Margit Heumann: jahreszeitenmagie

abralenzabra

zitronenfalter auf schlittschuhen sausen in spiralen um die letzten eiszapfen. sonne tropft von den dachrinnen. der föhn jagt stadtansichten über den himmel. aus den landschaftsausblicken quillt frische erde. der gärtner vertikutiert das gehirn und macht den blick mehltaufrei. die oma hat neue gartenstühle gestrickt. auf der vogeltränke steht ein alter schlager kopf. socken und sandalen übernehmen das kommando, die strumpfhose geht ins exil. zwei liegen paaren sich auf der terrasse, wohl wissend, dass der vorhanghinter der gardine spechtet. mitten hinein in diese idylle schneien yetis und derwinter feiert fröhliche urständ. ohne ansehen der person frieren die eismänner sämtliche lenzattribute in handliche blöcke, zitronenfalter und gartenstühle, omas und gärtner, schlager und socken, sandalen und sich paarende liegen. die kalte sophie macht auf erlöser und ertränkt alles mit whiskey on the rocks bis zum bitteren ende aller eiswürfel im sommerloch.

sesamsonnwendich

die letzte wolke stürzt über den weltenrand, im sonnenwagen jagt phaethon über den himmel, zikaden zirpen griechische nächte an den nördlichen wendekreis, wind verkommt zum gluthauch und hausmauern speichern backofenhitze, nur wer von winter und arktis träumt, findet ruhe in orpheus armen. schwüle lässt alle hüllen fallen, bikini und fkk haben hochkonjunktur, im wahn verschlingen einander sonnenanbeter, klimaanlagen surren sich ohne kühlungseffekt zu tode, die arbeitende bevölkerung schwitzt oder transpiriert, je nach etage, schnappt nach sauerstoff wie fische an land, kreisläufe kollabieren, ärztlich verordnet werden wasserhähne, mineralwasserflaschen leergesaugt. Zwischen vertrockneten saaten bricht die erde auf, zur unzeit öffnet der himmel seine schleusen, mit blitz und donner und sturm und fluten bestätigt die ausnahme die regel, während, wehe, die polkappen unter dem ozonloch schmelzen.

simsaladember

reifezeit ist. der urlaub lang vorbei. der himmel sattelt sich türkis, und auf den fluren lässt rainer maria die winde von der kette und auf baumkronen los. die frucht ihrer leiber hängt in stachelmontur im geäst, fallen die hüllen, nehmen sie kullernd reißaus, enden in kinderfäusten oder herbstgestecken oder eines gewaltsamen todes auf asphalt. ein paar stiefel rascheln durchs laub, wo gras seine sommerfrische längst eingebüßt hat. windhosen bitten blätterseelen zum tanz. vogelgezwitscher verwelkt über leeren bänken. niemands blick ruht auf dem tümpel, ungehindert entsteigen ihm trübsinn und modergeruch. wind riffelt das trugbild der uferbäume. ein blatt fällt darauf, zeitigt nicht die leiseste spur, kein wasserfilm reißt und keine ringe laufen auseinander, so bar jeden nachtritts möchte man gegangen sein, wenn der hufschlag des schnitters verklingt. durch dünne jacken beißt der wind eine ahnung von winter.

hokusjulpokus

schneehimmel verspricht das blaue vom firmament, wolken entleiben sich, ihre seelen rieseln in flocken und eisigen nadeln. schneekristalle bitten zum mummenschanztanz und kahle erde erlebt ihr weißes wunderland unter.
stahlblauer wintertag, blendgranaten im auge zündend, stellt sonne in den schatten. am schneesaum weißbärtige gestalten in schwerem hermelin habenfichtenseelen, unter ächzen und stöhnen bewegen sie ihre flügel, filigrane kristalle stieben regenbogenschillernd. Es irrlichtert die kompassnadel über die rose und findet kein norden, oben und unten kommen dem weltenlenker abhanden, wellen ohne wasser, dünen ohne sand, nordwärts transzendierte sahara, huf um huf steppt das kamel eine naht in die jungfräulichkeit. fata morgana.
schneebälle schlachten sich, türmen sich zu männern, drehen dir eine lange karottennase und kehren dich von der bildfläche. lifte schleppen die erodiertenhänge zu tode und skifahrer gipfelwärts, der olymp wartet auf mit kachelofen und jagertee, es lagern matratzen dicht an dicht, anonymes knie im rücken, unbekannte füße in jeweils fremdem revier, einer atmet den geruch des anderen, schneewehen tauen wie nichts, gletscherspalten sind nie gewesen, alle miteinander vertraut und schlafen, jeder topf findet seinen deckel, neun monate später erntet der herbst die früchte, entzaubert.
natur sorgt auf vielerlei weise für den fortbestand der art.