Harald Kappel: der wahre Glaube

am Zaun
die schwarze Pupille 
Öl quillt aus dem Schlüsselloch
färbt Lügen blind
nur
ein loses Brett 
zeigt mir
das Geheime
den Winterschlaf der Ratten
die verklumpten Sterne
gern glaube ich 
pinsele mein Selbst
grabe im Erdschatten
stehe hüfthoch im Wurmloch
finde eingelegte Aale
winde mich in Neuigkeiten
nur
die Lügen
zeigen mir
meinen wahren Glauben
am Zaun

Harald Kappel: Intrauterine Märchen

nicht schuldig
spucke ich 
das Attentat
lässig
eine bedauerliche Hysterie
lebenslang
lese ich nun
im Käfig
im Kinderbuch
intrauterine Märchen
verfluche am Telefon
locker
die Opfer
den symmetrischen Abdruck
ihrer Brandblasen
lebenslang
wachsen mir
selbstunähnlich
Flügel aus Chitin
und Pathologien im Schädel
manchmal
häute ich mich 
lässig
eine bedauerliche Hysterie
mein tüchtiges Ich 
nicht schuldig
lebenslang

Harald Kappel: Siebenmeilenstiefel

die Sprache
im Wald aussetzen
Kieselsteine fallenlassen
den Weg mästen
schnell schnell
in die Zukunft ausschreiten
viele Leute sagen
ihre Stiefel kneifen
die Verfolgung der Oger
unmöglich 
lieber die Nachtmütze schlachten
eine Kinderschar zeugen
das Siedfleisch heranziehen
das Denken
im dunklen Fluß aussetzen
Brosamen fallenlassen
dicke Vögel mästen
am Staudamm
schnell schnell
in die Vergangenheit abtauchen
viele Leute sagen
ihre Schwimmflügel schmelzen
das Erreichen des Glücks
unmöglich
lieber das Atmen einstellen
die Kinder zurücklassen
das Siedfleisch erhitzen
sich selbst abkochen
und
die lästige Gegenwart
verdunsten

Harald Kappel: frische Wichtel

die Kirche
geisselt die Unzucht
die welken Engel
verbreiten das Laster
auf der Flaniermeile
ist ein Strich gezogen
die Wasser fliessen rückwärts
in ihren Quell

der Kardinal 
ein fetter Bläser
lebt seinen goldenen Traum
unter der Soutane
pulsiert das Aspergill 
harzt der Weihrauch
Oblaten sind getrüffelt
im Katalog
hat man
den Priesterkalender
im Internat
frische Wichtel bestellt

das Bussgeld ist witzig
die Oblaten flambiert
der Weihrauch entleert
die Verdauung intakt
Testikel werden pochiert
die Engel
verbreiten das Laster
der Kardinal
auf der Flaniermeile
zieht 
keinen Strich

Harald Kappel: abgeschenkt

das Neonlicht
flackert
in der Dunkelheit
in meinem Dorf
winden sich die Lenden
am Euter

der Spucknapf
ist fett
und einsam
am Lagerfeuer
wird er zur Butter
für Steckrüben

am Arsch der Welt
zählt nur
das Ritual 
rote Lippen 
sind ein Skandal
nass
zeigen sie
die Wirklichkeit
ungefragt 

das Neonlicht 
flackert
am Arsch der Welt
zählen nur
Geschenke

Harald Kappel: Tasse Kaffee

auf den Schiffsrümpfen
treibende Fjorde
im Berg schleichende Kirchen
das Tageslicht als freies Segel
die kostbaren Tropfen
von ja und nein 
wie Runen auf dem Mond
auf meiner Terrasse
eine Tasse Kaffee
voller Insekten
jeder Schluck
wohltuender Schmerz
die alte Flotte
vertrieben von Diarrhoe
verlässt den Kurs
Richtung Eisberg
in der grellen Bleiche
das Zerschellen 
wohltuender Schmerz
eine Tasse Kaffee
endlich
ungebraucht

Harald Kappel: Mundschenk

zunächst
mein zitterndes Hirn
eine Vorspeise
die Augen desynchronisiert
heißes Glas
Tränen als Aperitif
ich vermisse 
den Magenschutz 
meine Gedärme
glühendes Eisen
verdauen sich selbst
dann
die Diktatur des Silikons
am Präpariertisch 
kurz vor dem Hauptgericht
schnitzt ihr Lippenandruck
Risse in mein Gesicht
Erektion wird zur Skulptur 
Implantate
werden Machofantasie
Dentalkorrekturen
pfählen mein Zahnfleisch
das Verlangen wird aufgeschlitzt
die Weiße Substanz anästhesiert
endlich
zum Dessert
säe ich 
einen Pfahl 
und eine silberne Kugel
in ihre Herzklappenfehler
ernte den Applaus des Mundschenks
die Paranoia
eine verlässliche Schwerkraft
hustet mich
in den Schlaf