken. krall krampf krank dich nicht fest mehr. wie oft muss ichs sagen? let|s go! sei 1x nur, statt dauernd zu werden. sei einfach da. als ob du schon fertig, und jeder tag mehr wär 1 geschenk.

fasse dich!

und setze <framing> den rahmen im einklang mit dir. erfülle den auftrag, beende das werk. vertraue aufs wort, auf seinen sinn. wer wie warum wozus gut. vertraue drauf, dass sichs erfüllt.
und dann: geh auf in der welt ihrem geräusch. 

sich mit dem tod aussöhnen = mit dem ungelebten leben.

1 schwedisch: schlupfloch
² schwedisch: knopp = umgangssprachlich birne/kopf, kropp = körper, själ = seele, själv = selbst
³ schwedisch: „wer will jetzt hier versteckt (gömd)/vergessen (glömd) werden?“

Hörstückfassung: Senta Hirscheider, Christopher Mau

Katja Schraml: Ich nähe 1 Kopf an den Mantel

„Später stürzte er sich in seine Reinschrift.
Es wurde Abend. Morgen früh würde es sich ja zeigen,
ob er eine Kraft oder eine Null, eine Intelligenz
oder eine Maschine, ein Kopf oder ein Hohlkopf sei.
Für heute war es seines Erachtens nach genug.“

Robert Walser. Der Gehülfe

Neulich kam der Winter ins Land – man hat gar nicht mit ihm gerechnet <klimaneutral>. Da sperrt ich den Schrank auf, wo <komme, was Wolle> das gefriertauglich gewebte Einwickelgarnmaterial, das <Schal Schuh Chapeau> uns auf den Stadtstraßen schützt vor dem Kalthauch der Menschenköpfe.

1 Halsrheumatismus kriegt man nicht nur vom Grübeln …

Der Nacken dient uns als Gradmesser für die Kälte des Zugs. Es dauert nicht lang, bis der Hals wechselt von starr auf steif. Da muss man frühzeitig entgegenwirken – wenn der Wind erst im Land, fegt er rau übers Pflaster, da brauchts 1 guten Stand.

Da sperrt ich den Schrank auf + kramte in Winkeln, ihr wisst schon, wo man sonst nicht gern hiRnlangt, da hab ich zwischen Schund+Schmutz (Schmuddel+Schnulzen) den Schutz verpackt, weil ich mich ohne warm+sicher fühlte allein. Da holte ich den Mantel raus, klopfte ihn ab, schlüpfte hinein + stellte mich vor den Spiegel.

Jeden Tag 1 Selfie = sich selbst auf dem Laufenden sein.

Da war der Kopf los. Weg aus vorbei. Nur keine Panik!, denk ich, den finden wir schon. Wär ja gelacht.

Jaja.

Zwischen engagiert+enragiert den ganzen Tag hypertoniert … Winkel durchwühlen, Ecken eruieren, nachschauen in Nischen: nichts. Hab ich ihn verloren?

Abgefallen ist er mir wohl. Lose_gelockert entschwunden. Denn hätt eine_r ihn abgerissen, hätt ichs gemerkt. Da war aber, glaub ich, keine Gewalt am Werk. Kein Zerren Ziehen + Zwiebeln. Liegen lässt man sowas nicht. Oder doch? Haben wir unseren Kopf verschusselt verbummelt vertüdelt?

Was machen wir nun? Wo kriegen wir 1 Kopf zum Mantel überm Körper her? Lassen können wirs so nicht, fällt ja gleich auf. Wir müssen 1 finden, der zum Rest passt.

Wie soll das ausschauen?

Rund muss er sein. Ohne Ecken+Kanten. Soll ja nicht stören, nicht auffallen blöd. Schwarz soll er sein, selbiger Grund. Neon ist nicht unser Ding. Matt könnt er sein. Vom vielen Gebrauch glänzt er bald sicher <Patina> allein.

Amazing sur_face must-have used look.

1 Druckkopf vielleicht, der schön+schnell schließt. Der wehrt sich nicht lang. Man muss nicht viel anpassen einfädeln durchösen, der reagiert sofort. Mit genug Kraft ist er mit 1 Klick zu. Braucht man nicht mal 2 Hände.

Abers passt nicht so recht. Der Druck ist zu laut. Wir mögens, wenn sichs geräuschlos schließt. Geschickt sind wir ja, Gespür in den Fingern ist da – kein Zeichen von Glieder Gelenk Gichtschwierigkeit –

kein Dupuytren Raynaud Quervain Syndrom –

nur kalt sind die Hände oft – taub über Nacht. Mit Auf+Zuköpfen bleiben sie in Bewegung.

1 runden mattschwarzen Kopf mit 6 Löchern zum Ein+Ausfädeln. (1 siebtes gäb Sinn.)

Wo krieg ich den her? War da keiner im Futter <Ersatz>? Vielleicht haben wir irgendwo 1 übrig. Im Nähzukasten 1 Gratisexemplar? Nein. Aber …

Im Keller, ihr wisst schon, in 1 Kiste, liegt noch 1 altes K_leid. Das haben wir aussortiert, weils uns zu eng. Wegwerfen konnten wirs <K_leider_sammler_in> nicht. Der Stoff ist noch gut, da ist viel Erinnerung drin verwoben. Nur der Schnitt ist veraltet, das trägt heut keine_r mehr (auf). Da hängt noch 1 Kopf dran, den keine_r mehr braucht. Das zieh ich heraus.

Wie bringt man den Kopf an? Fest sicher Halt: Dass er nicht wieder fehlt fällt herab. Was braucht man für Werkzeug? Wie tief sticht die Nadel? Wie stark muss der Faden? Soll er vielleicht rot?

Wer hat uns das Nähen gelernt? <Flick Stopfen Strumpf.> Mit stumpfen Spitzen gegen plastische Kunsthüte auf zarten Kuppen. 1 Talent allein hilft uns wenig. 1 Bildung tut Not.

Doch den Kopf vom Kleid abschneiden, um ihn an den Mantel zu schneidern, will mir nicht von der Hand. Bevor ich mich vertu unds nicht richtig hinkrieg, der Kopf schwer_fällt übern Boden unters Bett rollt, wo keine_r hinkommt

(da liegt noch 1, ich weiß – der ist aber zu klein),

lass ich den Kopf dran + zieh das Kleid an – unterm Mantel merkt mans vielleicht nicht, dass passen+hineinpassen 2 verschiedene Maßangaben sind.

Was für 1 Fetzen! Verwaschen+zerrissen <kachektisch>; wos nicht spannt über BauchBeineBrust, leierts aus. Der Kopf sitzt nicht schlecht, wenn auch nicht sicher, den müsst man verstärken. (Haben wir noch 1 grünes Tuch?) Bestimmt hält er nicht lang, irgendwas, sagt das Spiegelbild, stimme nicht recht. Kleid Kopf + Mantel seien nicht ganz 1/1 ganzes ICH.

Das schlimmste ist nicht, wies (heute) aussieht. Sondern, an was (sich) der Kopf (mich) erinnert. Alte Zeit, wo alles schwer, müßig+leid. Es hilft alles nichts. Das Kleid muss jetzt weg, mit dem Kopf kommts zusammen in 1 Wegwerfwurfsack. Und nicht mehr hinunter in diesen Keller → hinaus in die Tonne schmeißen wir das.

Doch bevor wir da rauskönnen, brauchen wir 1 gescheiten Kopf. Und keinen vom Straßenrand mehr aufgelesen, nichts reduziert oder Gut_schein wie günstig. Schluss mit der Mesquinerie! Wir brauchen 1 Kundenkarte, um unsere Vorteile genießen zu können.

Ich bitte dich! Was?!

Janein stimmt hast du Recht. Bloß keine Massenware, uns interessiert nur, was l_imitiert. Wir kaufen Qual_i_tät exklusiv Luxusobjekt …

Ja sind wir denn 1 MoERdeRpuppe?

Vielleicht doch lieber old school <Bastlwastl>: malen falten + kneten.

Das hamwa doch imma so jeane jemacht!

Und dann siehts aus wie selbstgemacht. Gekonnt bis gewollt …

Suchen wir doch den alten Kopf wieder? Gehen wir hinaus, laufen die Wegstrecken ab? AlleE die Jahresgänge? Vielleicht hat ihn schon jemand (1 Josef) gefunden, mitgenommen + aufgesetzt. Vielleicht wurd er überfahren. Als Fußball benutzt in 1 Netz gekickt.

Vielleicht liegt er, bis wir 1x an die VerlustVerlierStelle kommen, längst im Lande des lost+found?

Ich nähe 1 Kopf an den Mantel, damits nicht auffällt, dass da 1 Körper lose wankt durch die Welt, der nicht weiß wohin. 7 Sinne geb ich ihm zum Gespür. 

Immer 1-2 mehr als nötig.

(Wer weiß, ob der Leib das, wenn er sichs aussuchen könnt, hätte gewollt – der hat doch am Tasten genug).

Ich nähe 1 Kopf an den Mantel, fragt mich nicht, woher ich den hab. Er passt wunderbar zum Körper unterm Umhang, wenn man davon ausgeht, dass Minus+Plus zusammengehören.

[Nur unter uns: Ich hab 1 paar Bücher <ausgelesen> in Wasser geWeicht, zusammengekleistert, gekugelt so gut wies geht (ganz rund wirds nicht). Natürlich ists feuergefährdet, das sind wir nunmal <attestiert traum_atisiert>. Wir halten uns besser mit AbisZ <Aggression Wut + Zorn> zurück, entzünden darfs nicht. Zweidrei Schwarzstriche+Silbersträhnen, so sollts gehen.]

Luftig locker + leicht ist mein neuer Kopf, gut gefüttert, darauf geb ich Acht: Wissenschaftsmacht.

Doch kaum ist der Kopf dran, hab ich den Mantel an, redet er mir was hinein. Ich soll ausm Fenster schauen, draußen der Himmel wär blau, was ich den Wollsack bräuchte <Umgang statt Umhang.> Und außerdem: 1 Kopf wie er würde nicht an Krägen vernäht, sondern <just in a second> extrahaftstark mit dem Hals verklebt. 1 Mantel, man schaut kaum, reißt schnell mal entzwei, da baumle der Kopf am Kragen herab. Gescheiter wärs, wir trögen träg trügen ihn selbst.

Der Kopf ist nicht dumm. Seh ich den Himmel an, seh ich, wie recht er hat, ganz schön <schLau> blau. Vielleicht kommt noch 1 Frühling <how unexpected!>, der letzte war schlampig+grau. Wenn ich mich trau?

Jahrelang haben wir Pandoras B. tiefhintenunten im Schrank verschlossen. Stell dir vor, wir merkten beim Rausholen+Öffnen, swar gar nichts drin?

Also zieh ich den Mantel aus, trenne den Kopf ihm ab, kleb ihn mir auf. Sieht nicht schlecht aus. Jetzt brauchen wir noch 1 ÜberAnzug. Ich hol uns die Schuhe für Schnelllauf und 4bis5 Teile Funktionsmaterial. <Schwurwolle, ich komme!> Wenn wir uns zügig bewegen, brauchen wir auch keinen Stehkragen, nur 1 Tuch, das den Atem uns schützt, und 1 für den Kopf – kühl bleibt nur die Stirn. Der Rucksack natürlich <survival extrem> → das nenn ich Aus_Rüstung. Alles scheint sicher, tüchtig, perfekt.

Da pochen <Schlag artig! Blut_Ader> dem Kopf beide Schläfen, schwindelt uns der was vor? Die Stirne ganz faltig, die Wangen so blass, die Schatten schwarz unterm Lid. Ich muss ihn kurz halten, sanft massieren, einölen vielleicht, damit, was noch rissig, schon bald geschmeidig. Was hat er denn jetzt?

Da schüttelt der Kopf sich. Er würde ja mitgehen, gar kein Problem, abers wär vielleicht <tRaukopf> endlich die Zeit für 1 Spazierlustwandelkleid. Unsere Lederhaut, meint er, als ob er uns kenne, sei genug gegerbt + bereit für den Wind in der Welt.

So schlau er auch ist, für klug halten wir ihn nicht. Wir schütteln+ziehen, anspannen+lockern: Janein, der sitzt fest. Den verlieren wir nicht. Den Kopf reißt uns keine_r mehr ab.

Nun gut, hab deinen Willen. Im Schrank hängen ja auch Aus_Geh_Gewänder. 1 werfen wir über, sfällt uns ganz leicht. Vielleicht ist der Kopf doch ganz gescheit. Wir packen die Tasche, schlüpfen in Schlappen, so schlieren schlenz schleufern wir durch die Welt.

Der Kopf ists zufrieden, heut wär so 1 Tag. Wir nicken uns zu. Nun gut, lieber Kopf, bleib mir erhalten haftbar + treu, wenn ich dir schon nachgebe nachgehe. Wie sollts anders sein, 1 Sturkopf zum Starrhals, so mussts sein. Denn mal los, lieber Trotz_, denn man tRau.

Katja Schraml: Mad mades Mangel_Material

„Ich bin satt vor der Zeit
und hungre nach ihr.
Was soll nur werden?“

Ingeborg Bachmann, Aus: Entfremdung

Vor der Tür stand das Kind <ungefragt>: Es bliebe jetzt hier – bei mir <unwiderruflich>, und ging an mir vorbei, sich an den Tisch zu setzen, der <unbefleckt ungedeckt> mittig das Zentrum uns bietet für das Gespräch, dem ich ausgewichen so lang, dass ihm bang, ich hätt alles verg_essen. Versessen ists drauf, dass ich mich für 1 heile Weile zu ihm geselle, ins Helle der Morgenröte, die <henceforth fencenorth> an uns vorbeiziehen, unaufhaltsam gewaltsam uns in ihr Licht tauchen wird. Dem komm ich nicht aus. Das Kind sucht mich aus. Und fragt immerzu: Was willst du?

Ich bleibe vorm Schlosstor, der geschlossenen Tür, von der ich nie weiß, wer sie zugesperrt zugespeert. (Was liegt in meiner Hand?) Wo sind die Schlüssel? Gabs nicht 1 Ausweg? 1 Hinterausgang? An Küche Kind Kühlschrank vorbei über den Balkon <mit BeDacht> die Belletage <mit Bewegung> hinunter auf den blanken Beton <Bruchlandung> … Ginge das nicht? (Im Traum hat das Haus stets >7 Räume, um uns als Labyrinth das Gefängnis zu bieten, in dem wir gefangen verfangen, über Treppen+Klippen hochrauf/\tiefrunter, klettern+klimmen kostet uns Kraft – ob mans wohl schafft?)

Was tust du da?, fragt das Kind gegenwärtig, während ich im Vergangen gewesen <verwesen>. Wen/was erwarten wir denn? (Was soll denn noch kommen?)

Du hast es gewusst. Wir stecken fest im Verlust. Verlustierung nicht möglich. Justieren den Schmerz, mein Herz, da fühlen wir hin, weil wir ihn kennen und wissen, wo wir ihn finden: der Zugang ist niedrigschwellig. Frag nicht warum. Um uns zu weiden am Leiden, ganz bescheiden beschneiden. Nur kein niederer Neid!

Wie kommt man dazu, 1 Verlust zu empfinden, wo nie was war? 1 fremden Besitz als 1 eigenes Fehlen diagnostizieren + reparieren ekrasieren mit Verzicht+Vernicht? Als ob kein Hab+Gut <Gut_Haben> zureichend zulänglich <zugänglich>. Über die Lücken bauen wir Belobigungsbrücken: public press release <what a relief!>, die sollen uns genügen zum selber Belügen. 7 Tage lang. Dann fällt uns ein, es fehlt uns noch 1 Verbot.

Auch dich sah ich schon im Traum, vor unserem Haus, anschreiend+beschimpfend: mich!? Wieso nur, mein Kind? Ich aber <ich?!> blieb see_lenruhig, riss mich zusammen, um dich zu besänftigen + zu beschwören: Wir wollen doch alle dasselbe. <With all your respect!> Alle Wörter mit FR: freifriedfröhfreundliche Freude <ja_wohl, frappierend!>. Da erhoben sich die 3 Löw_innen, die sich im Schein der Sonne träge im Staub der Straße gewälzt. (Wo kommen die her? Wo brachen die aus?) Dann stürmten sie auf uns los. Da liefst du zu mir, hängtest dich ein, bliebst an meiner Seite, so rannten wir: durch den Garten ins Haus (in die Küche!) hinein – und schlossen die Tür. Sicher waren wir. 

So sitzt du nun da. Still stumm + starr. Stierst <unentwegt unbewegt> auf leere Teller. Ich bin dein Bedarfshalt. Abers gibt nichts bei mir. Ich weiß. Ich bin 1 recht schlechte Gastgebende, seit ich das Wirtshaus _V/verließ. (Und wars auch schon vorher.) Bei mir muss 1 Kind hungern. (Von der Alten zu schweigen, die unten im Keller verschmachtet, seit wir das Brot auf die Dächer tragen zum Reak_tanz, du weißt, das war Schwer_T.) Natürlich tut es mir Leid. (1 Grund mehr für den Schuldberg, den wir Ge_du_ld_ich anhäufen, statt zu entwerten.) Ich kann nichts dafür. Es ist unerwünscht. (Du.)

Du krallst dich fest an mir wie im Traum, allein kannst du nicht überleben, unreifes Wesen. Du hasSt ja nur mich <Paradies_Parasit>. Du lachst mich aus, wer hält da wen? Und ich seh meine Hände um deine geklammert, die lassen nicht los. Und ich dachte, ich hätt dich längst Weg_gelaufen geschrieBen. Dabei fülle ich alles in dich hinein. <Pschtpscht!> Du bist mir der SchamSchuldSchimpfSchande_SpotT. Heut bist du mir fremd + morgen gut. Übermorgen übe ich Nach_Sicht.

Ich komm nicht zurecht mit Wunsch+Bedürfnis. Es ist alles 1. Hat der Leib 1 Bedarf, versteht der Magen nur 1 Sprache <un petit appétit>. Was ist mein Begehr? In uns lebt 1 dicke Frau, die möchte heraus, will ersichtlich <Hang+Drang> herausquellen. Sag mir, mein Kind, succidaneus: Wenn der Körper das Gefühl 1 Mangels selbst_ständig in Hunger übersetzt, was macht dann satt? <Transponiere!> 

Das Kind sucht mein Auge <insinuiert!>, es weiß, seinem Blick geb ich nach. <You know, I fall for you.> Aber noch weich ich aus. Auf meinem Schoß ist kein Platz. Ich suche die Töpfe und koche dem Kind etwas <süß warm + brei>. Gegen die Kälte der Mauern, das Grauen des Himmels, den Schatten der Schweigeinsamkeit. Ich schenk 1 Glas Wein aus, Port nur zur Stärkung, fülle 2 Schüsseln <soupçonnös> über den Rand. Teile Besteck aus, 2 Schöpfer als Löffel, danke mir selber für Speis+Trank. Dann seh ich dich an. 

Wir sch_reiben uns auf, bis wir (uns) nicht mehr (hören) können. Kippen das Ich ins Wir, um uns zu schützen. Trenne mich von dir, um euch zu täuschen. Es bleibt alles wies war. Ich darf nicht sein. Du ja. (Noch 1 Snack?)

Dem Kind aber schmeckt mein Mahl nicht. Wortlos stehts auf und geht hinaus. Durch die verschlossene Tür. Hab ich dich verdrängt? Sine_kure, ich werd dich schon schaukeln!

Und ich esse alles alleine auf, löffle in die Teller die Leere hinein, wie ichs gelernt. Aber wir werden am Leben nicht satt. Draußen das Land versinkt im Dämmer, das Licht scheint wohl nicht, abers war schon SchLimmer. Es macht mir schon nichts mehr aus. (Also nicht mehr viel.) 

Unten steht wieder das Kind und winkt, versinkt in der Dunkelheit. Sch_ade.

Natürlich vermisse ich dich jetzt.