Elias Hauck: Die Weihnachtswespe

Mit letzter Kraft hat sie es noch
In unser Haus geschafft:
Es ist Uli, die Weihnachtswespe.

Ja, unser schönster Festtag war’s!
Doch wer kümmert sich um die Reste?
Es ist Uli, die Weihnachtswespe.

Uli, wie schön, sei unser Gast!
Toll, dass du überhaupt noch hierher gefunden hast
Du bist ja vollkommen dehydriert und unterzuckert
Jetzt wird hier erstmal einiges weggefuttert

Setz dich doch bitte hier
Auf die Carcasse von der Gans
Am Kopf der Tafel sitzt übrigens der Hans
Und hilft dir mit der Geflügeschere

Liebe Uli, schwirr herum
um den Baum von Manufactum


Du kennst den Hans nicht, den Hans von Späth?
Mit ihm hab ich einen Flugzeugabsturz überlebt!
Heut’ hat er uns die Gans zugenäht.

Liebe Uli, schwirr herum
um den Baum
von Manu
factu
m



Musik: Andii Weber

Harald Kappel: Hermaphrodit

im gelben Wasser
bewegen sich die Hermaphroditen
auf seltsame Weise
ein Spiel und eine Einbildung
zwischen Seepferdchen und Rettungsschwimmern
in der Fantasie
nimmt ihr Neopren
einen mysteriösen Raum ein
zwischen oneirisch und paradox
doch in den Wellen
hat das Drama einen nassen Unterton
jeder Gesang verklingt
im sauren Bauch der Wale
und wenn ich romantisch wäre
könnte ich sagen
wie es ist
und nicht
wie man einen Menschen zeichnet
ich meine
einen richtigen Menschen
und nicht seine Antithese
das ist was für helle Köpfe
und nicht
für eine Kreatur
im gelben Wasser
zwischen Seepferdchen und Rettungsschwimmer

Harald Kappel: Gehirnsturm

in meinem Inselmeer
tobt ein Gehirnsturm
exzentrisch
werden elementare Gedanken
qualvoll
zu totem Gelee

in meinem Nähkästchen
plaudert ein Braunkehlchen
populistisch
werden verkehrte Worte
hetzend
zu Langwaffen

in meinem Meeresgrab
will etwas gesagt werden
ertrunken
werden Störungen zu Zögerungen
bis erneut
unterm Wasser
die Öfen brennen

blumenleere: hitzerisse

& so, also, lautet die geschichte, wie wir zu wasser kamen, & zwar naemlich gerade als die sengende hitze einer gnadenlos unbarmherzigen sonne & das knirschen zwischen unseren schier erbaermlich panisch klappernden zaehnen unsere ausgedoerrten maeuler mit senkrecht aufkreischender verzweiflung bestrich & uns, beinahe, hinweg ueber die wanderduenen des unertraeglichen – sprich: der indifferenten wueste des todes … – gen nirwana – eine fata morgana …? – trieb: da, ja, da rief uns ploetzlich meine mutter rein, indem sie uns mitteilte, die sandkastenzeit waere nun wohl oder uebel vorbei & wir sollten uns besser einen schluck klaren nasses goennen, uns unserer dreckigen klamotten entledigen & den schatten der wohnung linderung & die notwendige basis fuer eine regeneration unserer kraefte entziehen, statt drauszen gleich raeudigen hunden unter wogen schmutzigen staubs zu krepieren. ach, & weil unsere sonst durchaus relativ nennenswerten widerstaende gegen erwachsene machtausuebungen & anweisungen jedweder art mitterweile leider fast vollkommen vertrocknet waren, gehochten wir, kaum murrend, & stillten unseren durst, brav & untertaenig & gierig, am heimischen busen beziehungsweise herd …

Bastian Kienitz: Yachten

im Fokus, ein Mehr, an der Ostsee bei Deep
das Wasser fiel ruhig in Stufen gedacht
und rieb an der Mole, sehr fest und sehr tief
sehr ruhig in Form, fast zum Spiegel gemacht

fast gläsern im Sommer, modellhaft ein Schiff
es läuft in den Hafen und bricht wie ein Stern
im Wettlauf mit Wolkengebilden am Licht
an Schichten gelehnt, die am Himmel flimmern

so Segel ganz schnell in die Weite hinaus
an wärmeren Tagen bis hinter das Meer
aus flüchtigen Träumen zum Horizont raus
und fliege der Seeluft dem Meer hinterher…

Bastian Kienitz: Schupp den Aal

schupp den A a l schrupp durch deine Fingerglitschen am
Schenkel entlang diese Stromlinienform so ein Spitzmaul
von einem so etwas wie Fisch

so ein bisschen geschleckt an der heißgeriebenen Schote
verliert noch die Kiemen, die Luft zum Atmen,
die Elastizität beim Übergang vom Wasser zum Öl | ganz
steif wie der sich gibt

Andreas Prucker: Lebenselexier

Prolog zu Hörspiel auf Youtube:“ über „AI authority income – als ein Betriebseinkommen für Macht,Demokratie, Gewalt und Wer hat Anspruch auf Gestaltung!?“

Mein Wasser, mein Leben, mein Besitz
Als ein zu viel, wie ein zu wenig verteilt
Konfliktzone und Hungerleid

Erlaubt dies Tiefen beim lieben
als anders normal im Umgang
mit uns selbst

Wodurch das sterben der anderen
unsichtbar notwendig
unsere Ernährung bedankt
und Leid sich in Schönheit verwandelt
da jeder Tod ein Leben sichert

Kriege entstehen und prägen uns
beim verstehen von Autoritäten
die ein lebendes in einem Pool
aus unserem Blut bestehen

Schwimmt meine Besitzlosen
auf staubigen Böden und hofft
das Euch der Regen Leben schenkt.

Nur mein atmen wird Staub aufnehmen
der innerlich brennt
und meine Körpersprache verkrümme sich

Scheintod läuft die Zeit an mir vorbei
in der ich erkenn was ich nicht getan habe

Und das Meer als Wasser
ist schon jetzt ohne Leben und Tod

Die Körperkerntemperatur erhöht sich
und mein Blut steht kurz vorm kochen

Alles was wir wollen ist Zuckerbrause
wie Haarspray für ein extravagantes
pop-art-treiben mit Lust auf Triebe
die wir befriedigen

Ach Wasser
Meine Person ist nicht so wichtig
Ich bin auch nur ein Geist der Zeit
welcher dich benötigt
um diese Worte schreiben zu können

Doch ehren und pflegen, wie schützen
tun wir dich nicht.
Und Menschheit aus

Christian Knieps: Taeping vor Ariel vor Serica

Ein Wettrennen um die halbe Welt

Robert Steele eilte zu den Docks. Die Nachrichten hatten sich in den letzten Stunden überschlagen, und der Schiffsbauer aus Greenock an der schottischen Westküste konnte es kaum glauben, dass die ersten drei Tea-Clipper, die an der Küste gesichtet worden waren, aus seiner Werft stammen sollten.
Ein Junge hatte es ihm atemlos berichtet: es seien die Taeping, die Ariel und die Serica. Drei Schiffe aus seiner Werft! Was wäre das für ein Sieg gegen die scheinbare Übermacht der Fiery Cross unter dem erfahrenen und siegreichen Kapitän Richard Robinson! Vier der letzten fünf Rennen hatte die Fiery Cross gewonnen, und die Wetten bei den Buchmachern sahen dieses besondere Schiff auch dieses Jahr in der eindeutigen Favoritenrolle!
Für die ganzjährige Teeversorgung des Alten Europas waren diese Wettrennen nur von spezieller Bedeutung. Es ging viel mehr um die Ehre, den ersten Tee der neuen Pflückung nach Hause zu bringen, und nicht nur die Buchmacher wähnten ein gutes Geschäft mit diesen ersten Lieferungen des neuen Jahres.
Daher galt es für die Schiffsbauer, die Balance zwischen möglicher Ladung und Seetüchtigkeit zu finden, um die Tea-Clipper sicher und schnell nach England zurücknavigieren zu können. Das schien Robert Steele mit seinen Werftarbeitern gelungen zu sein.
Die Taeping und die Ariel, beide in einer Kompositbauweise, also mit einem Holzrumpf mit Eisenballast, aber auch die Serica in Eisenbauweise waren darauf getrimmt, auf den zum Teil stürmischen und hohen Wellen der offenen Meere zu segeln, ohne dass dabei die Kontrolle über das Ruder aufgegeben werden musste.
Noch war nichts an den Docks zu sehen; allein eine schnell größer werdende Menge an Zuschauern fand sich zusammen. In ihrer Mitte stand Robert Steele und wurde mit jedem vermeintlichen Aufschrei der Zuschauenden nervöser und nervöser.
Vierzehntausend Meilen waren es vom chinesischen Fuzhou, das die Englänger Foochow nennen, bis an die Londoner Docks. Die besten Schiffe schafften diese Strecke in knappen einhundert Tagen, bei voller Last zu jeder Tag- und Nachtzeit. Gestartet am Pagoda-Anchorage, durch die China-See und die Sunda-Straße, vorbei an Anjer, dem Kap der Guten Hoffnung, über den Äquator nach Norden, an Kap Verde vorbei und auf dem schnellsten Weg nach London.
Zwei Drittel der gesamten Tee-Exporte aus China, die in Foochow verladen wurden, gingen in diesen Jahren nach Großbritannien. Auch in diesem Jahr 1866 wurden fast 500 Schiffe ausklariert, die mehr als 60 Millionen Pfund Tee exportierten. Die häufigsten Sorten waren dabei Congou, Souchoung und grüner Oolong.
Langsam wurde die Menge unruhig. Auch Robert Steele ging einige Schritte an den Docks umher, um sich während des Wartens zu beschäftigen. Mit seinen geschulten Augen untersuchte er die dort liegenden Schiffe, doch keines konnte sein Interesse erwecken. Vor allem die schweren, dickbauchigen Kohlenschiffe lagen herum und waren so ganz anders als die feingliedrigen Tea-Clipper, die noch von bärbeißigen Kapitänen hart am Wind gehalten wurden.
Bei den Kapitänen war es Brauch, einen Biberfellhut zu wetten, während die Mannschaften bis zu ganzen Monatslöhnen auf ihr Schiff setzten. Auf der Taeping kämpfte Kapitän MacKinnon mit seiner Mannschaft um den Sieg, während es auf der Ariel Kapitän Kaey und auf der Serica Kapitän Innes versuchten, vor dem jeweilig anderen Clipper in den Londoner Docks zu sein.
Inzwischen war die Sonne längst untergegangen, und zum Glück für die wartende Menge waren die abendlichen Temperaturen an diesem 06. September 1866 recht angenehm. Plötzlich hörte man ein Raunen und in der Weite sah man den ersten Tea-Clipper, wie er von Schleppern die letzten Meter auf der Themse hinaufgezogen wurde. Noch wusste die Menge nicht, welches der Schiffe die Führung besaß und wie viele Längen die anderen hinter ihr waren, doch Robert Steele sah mit dem ersten Blick, dass es sich um die Taeping handelte.
Es war also tatsächlich ein Schiff aus seiner Reederei! Er dankte dem Herrn für diese erfüllte Hoffnung und sah mit leuchtenden Augen, wie nur wenige Minuten hinter dem ersten Schiff bereits das zweite am Horizont sichtbar wurde: es war die Ariel! Robert Steele ging auf die Knie und schloss die Augen vor Glück.
In den nächsten Tagen war der äußerst knappe Sieg Schlagzeile Nummer eins auf den Titelseiten der Zeitungen. Dort stand in großen Lettern zu lesen: Taeping vor Ariel vor Serica! Die Klipper bringen die ersten Tees der neuen Ernte! Alle drei Schiffe gelangen zu den Docks binnen eineinhalb Stunden!
Das Teerennen von 1866 war entschieden, und Robert Steeles Werft hatte mitgewonnen. Seit diesem Septemberanfang war sie plötzlich und unerwartet die gefragteste Adresse für Tea-Clipper, die auch in den nächsten Jahrzehnten noch für spektakuläre Momente bei der Überfahrt von Foochow nach London sorgen sollten.