Bastian Kienitz: Schupp den Aal

schupp den A a l schrupp durch deine Fingerglitschen am
Schenkel entlang diese Stromlinienform so ein Spitzmaul
von einem so etwas wie Fisch

so ein bisschen geschleckt an der heißgeriebenen Schote
verliert noch die Kiemen, die Luft zum Atmen,
die Elastizität beim Übergang vom Wasser zum Öl | ganz
steif wie der sich gibt

Andreas Prucker: Lebenselexier

Prolog zu Hörspiel auf Youtube:“ über „AI authority income – als ein Betriebseinkommen für Macht,Demokratie, Gewalt und Wer hat Anspruch auf Gestaltung!?“

Mein Wasser, mein Leben, mein Besitz
Als ein zu viel, wie ein zu wenig verteilt
Konfliktzone und Hungerleid

Erlaubt dies Tiefen beim lieben
als anders normal im Umgang
mit uns selbst

Wodurch das sterben der anderen
unsichtbar notwendig
unsere Ernährung bedankt
und Leid sich in Schönheit verwandelt
da jeder Tod ein Leben sichert

Kriege entstehen und prägen uns
beim verstehen von Autoritäten
die ein lebendes in einem Pool
aus unserem Blut bestehen

Schwimmt meine Besitzlosen
auf staubigen Böden und hofft
das Euch der Regen Leben schenkt.

Nur mein atmen wird Staub aufnehmen
der innerlich brennt
und meine Körpersprache verkrümme sich

Scheintod läuft die Zeit an mir vorbei
in der ich erkenn was ich nicht getan habe

Und das Meer als Wasser
ist schon jetzt ohne Leben und Tod

Die Körperkerntemperatur erhöht sich
und mein Blut steht kurz vorm kochen

Alles was wir wollen ist Zuckerbrause
wie Haarspray für ein extravagantes
pop-art-treiben mit Lust auf Triebe
die wir befriedigen

Ach Wasser
Meine Person ist nicht so wichtig
Ich bin auch nur ein Geist der Zeit
welcher dich benötigt
um diese Worte schreiben zu können

Doch ehren und pflegen, wie schützen
tun wir dich nicht.
Und Menschheit aus

Christian Knieps: Taeping vor Ariel vor Serica

Ein Wettrennen um die halbe Welt

Robert Steele eilte zu den Docks. Die Nachrichten hatten sich in den letzten Stunden überschlagen, und der Schiffsbauer aus Greenock an der schottischen Westküste konnte es kaum glauben, dass die ersten drei Tea-Clipper, die an der Küste gesichtet worden waren, aus seiner Werft stammen sollten.
Ein Junge hatte es ihm atemlos berichtet: es seien die Taeping, die Ariel und die Serica. Drei Schiffe aus seiner Werft! Was wäre das für ein Sieg gegen die scheinbare Übermacht der Fiery Cross unter dem erfahrenen und siegreichen Kapitän Richard Robinson! Vier der letzten fünf Rennen hatte die Fiery Cross gewonnen, und die Wetten bei den Buchmachern sahen dieses besondere Schiff auch dieses Jahr in der eindeutigen Favoritenrolle!
Für die ganzjährige Teeversorgung des Alten Europas waren diese Wettrennen nur von spezieller Bedeutung. Es ging viel mehr um die Ehre, den ersten Tee der neuen Pflückung nach Hause zu bringen, und nicht nur die Buchmacher wähnten ein gutes Geschäft mit diesen ersten Lieferungen des neuen Jahres.
Daher galt es für die Schiffsbauer, die Balance zwischen möglicher Ladung und Seetüchtigkeit zu finden, um die Tea-Clipper sicher und schnell nach England zurücknavigieren zu können. Das schien Robert Steele mit seinen Werftarbeitern gelungen zu sein.
Die Taeping und die Ariel, beide in einer Kompositbauweise, also mit einem Holzrumpf mit Eisenballast, aber auch die Serica in Eisenbauweise waren darauf getrimmt, auf den zum Teil stürmischen und hohen Wellen der offenen Meere zu segeln, ohne dass dabei die Kontrolle über das Ruder aufgegeben werden musste.
Noch war nichts an den Docks zu sehen; allein eine schnell größer werdende Menge an Zuschauern fand sich zusammen. In ihrer Mitte stand Robert Steele und wurde mit jedem vermeintlichen Aufschrei der Zuschauenden nervöser und nervöser.
Vierzehntausend Meilen waren es vom chinesischen Fuzhou, das die Englänger Foochow nennen, bis an die Londoner Docks. Die besten Schiffe schafften diese Strecke in knappen einhundert Tagen, bei voller Last zu jeder Tag- und Nachtzeit. Gestartet am Pagoda-Anchorage, durch die China-See und die Sunda-Straße, vorbei an Anjer, dem Kap der Guten Hoffnung, über den Äquator nach Norden, an Kap Verde vorbei und auf dem schnellsten Weg nach London.
Zwei Drittel der gesamten Tee-Exporte aus China, die in Foochow verladen wurden, gingen in diesen Jahren nach Großbritannien. Auch in diesem Jahr 1866 wurden fast 500 Schiffe ausklariert, die mehr als 60 Millionen Pfund Tee exportierten. Die häufigsten Sorten waren dabei Congou, Souchoung und grüner Oolong.
Langsam wurde die Menge unruhig. Auch Robert Steele ging einige Schritte an den Docks umher, um sich während des Wartens zu beschäftigen. Mit seinen geschulten Augen untersuchte er die dort liegenden Schiffe, doch keines konnte sein Interesse erwecken. Vor allem die schweren, dickbauchigen Kohlenschiffe lagen herum und waren so ganz anders als die feingliedrigen Tea-Clipper, die noch von bärbeißigen Kapitänen hart am Wind gehalten wurden.
Bei den Kapitänen war es Brauch, einen Biberfellhut zu wetten, während die Mannschaften bis zu ganzen Monatslöhnen auf ihr Schiff setzten. Auf der Taeping kämpfte Kapitän MacKinnon mit seiner Mannschaft um den Sieg, während es auf der Ariel Kapitän Kaey und auf der Serica Kapitän Innes versuchten, vor dem jeweilig anderen Clipper in den Londoner Docks zu sein.
Inzwischen war die Sonne längst untergegangen, und zum Glück für die wartende Menge waren die abendlichen Temperaturen an diesem 06. September 1866 recht angenehm. Plötzlich hörte man ein Raunen und in der Weite sah man den ersten Tea-Clipper, wie er von Schleppern die letzten Meter auf der Themse hinaufgezogen wurde. Noch wusste die Menge nicht, welches der Schiffe die Führung besaß und wie viele Längen die anderen hinter ihr waren, doch Robert Steele sah mit dem ersten Blick, dass es sich um die Taeping handelte.
Es war also tatsächlich ein Schiff aus seiner Reederei! Er dankte dem Herrn für diese erfüllte Hoffnung und sah mit leuchtenden Augen, wie nur wenige Minuten hinter dem ersten Schiff bereits das zweite am Horizont sichtbar wurde: es war die Ariel! Robert Steele ging auf die Knie und schloss die Augen vor Glück.
In den nächsten Tagen war der äußerst knappe Sieg Schlagzeile Nummer eins auf den Titelseiten der Zeitungen. Dort stand in großen Lettern zu lesen: Taeping vor Ariel vor Serica! Die Klipper bringen die ersten Tees der neuen Ernte! Alle drei Schiffe gelangen zu den Docks binnen eineinhalb Stunden!
Das Teerennen von 1866 war entschieden, und Robert Steeles Werft hatte mitgewonnen. Seit diesem Septemberanfang war sie plötzlich und unerwartet die gefragteste Adresse für Tea-Clipper, die auch in den nächsten Jahrzehnten noch für spektakuläre Momente bei der Überfahrt von Foochow nach London sorgen sollten.

Lena Speckmann: Unter Wasser

Der erste Eindruck, als ich aus dem Wald trete ist weiß. Weites Weiß, so weit das Auge reicht. Ich schirme meine Augen mit den Händen ab.
Das Weiß des Horizonts mischt sich mit dem Weiß des Nebels, der über dem See liegt. Es ist still, das passt zum Nebel. Und zum Weiß.
Etwas fällt ins Wasser und durchbricht die makellos spiegelglatte Oberfläche des Sees. Vielleicht eine Maus, die einem Habicht aus den Krallen entglitten ist, vielleicht auch nur Habichtkacke. Den Ringen, die sich jetzt auf dem Wasser bilden, ist das egal.
Wie auf Kommando wird auch die Stille von einem Specht durchbrochen. Das Geräusch reißt mich aus meinen Gedanken. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, ich bin noch müde und meine Augen noch nicht ganz an das Weiß gewöhnt. Ich schüttele mich und mein Rucksack mit dem Angelzeug klappert. Ich laufe hinunter zum Ufer des Sees.
Dort liegt, an einer in den See ragenden Baumwurzel angebunden, mein Ruderboot und leuchtet durch den Nebel hindurch. Es ist rot, ich habe es selbst lackiert. Es heißt Pippilotta und der Name steht groß auf dem Bug. Links Pippi, rechts Lotta. Ganz vorne an der Spitze, in weißer Schrift.
Ich greife das Seil, an dem es festgebunden ist und hole Pippilotta zu mir heran. Ich lege erst die Angel hinein, löse dann das Seil vom Baum und steige ein. Ich liebe es, wie das Boot schaukelt, wenn man einsteigt.
Ich setze mich und nehme die Ruder. Mit langen und kräftigen Schlägen bewege ich mich vom Ufer weg, zur Mitte des Sees. Letzte Woche hatte ich drei Hechte rausgezogen und gewinnbringend verkauft. Davor geschlagene sechs Wochen gar nichts gefangen und stattdessen im Boot geraucht.
Ich lege die Ruder zurück ins Boot und lasse mich treiben, während ich beginne, den Blinker an der Angel zu befestigen. Wie jedesmal, wenn ich das tue, bin ich fasziniert von dem schönen Regenbogenschimmer des Köders. Ich behalte ihn eine Weile in der Hand, lasse meine Finger über das Relief der imitierten Schuppen gleiten und betrachte ihn von allen Seiten. Wäre ich ein Fisch, ich würde sofort anbeißen.
Der Blinker ist dran. Ich kurbele ihn hoch, bis er circa einen halben Zentimeter unter der Spitze frei baumelt, hole aus, werfe und lasse ihn über den See fliegen. Knappe zehn Meter vom Boot plumpst er ins Wasser. Ich kurbel-ziehe, lasse locker, kurbel-ziehe, lasse locker. Immer wieder, in unregelmäßigen Abständen. Gleichzeitig nehme ich die Stille wahr, meine Atmung, die tief und ruhig ist.
Beim dritten Wurf beißt einer. Ich drille ihn leicht an, aber er haut ab. Einen Moment lang ärgere ich mich über meine Überstürztheit, und muss dann aber lachen. Das ganze Ärgern bringt ja den Fisch nicht zurück. Ich werfe die Angel wieder aus.
Nach zwei Stunden und einigen halbherzigen und letztlich erfolglosen Anbissen habe ich auf einmal etwas Großes an der Angel. Sie biegt sich derart, dass ich einen kurzen Moment lang versuche, mich an meinen Kontostand zu erinnern, falls ich mir eine neue kaufen muss. Ich kurbele, lasse nach, ziehe, lasse nach, kurbele. Das Miststück an der Angel ist kräftig und hat nicht vor, aufzugeben. Mir wird warm, das Boot schaukelt, Wasser schwappt hinein, der Fisch ist jetzt nur noch anderthalb Meter weg. Ich lasse locker und gebe mehr Schnur, drei Meter vom Boot weg beginne ich das Spiel von neuem und ziehe ihn ans Boot heran.
Er wehrt sich erbittert.
Ich kann ihn schon direkt unter der Wasseroberfläche sehen. Er ist ziemlich groß für einen Hecht, ein stattliches Exemplar. Ich traue mir zu, ihn zu kriegen. Ich will ihn kriegen.
Ich kurbele und ziehe, und das macht ihn wütend. Er zerrt so ruckartig an der Schnur, dass ich die Angel fast verliere. Ich erschrecke mich, gerate ins Wanken. Es ist niemals eine gute Idee, in einem Ruderboot ins Wanken zu geraten. Die Idee wird zunehmend schlechter, je kleiner das Boot ist. Meine Pippilotta ist kaum drei Meter lang.
Es kommt, wie es kommen muss, ich verliere letztlich doch zuerst die Angel und dann das Gleichgewicht.
Das 15°C kalte Wasser umfängt mich, meine Klamotten saugen sich voll wie ein Schwamm und ziehen mich nach unten. Mit aller Kraft schwimme ich der Schwerkraft entgegen, doch es geht nur langsam aufwärts. Nach einer empfundenen Ewigkeit taucht mein Kopf aus dem Wasser auf, ich schnappe nach Luft. Pippilotta wartet ruhig schaukelnd auf mich. Erst jetzt begreife ich, dass ich wirklich und wahrhaftig ins Wasser gefallen bin. Zum ersten Mal.
Irgendwie schaffe ich es, mich wieder ins Boot zu ziehen. Mir wird die Schwere meiner Glieder bewusst, es waren kaum zwei Minuten, die ich im Wasser war, aber die Kälte und der Kampf haben mir die Kraft geraubt. Ich bleibe kurze Zeit quer über dem Boot liegen, atme schnell und heftig, meine Augen geschlossen. Als meine Atmung ruhiger wird, richte ich mich langsam auf. Ein eiskalter Wassertropfen perlt aus meinem Pony auf meine Wimpern, dann meine linke Wange hinab, wie eine kühle Träne.
Ich setze mich auf und lasse den Blick über den See schweifen. Meine schöne Angel, denke ich wehmütig. Mein Lieblingsblinker, einfach weg.
Ich streiche mir das nasse Haar aus dem Gesicht und rudere zurück. Mir wird kalt und ich bin frustriert.
Kaum eine halbe Stunde später in der heißen Badewanne denke ich nicht mehr daran und bestelle mir im Internet genau die Angel, die ich gerade opfern musste. Selbst zwei Wochen Lieferzeit und die 180 Euro, die ich dafür hinblättern muss, ändern nichts an meiner guten Laune.
Ich bin ins Wasser gefallen.
Aber ich bin nicht untergegangen.