Bastian Kienitz: Yachten

im Fokus, ein Mehr, an der Ostsee bei Deep
das Wasser fiel ruhig in Stufen gedacht
und rieb an der Mole, sehr fest und sehr tief
sehr ruhig in Form, fast zum Spiegel gemacht

fast gläsern im Sommer, modellhaft ein Schiff
es läuft in den Hafen und bricht wie ein Stern
im Wettlauf mit Wolkengebilden am Licht
an Schichten gelehnt, die am Himmel flimmern

so Segel ganz schnell in die Weite hinaus
an wärmeren Tagen bis hinter das Meer
aus flüchtigen Träumen zum Horizont raus
und fliege der Seeluft dem Meer hinterher…

Bastian Kienitz: Schupp den Aal

schupp den A a l schrupp durch deine Fingerglitschen am
Schenkel entlang diese Stromlinienform so ein Spitzmaul
von einem so etwas wie Fisch

so ein bisschen geschleckt an der heißgeriebenen Schote
verliert noch die Kiemen, die Luft zum Atmen,
die Elastizität beim Übergang vom Wasser zum Öl | ganz
steif wie der sich gibt

Bastian Kienitz: LINIENLAND

(Blankosonett)

in meinem Zimmer ist es praktisch einfach
puristisch konstruktiv, klar definiert
hier eine Ecke, übereck ein Spiegel
dazwischen Kreuzungspunkt und Bindeglied

aus Linien, Formen eines Vektorraumes
in einem Raum der Fläche zum Quadrat
und dessen leerer Kern um eine Mitte
die alles irgendwie zusammenhält

das ist Geworfensein in dieses Leben
an dem das ungreifbare Wirkgeflecht
wie Wellen an den Strand des Daseins spülen

nur nachts, da liege ich noch lange wach
und fühle, ich bin frei von jeder Sorge
wenn ich das Leben lebe, wie es ist…

Bastian Kienitz: Das Dachstudio

(Blankosonett)

der Bass schlägt schräg auf die Sekunde ein
ins Zwischendurch gevögelt bis zum Wahn
wirkt dieses Glas lichtbrüchig und erhitzt
wenn man ganz oben auf der Treppe steht

verliert die Maske ihren Sinn und Zweck
und die Gestalt erhebt sich lüstern selbst
auf das Podest und wird zum Mittelpunkt
der Tagesschau auf dem Dachstudio

das Fiftyfour gleich um die Ecke scheint
ein Licht aus Tausenden und einer Nacht
mit Charme, Schablone und von Angesicht

zu Angesicht, gemeißelt, bibeltreu
vielleicht auch frei von Mauern, alles gleicht
dem großen Plan: dem Ganzen scheingestellt…

Bastian Kienitz: Das Buch

das ist mein Buch, am Rand des hölzernen Tisches
mein Boden, auf den ich das Teeservice setze
die Ordnung zum Kreis einer Linie und Ecke
am Ende der Lehre, schlussendlich Verwischtes

dort steht auch die Kanne, chromblassgrau im Leben
meliert wie die Haare, die ich mit mir trage
doch alles wirkt ruhig, ringsum was ich habe
bleibt in sich gekehrt vom verwaschenen Reden

es ist jetzt vollbracht, meine Zeit scheint zu Ende
und alles was bleibt, sind die blattlosen Seiten
dort bin ich, dort war ich und dennoch beizeiten
bin ich das Stillleben im Schein deiner Hände…

Bastian Kienitz: 10.11.2012 [2.00Uhr]

Auf dem Tisch liegt er, wie etwas Gezähmtes, mit Zähnen,
mit messerscharfen Blickpunkten, an ihren Schenkeln ent-
lang kleine Perlen, klitzekleine vom Regen und rotgestürzte
Unterlippen von seiner Protagonistin: er liest am Biertisch
weiter vom Schreiben….

Bastian Kienitz: The Chair

der stuhl auf dem
du sitzt ist morsch
und auch die zeit

der Stuhl auf dem
du sitzt ist morsch
und auch die Zeit
hat ihre Spuren
hinterlassen

gefaltet hängst
du deine weißen
Hemden auf
und wünschst
dir dieses flatterhafte
Herz zurück

(vielleicht hat es dich längst
verlassen)

ich glaube nicht
dass es dich stört
den Neuanstrich
wird niemand wagen
und wie der Stuhl
wirst du zuletzt
zerbrochen einen letzten
Ausweg planen

bastian kienitz: Appolo und die Musen

das Ungeschriebene flüstern dieser Regen tropf tropf reden ohne Worte mit dem Augenaufschlag im Frühsommer oder lass es Frühling Winter sein auf deiner Insel hinterm Horizont das eine Blatt der Stift und das inmitten fröhlich tanzende Sehnsucht zerreißende Naturschauspiel auf der Rückseite des Mondes lass uns Blumen pflücken gehen die ich aus seiner Stille lese

Bastian Kienitz: LA SCAPLIATA

hinter den Augen, die ein Meer von sich zeichnen
zeichnet sich stumm eine Stille mit ab
zwischen Kontur und dem ersten Anzeichen
einer Begegnung, die mehr als das sagt

als ihre Lippen zu sagen vermögen
Herbstzeit ein Blatt auf verblichenem Blatt
hinter dem Lichtstreu aus Licht und dem regen
eines Gefühls aus den Tiefen der Nacht

lächelst auch du als Geheimnis dazwischen
wortloses Schweigen, vielmehr noch als das
was ich nicht sage, dein Herz muss es wissen
und schaut im Stillen zu den Sternen hinab…