Philip Saß – Erlebnis

Aus Welten, deren Namen ich nicht kannte
(ich spräche sie wohl eh nicht richtig aus
(weshalb ich sie auch leichthin »Welten« nannte)),
erschien ein Raumschiff, das empfindlich brannte:
Es brach entzwei, ein Männchen plumpste raus.

Ich schaute dem Geschöpf nur aus Versehen
und durch das Küchenfenster zu und rief,
was man halt ruft, wenn Havarien geschehen.
Es konnte mich jedoch nicht recht verstehen,
weil blauer Schleim aus seinen Ohren lief.

Ich rannte raus, um, was dort rang, zu retten,
und hätte mich vor r beinah verschluckt.
Ich tupfte, was mir Blut schien, mit Servietten,
bewarf das Wesen hektisch mit Tabletten, –
und schließlich hat es zögerlich gezuckt.

Ich wollte schon mit Erster Hilfe starten,
da wankte es und würgte kompliziert,
und seine fünfundvierzig Beine scharrten:
Abrupt verschied das Ding in meinem Garten,
und damit war der Abend ruiniert.

Harald Kappel – Malenmalen

abends am Brunnen

male ich ausgestorbene Vögel

obwohl ichs nicht kann

einen barocken Faun

ja

aber Blaumeisen

ha

sie fliegen in mein offenes Fenster

sie sind mir zu nah

malen kann ich nur

das Ferne

unter den Lichtern

Menschen

sie kann ich ich nicht malen

vielleicht

dich

mein Kloake singt dazu

reines Wunschdenken

horche der Elster

sie streift mit ihrem Schatten

durch den Garten

hellhörig

male ich den heiseren Klang

bist du es?

oder ist es doch nur

das Ferne

unter den Lichtern

das ich malen kann?

Harald Kappel – Am Gatter

durstig

unten am Tor

bin ich das Gatter

für die Sehnsucht

du

oben im Garten

wartest

schweigsam im Schnee

auf den falschen Freund

die Schrift deiner Augen

wird übermalt

von tropfendem Licht

auf den Porzellanflügeln

strahlt Perlmutt im Gegenwind

die Tragödie deiner Augen

dehnt die Zeit der Andacht

das Lügengebäude

im Schatten

atmet nicht mehr

ich übermale die Federn

mit Fehlfarben

du

oben im Garten

wartest

schweigsam im Schnee

auf das letzte Wort

von mir

das niemand kennt

und niemals fällt

Hydragea Must Die – Still Dreaming Of Vampires

When it stops raining the bats begin to sing
And I’ll be born again with crystals in my skin
Forever bound to die and fragment into stardust
The Earth exhales my body in a lifeless collapse

I won’t take my Love on a trip to the Moon
He’ll pick up the violets waiting for my return
I’ll leave him down there, summer garden at noon
With my sign on his chest, in the Chamber of Doom

He’ll grow the fruits du mal of our abandoned romance
With his arms full of glass, he will build up a fence
He will bury his bird heart in the dark and cold loam
Stardust Goddess won’t leave her baby alone

Margit Heumann – Grünes Freud und Leid

Mit dem Umzug aufs Land hatte ich plötzlich einen Garten, der bisher von der Mitbewohnerin akkurat bebaut worden war. Sie war froh, nur noch die Hälfte zu haben, und ich freute mich darauf, ökologisch wertvolles Gemüse und ein paar Blumen selbst zu züchten.

Im März konnte ich es kaum erwarten, mit dem Pflanzen zu beginnen. Ich teilte die Beete ein, ziemlich provisorisch, aber darauf kam es nicht an, dann zog ich eine Furche mit dem Hackenstiel und säte oder pflanzte in diese Rinne. Als ich fertig war, betrachtete ich zufrieden mein Werk. Keine Frage, alles war wohl gelungen. Nur im Vergleich mit Frau Langs Hälfte sah es ziemlich laienhaft aus. Ihre Beete waren genau rechtwinkelig, die Setzlinge in einer schnurgeraden Reihe mit genau gleichem Abstand. Später fand ich heraus, wie sie das machte: Sie hatte einen Meterstab für die Anlage dabei, sie spannte Schnüre für gerade Rinnen, sie hatte ein Stöckchen als Abstandsmaß zwischen den Pflanzen. Damit konnte ich nicht konkurrieren.

Mit dem Frühling begann auch die Saison in meinem Reitbetrieb. Zäune waren zu reparieren, Stuten kamen zum Decken, die Reitschüler wollten Unterricht und die Berittpferde Ausbildung. Der Garten geriet ins Hintertreffen. Oft saß ich bis spät abends auf dem Pferd, vergaß das Gießen oder hatte einfach keine Lust mehr. Zum Ausgleich stand ich dann mal wieder eine halbe Stunde mit dem Gartenschlauch da und ertränkte alles. Zum Jäten kam ich nur alle heiligen Zeiten, und wenn noch ein mehrtägiges Turnier oder eine Reitwoche auswärts dazu kam, schoss das Unkraut in die Höhe, dass es über den Nutzpflanzen zusammenschlug. Der Unterschied zu Frau Langs Hälfte wurde noch offensichtlicher: Bei ihr wurde kein Unkräutchen höher als zwei Zentimeter, bei ihr wurde zur richtigen Tageszeit und ganz gezielt mit der Gießkanne jedes einzelne Pflänzchen befeuchtet. Der Anblick ihres gepflegten Gartens deprimierte mich schrecklich.

Manche Pflanzen waren so robust, dass sie meine Pflegeattacken ziemlich unbeschadet überstanden. Die Zeit der Ernte kam. Über Wochen ernährten wir uns von verlaustem Salat, wurmigen Radieschen und winzigen Erdbeeren. Erntezeit schien nicht kompatibel mit Reitbetrieb, die Bohnen waren reif, als ich das Vereinsturnier vorbereitete, die Tomaten während einer dreiwöchigen Fortbildung, und ehe ich es bemerkte, war der Blumenkohl von Raupen zerfressen. Frau Lang dagegen ging jeden zweiten Tag ihr Gemüse durch und erntete die reifen Früchte, und der Blumenkohl wurde mit großen Blättern abgedeckt, sobald die ersten Kohlweißlinge auftauchten.

Ich war richtig erleichtert, als ich im Herbst den Garten leer räumen konnte. Nächstes Jahr, das nahm ich mir fest vor, sollte es anders laufen. Tat es natürlich nicht, und nach ein paar erfolglosen Versuchsreihen stellte ich den Gemüseanbau ganz ein und säte Grassamen aus. Ein Rasen war pflegeleichter, vor allem deswegen, weil ich meinem Mann das Mähen aufs Auge drücken konnte.

Arabella Block – Der Garten


Ich bin mein Garten.
Gewachsen bin ich wild.
Hab einen Zaun um mich gezogen.
Allerlei in mir kultiviert.
Schön sollte alles aussehen.
Fruchtbringend sein.
Und gerupft, gerupft hab ich.
Kraut gerupft, ausgerupft und mit Lust
die Erde von den schmutzigen Fingern geschüttelt.
O Lust des Rodens.
Geschwitzt hab ich.
Und die Nacktschnecken gefürchtet.
Alles für die Ernte.
Die hab ich verschenkt.
Was soll’s,
hab ich dann zu den Kletten gesagt,
und sie wachsen lassen.
Hab das Kraut willkommen geheißen
und sein wildes Blühen.
Die Äpfel den Igeln auf die Stacheln gespießt,
zwischen die wimmelnden Flöhe.
Den Ameisen gewunken.
Die Brennesseln kultiviert
für das Gaukeln eines Falters.
Blüht auch ihr, ihr Brombeeren,
und die Heckenrosen,
zückt eure Stacheln,
wuchert und schützt den Zaun.
Er bewahrt die Ernte
für das Chaos in mir.

Matt S. Bakausky (mit Alex K) – Die Schmähl-Eiche

Als Kind war ich gut im Tauchen, ich liebte die Besuche im städtischen Schwimmbad. Als ich dann mein erstes Haus mit den Millionen aus der Schriftstellerei gekauft hatte, war ich voller Freude. Nur ein Nachbar weit und breit und es gab eine wunderschöne Gartenanlage mit viel Platz. Vor meinen Augen hatte ich bereits den Swimming Pool eingeplant. Bei Brenners beauftragte ich das Schwimmbecken, zahlte in Bar. Denn Bargeld lacht.

Sie kamen vorbei und nahmen Maß. Dieser eine Baum müsste gefällt werden. Das würde ich locker in Kauf nehmen, dachte ich mir. So ein Baum mehr oder weniger würde doch nicht stören. Da irrte ich mich wohl. Herr Brenner sagte, dass man für so einen Swimmingpool-Bau im Garten bei der Behörde sich eine Genehmigung holen müsste. Eine reine Formalität.

Dienstag zwischen zehn und 14 Uhr wollte ein Herr Humpfel vorbeikommen und  ich dachte mir, der schaut sich das nur an und unterschreibt dann die Papiere. Aber Pusteblume. „Als Kind tauchte ich gerne und es war schon immer mein Traum einen eigenen Swimmingpool zu haben“, erzählte ich dem Humpfel, als er auftauchte. Er betrachtete den Bauplan und dann den Garten. Dann zeigte er auf den Baum. „Das ist eine Schmähl-Eiche, die steht unter Naturschutz.“ Ich schaue entgeistert. „Ja, kann man die nicht irgendwie woanders hinstellen?“ – „Ja ja, der Glaube versetzt Berge…“, sagt da Herr Humpfel, „aber so ne Schmähl-Eiche, die hat Wurzeln, das ist ihnen bewusst? Ne, die sind auf ihrem ganzen Grundstück.“ Ich schaue jetzt blöd.

„Das wird nichts mit ihrem Swimmingpool, sie können ja ein Planschbecken aufstellen“… Irgendwas in mir zerbrach in diesem Moment, ich konnte einfach nicht anders. Als kleines Kind war ich gut im Tauchen, ich liebte die Besuche im städtischen Schwimmbad. Es kam jetzt über mich, als ich wieder nüchterner wurde, lag da ein Herr Humpfel mit zermatschten Gesicht und in meiner Hand die verrostete Gießkanne, verschmiert mit Blut.

Am nächsten Tag kam ein Kommissar vorbei, um mich zu befragen. Ein Herr Humpfel hätte bei mir am gestrigen Tag einen Termin bei mir gehabt zu einer Begutachtung. Ich sagte, dass er irgendwie nicht erschienen wäre und dass ich mich zwar gewundert, aber nichts weiter dabei gedacht hätte. Der Kommissar notierte Dinge auf seinem Block.

Am Abend  ein Sucheinsatz. Das ganze Dorf sucht nach Herrn Humpfel von der Behörde. Mein Haus wird von der Polizei durchsucht. Kein Herr Humpfel wird gefunden. Irgendwann am frühen Morgen steht der Kommissar in meinem Garten und betrachtet den Baum.

„Wir wissen mittlerweile, dass sie gelogen haben, ein Nachbar hat Herrn Humpfel an ihrem Hauseingang gesehen“, sagt der Komissar. „Ich… ich…“ – mehr kommt nicht aus mir raus. „Wir werden jetzt ihren Garten ausgraben müssen“ – „Sehen Sie den Baum, das ist eine Schmähl-Eiche, sie steht unter Naturschutz.“

Der Kommissar beginnt zu telefonieren. Ich höre nur die Worte „Schmähl-Eiche“ und „Kann man da nichts machen?“… Dann wendet er sich mir zu: „Sie sind vorläufig festgenommen…“ Mir werden Handschellen angelegt.

Als Kind war ich gut im Tauchen, ich liebte die Besuche im städtischen Schwimmbad. Nach einem Tag in der Zelle kam ich wieder in Freiheit, das Auto von Herrn Humpfel wurde gefunden – auf dem Grundstück von meinem einzigen Nachbarn. Derjenige, der gegen mich ausgesagt hatte.

Einige Zeit später stand das Nachbargrundstück zum Verkauf. Ich schlug zu und ließ die Brenners einen Swimming Pool bauen.

Zeha Schmidtke – Unkenrufe

Nachts in der Gartenkolonie. Grillen zirpen. Ein paar wirklich laute Unken dominieren die Stimmung. Ein später Spaziergänger wird auf seinem Gang durch die Gemeinde von einem Nachbarn angesprochen.

nachbar

Nabend.

spaziergänger

Guten Abend.

nachbar

Na? Können Sie auch nicht schlafen bei dem Lärm, ne? Wissen Sie, was das ist? Wissen Sie, was das ist? Das ist vom Nachbarn hier.

spaziergänger

Ach.

nachbar

Ich sag immer: Gartenteich ist ne schöne Sache. Gartenteich haben wir alle. Aber das reicht dem Nachbarn ja nicht, er muß ja immer ne Extrawurst haben. „Gartenteich haben sie alle“, hat er sich wahrscheinlich gedacht: „Ich brauch was spezielles.“ Manche ticken ja so.

spaziergänger

Ja, ja.

nachbar

Er brauchte was Exklusives. Diese fetten Frösche. Aus dem Import. Solche Kawenzmänner sind das! Und das geht jetzt hier die ganze Nacht.

spaziergänger

Ach, so.

nachbar

Tun Sie mir doch mal einen Gefallen. Ich hab bisschen Probleme mit den Gelenken. Können Sie mal hier…einmal hier kurz drücken.

spaziergänger

Hier?

nachbar

Ja, ja.

Der Spaziergänger drückt auf den Knopf. Eine Explosion zerreißt die Nacht. Die Unken unken nicht mehr.

Der Nachbar lacht sich kaputt.

nachbar

Da fliegen sie! Die fetten Frösche!

Der Froschgarten brennt. Ein paar Planken fallen zu Boden.

nachbar

Jetzt sind sie ruhig. Die haben Sie wirklich sauber ruhig gekriegt.

Aus der Ferne: herannahende Sirenen: Polizei und Feuerwehr.

spaziergänger

Wieso ich?

nachbar

Ich muss dann mal los. Ihnen alles Gute!

Die Sirenen kommen näher.

Ende.