In den guten alten Zeiten klang das Wort „Budget“ nicht nur französisch-elegant, sondern durch das gedehnte „e“ am Schluss auch sehr großzügig: „Büdschee“. Im Zuge der Anglisierung Europas ist auch sein Stiefzwilling von der Insel bei uns bekannt geworden, den man genauso schreibt, aber barsch bellend „Batschitt“ spricht. Bezeichnenderweise hat sich das englische Batschitt in Koppelung mit dem Wort „low“ verbreitet, mit Vorliebe im Jargon der Cineasten. Ein low budget-Film ist, wie wir wissen, ein Film, der mit einem Minimum an materiellem Aufwand gedreht wurde.
Inzwischen sind wir soweit, dass Batschitt das „low“ gar nicht mehr braucht, um billig zu klingen. Eine Hotelkette hat dies als erstes bemerkt und flugs das Wort mit ihrem Namen kombiniert, und nun prangen die zwei Wörter, Hotelname plus Batschitt, an vielen grauen Gebäuden, die sozialistischen Plattenbau-Charme versprühen und oftmals in Gewerbeparks an Stadträndern auf verzweifelte Reisende mit schmalem Geldbeutel lauern – Leute wie mich also.
Die Gründe zu nennen, weshalb ich in Würzburg übernachten musste, und dies möglichst preisgünstig, würde hier zu weit führen. Kommen wir lieber gleich zur wesentlichen Feststellung, die ich etwa so umreißen würde: Ein solches Ausmaß an Trostlosigkeit auf gleichbleibend hohem Niveau, vom abendlichen Empfang am Rezeptionsautomaten bis zum industriell vorfabrizierten Frühstück, hatte ich für meine bescheidenen fünfzig Euro weder erwartet noch bisher so erlebt, nicht einmal in den Ländern, die man früher unter „Ostblock“ subsumierte. Um diesen Effekt zu erzielen, greift die Leitung des Hauses zu allen Mitteln. Ist man etwa nach Eingabe diverser Geheimzahlen ins Innere des Hauses vorgedrungen, oder, mit anderen Worten: Hat man per Kreditkarte das Zimmer bezahlt, ohne vorher prüfen zu können, wofür man sein Geld ausgibt, wird man bunter Broschüren ansichtig, die sich mit liebevoll ausgewählten Abbildungen der Würzburger Altstadt als besonders wirkungsvolles Kontrastmittel erweisen, um dem Gast vor Augen zu führen, in was für einer architektonischen Zweckmäßigkeitshölle er da gelandet ist.
Es fehlt dieser Sorte Hotel eigentlich nur eines: Der vollautomatische Gastroboter, der an rauhen Winterabenden noch frohgemut durch die zugigen Straßen des Gewerbeparks flaniert, um, bevor er sich zur Ruhe legt, seine Seele an den lauschigen Autowerkstätten und Speditionshöfen zu erbauen und seinen Hunger im drei Kilometer entfernten Schnellrestaurant zu stillen, und später, in seine Zelle zurückgekehrt, selig über dem Faltblatt einschlummert, das ihm eine Karriere als selbständiger Franchise-Hotelierroboter anpreist. Den menschlichen Gast dagegen versetzt die Lektüre in Weltuntergangsstimmung, denn nun hat er die Gewissheit: Dies Hotel, in dem er nächtigt, ist nicht etwa durch ein bedauerliches Versehen zustandegekommen, ist kein einmaliges Missgeschick, dessen Ausradierung kurz bevorsteht, sondern wird sich noch in unzähligen weiteren Exemplaren über die Welt verbreiten, wird Reisende mit vermeintlicher Preisgünstigkeit in Zimmer locken, aus deren Fenstern man sich stürzen möchte, und mit seiner puren Existenz den Begriff „Gastlichkeit“ verhöhnen. „Sowas lebt“, ist der letzte Gedanke des Reisenden, bevor er sich im Elend seiner sterilen Herberge, die ebenso artgerecht ist wie der Käfig einer Legebatterie, in den Schlaf weint, „sowas lebt, und das Parkhotel in Fürth musste sterben …“
Ein Batschitt-Hotel wird niemals sterben. Jeden Tag Punkt zehn Uhr vormittags, wenn der letzte Gast das Weite gesucht hat, wird es durch einen ausgeklügelten Mechanismus in die Hölle hinabgesenkt und von armen büßenden Seelen in seine Einzelteile zerlegt, mit siedendem Schwefelwasser gereinigt, desinfiziert und pünktlich zum Check-In am Nachmittag wieder zusammengesetzt und an die Erdoberfläche gehoben. So wird es mitsamt seinen Artgenossen die Zeiten überdauern, immerdar, und falls das nicht stimmen sollte, dann versteht es zumindest perfekt, den Anschein zu erwecken, als ob es so wäre.
Nichts gegen ein kleines Budget – aber vielleicht sollte man vom low budget-Film hin und wieder auch den künstlerischen Anspruch übernehmen. Damit die Realität nicht zum schlechten Film wird.
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Elmar Tannert: Fränkische Gastlichkeit
Das Bett ist bekanntlich ein Ort verschiedenster Lustbarkeiten. Eine davon ist das Frühstück. Ja, im Bett wollten wir frühstücken, die Geliebte und ich, im Bett unseres mittelfränkischen Kleinstadthotelzimmers, wohinein die Morgensonne Wärme und strahlend Licht sandte. „Geh in den Frühstücksraum!“ gurrte die Geliebte mir ins Ohr, „und jag uns ein Frühstück, mein Held!“ – „Ja, mit Gottes Hilfe!“ sagte ich, frisierte mich mit einer Handvoll Leitungswasser, streifte Hemd und Hose über und machte mich tapfer auf den langen Weg zum Frühstücksraum, am anderen Ende des Korridors gelegen. Dort, in bedrohlichem Halbdunkel, wachte die Wirtin strengen Blicks über ihr Sortiment aus Semmeln, Aufschnitt und Marmelade.
Fröhlich wünschte ich ihr einen guten Morgen, und bestimmt habe sie nichts dagegen, wenn man sich ein Frühstück aufs Zimmer nehme.
Da musterte sie mich wie einen unartigen Buben und sagte, sie habe aber das Buffet extra so schön aufgebaut.
„Ihr Buffet“, sagte ich, „ist wirklich wunderschön. Aber noch viel schöner ist das Zimmer, das Sie uns zugedacht haben – wie dort die Sonne zum Fenster hereinlacht! Deshalb würden wir mit großer – Sie ahnen gar nicht, mit wie großer! – Freude im Bett frühstücken.“
Die Wirtin atmete tief durch, und ihre Stirnfalten verkündeten Unheil.
„Sie werden damit gar keine Mühe haben“, versicherte ich eilends. „Ich selbst werde das Tablett mit all den guten Dingen füllen und eigenhändig aufs Zimmer bringen.“
Ihr Gesicht verfärbte sich, ihre Miene wurde düster. „Nein. Das ist nicht erlaubt.“
„Sie sind die Wirtin!“ sagte ich. „Sie können es erlauben!“
Aber sie erlaubte nicht.
Geknickt meldete ich der Geliebten die verlorene Schlacht. Als wir gemeinsam im Frühstücksraum Platz nahmen, servierte uns die Wirtin den Kaffee mit dem Charme eines Getränkeautomaten, und wir nahmen unsere erste Tagesmahlzeit gemäß § 5 Absatz 2 der fränkischen Hotelfrühstücksverordnung zu uns, diszipliniert und unter Aufsicht.
Reisender, merk: Franken ist nicht romantisch, sondern protestantisch. Wenn du dir mit der Dame deines Herzens ein Zimmer nimmst – erkundige dich vorab an der Rezeption, ob man bereit ist, euch eine der elementarsten Freuden des Lebens zu gönnen: Ein Frühstück im Bett. Sonst hast du die Rechnung ohne die Wirtin gemacht.