Sponsored by Life & Facebook
(Ein Mini-Drama in drei Akten)
Besetzung:
a) 1 Frau, als szenischer Monolog
b) 1 Frau & Mann 1,2,3): b1) Frau trägt Text monologisch vor, Mann 1,2,3 sagt jeweils die direkte Rede darin auf/interagiert pantomimisch b2) #Los Nr.1/2/3 wird von Mann 1,2,3 in der Ich-Form, Epilog von Frau vorgetragen
Zusammenfassung / Prolog (aus dem Off): Jedes Los
gewinnt! Und auch Sie, Gnädigste, können
mit Ihrer Facebook-Teilnahme bei den attraktiven Männerpreisen
doch gar nicht verlieren! Greifen Sie zu, Sie werden schließlich nicht immer 30
sein!
#Los
Nr.1: Das erste Los,
das ich auf Facebook zog, war ein Koet¹ namens Verse
Macher, der in der Hauptstadt lebte und recht bekannt für seine Reime war. Verse stürzte sich nach meiner Freundschaftsanfrage sogleich in
einen Onlinedialog, den ich zunächst für Offenheit und Lust am kollegialen Austausch hielt.
Verse genoss einen grandiosen Ruf, sah gut aus und kleidete sich mit einer
Prise spitzbübischer Coolness, sagte kluge Dinge, wurde beim richtigen Verlag verlegt
und saß an den richtigen Hebeln. Zunächst gab er mir nur ein paar literarische
Tipps, führte ein paar unverbindliche Messengergespräche, fragte nach einem Treffen, nach einem Kaffee. Ich
dachte: Endlich mal einer, der alle Tassen im Schrank hat, dem Literatur und
Lyrik genauso viel bedeuten, wie mir, und der ebenso sexy wie anständig ist. Mr.
Makellos eben.
Ins Wanken geriet dieser Eindruck, als mir ein
befreundeter Maler erklärte, dass Mr. Makellos verheiratet war. Die Kinder
stammten zwar aus einer früheren Ehe, aber eine aktuelle Gemahlin gab es
nichtsdestotrotz. Sie war älter, jedoch auch deutlich schlanker, schöner und erfolgreicher in der Schreibwelt als ich. Der Hansel hatte also längst schon eine,
der Literatur und Lyrik genauso viel bedeuteten, wie mir; ihm fehlte lediglich
die Wichsvorlage für sein Glück. Seltsam daran war nur, dass die halbe Portion Brad Pitt es bei Jennifer
Aniston statt Angelina Jolie suchte.
Eines Nachmittags zog Verse schließlich die Flirtzügel an und fragte
mich per Messenger, welche Art von Mann mir denn zusagen würde, schmiedete
mit mir Projektpläne kreativer Art und bot mir, als ich aufgrund eines
neuen Jobs zur Wohnungssuche in die Hauptstadt fahren musste, ganz selbstlos
an, ein paar Nächte in seinem Gästezimmer zu übernachten – wenn die Kinder nicht da wären. Dass sich
Angelina Jolie indessen auf Geschäftsreise befand und im Allgemeinen auf mehrere Städte verteilt
lebte, blieb unerwähnt. Ich lehnte ab.
Zwei Wochen später hatte Mr Makellos bereits vergessen, dass ich in die
Hauptstadt gezogen war und tat bei einer Vernissage, der wir beide beiwohnten,
so, als würde er mich nicht kennen.
Über eines wundere ich mich allerdings nich heute: Bei
wem die Ehefrau sonst so als Kind mitverbucht wird.
#Los
Nr.2: Schrift Steller
bekam ich das erste Mal auf seiner Lesetour zu Gesicht, die ihn fern der
Hauptstadt durch den Süden des Landes jagte. Er schaute zufällig beim
Signieren eines seiner Bücher hoch, während die Freundinnen, die mich mitgebracht hatten, ein
Autogramm von ihm wollten, und blieb mit dem Blick an mir hängen. Der Blick
hatte etwas Schockiertes.
Im Laufe der nächsten Monate liefen wir uns immer wieder auf Buchmessen
und Kulturveranstaltungen über den Weg, bis diese Aufeinandertreffsequenz darin mündete, dass wir
beide in der gleichen Stadt wohnten. Da Schrift jedoch trotz seiner Bekanntheit
als Kautor² eine gewisse Scheu mir gegenüber hegte, blieb es lange Zeit beim Anstarren und
gemeinsamen Smalltalkrunden auf Events, in denen er seine Ehefrau, seine Kinder
sowie sein gesamtes perfektes Leben vor den anderen zu betonen wusste.
Dennoch schwirrten ständig junge Frauen
um ihn herum, die man getrost als Groupies bezeichnen
könnte und deren Flirts er lächelnd ertrug,
ohne darauf einzugehen. Immerhin wäre er glücklich verheiratet und interessiere sich nicht dafür – Literatur,
darum, ausschließlich darum ginge es ihm, meinte er.
Ich dachte: Endlich mal einer, der alle Hormone im
Schrank hat, dem Literatur und Lyrik genauso viel bedeuten wie mir und der
nicht seine Ehefrau verschweigt. Mr. Makellos eben. Vielleicht ließe sich ja
eine Freundschaft etablieren, wennschon die Fronten geklärt und wir auf
Facebook bereits befreundet sind.
Kurz darauf zog ich aufgrund meines Jobwechsels in die
Hauptstadt um. Am Wochenende vor meinem Umzug hatten wir uns nach einer seiner
Lesungen auf ein Bier verabredet und setzten den Plan, nachdem mich Schrift per
Messenger kontaktiert und seine Ankunft in der Hauptstadt im Rahmen eines
Filmfestivals mitgeteilt hatte, zu meinem großen Erstaunen um.
Wit trafen uns in meinem Kiez, in einer Bar um die Ecke,
die hell genug für den Nachmittag und dunkel genug für einen Drink war
und blieben dort acht Stunden lang. Es gab Wein, gutes Essen und Diskussionen über Literatur,
die zeitgenössische wie die retrospektive, Anekdoten aus unserer
Jugend und Geschichten aus seinem Dasein als literarischer Star, der alles zu
haben schien, was man(n) so braucht und alles zu sein;
bis mir auffiel, wie knülle er war.
Plötzlich schob Schrift seine Hand über meine auf dem Tisch. Aphrodite hielt vor Schreckt den
Atem an. Sie starrte nach links, starrte nach rechts, der Ehering an Schrifts Hand
machte blink blink und er zwinker zwinker – sie erinnerte sich an seinen Sohn,
dem sie einmal begegnet war und zog die Hand weg. Oh, schon so spät, wollen wir
nicht langsam gehen, brummelte sie, er bezahlte.
Draußen, beim Entlanggehen der halbdunklen Straße,
stellte sich jedoch heraus, dass er seinen letzten Zug verpasst hatte und den nächsten
erst um vier oder fünf Uhr morgens nehmen könne. Also standen
wir da, vor der U-Bahn-Station, und ich spürte, wie 100 Kilogramm knülle Kautorschaft gemächlich auf meinen Schultern stiegen.
Ich bekam Migräne. Auf seine Frage, ob bei mir nicht zufällig eine Couch frei wäre, antwortete ich eloquent-diplomatisch mit: Nö. Schrift nahm es mir nicht übel. Er verabschiedete sich höflich und ging,
zusammen mit unserer Freundschaft, dahin, in die Abgründe des unterirdischen Verkehrslebens.
Über eines wundere ich mich allerdings noch heute: Wie es
ist, eine literarisch versierte Alkoholleiche zu vögeln.
#Los
Nr.3: Das dritte
Lotterielos brauchte auf Facebook über ein Jahr, um sich zu rühren. Vielleicht lag es daran, dass er nicht Literat,
sondern Pusiker³ war und das gesprochene Wort bis dahin nur stumm zu
begleiten wusste. Nach meinem Umzug fasste Bam Bam jedoch Mut und lud mich zu
einem seiner Konzerte in der Hauptstadt ein. Ich hielt mich zuerst bedeckt.
In den
nächsten Tagen plauderten wir aber so locker und
entspannt auf Facebook, dass ich dachte… Sie wissen schon… Endlich mal
einer, der alle Noten im Schrank hat, dem Sprache und Musik genauso viel
bedeuten, wie mir, und der seine Frau nicht hintergeht, weil er gar keine hat.
Mr. Makellos eben. Ich sagte zu.
Am nächsten Morgen fragte mich Bam Bam voller Vorfreude im
Messenger, ob wir schon soweit wären. Soweit wofür, erkundigte ich mich verwirrt. Er käme doch ursprünglich aus einer
anderen Stadt und bräuchte eine Übernachtung, erklärte er,
ob ich infrage käme.
Ich schloss die Augen: Ein ausgewachsener Mann, den ich
noch nie in meinem Leben getroffen hatte, würde nach seinem Konzert, bei dem ich ihm die ganzen Abend
zujubeln müsste, mich anschließend als Bed and Breakfast nutzen. Nein,
nein, nein, nein, nein. Ich lehnte ab.
Über eines wundere ich mich allerdings noch heute: Ob er
es wirklich so gut krachen lässt, wie behauptet.
#Epilog: Eine Woche später gab ich die Männer auf und bestellte mir im Onlineshop den ersten
Vibrator meines Lebens. No fuss, no muss, dachte ich, als ich ihn auspackte:
Endlich mal einer, dem good
vibrations genauso wichtig
sind, wie mir. Mr. Makellos eben. Ich schaltete ihn an. Mr. Makellos war
defekt.
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¹(Koet ist ein Kompositum aus den Substantiven Kot und Poet.)
²(Kautor ist ein Kompositum aus dem Verb[wider]kauen und dem Substantiv Autor.)
³(Pusiker ist ein Kompositum aus den Substantiven Pussy und Musiker.)
Sprecher*innen: Lily Schuster
Luca Ochmonek
Regie, Schnitt: Lukas Münich