Wie konnte es für eine Person des 21. Jahrhunderts, die ihrer Gegenwart entsprechend lebte, sich Technikfortschrott (eigentlich ein Vertipper – das i liegt auf der Tastatur gleich neben dem o – da es aber ein sehr, sehr dummes und langweiliges Wortspiel ist, lasse ich es drin im Text, auch weil die Erklärung für das Drinlassen so schön egal und überflüssig ist + die Klammer nach dem Schließen vergessen lässt, wie der Satz eigentlich weiter oben begonnen hat) und Arbeitswelt nicht verweigerte, überhaupt so etwas wie Langeweile geben?
1. Texte generell immer mit einer sehr langen Frage beginnen.
Sie muss nicht unbedingt polemisch sein, aber es kann helfen, wenn sie sehr verallgemeinernd gestellt ist, z. B. „Alle Spinnen vor meinem Küchenfenster machen sich insgeheim über mich lustig, so dick und eng oder so dünn und weit sie ihre Netze auch gespannt haben, ob fette Kreuz- oder langbeinige Schnakenspinne – Ist ihnen vielleicht einfach langweilig?“
So wird zu Beginn gleich ein Problem beschrieben (die „Spinnen vor meinem Küchenfenster machen sich insgeheim über mich lusitg“), dem eine mögliche Erklärung mitgeliefert wird (“Ist ihnen vielleicht einfach langweilig?“), die allerdings erst bewiesen werden muss (daher als Frage gekennzeichnet wird). Je entfernter das Problem („Spinnen vor meinem Küchenfenster machen sich insgeheim über mich lustig“) und seine Erklärung bzw. Lösung (“Ist ihnen vielleicht einfach langweilig?“) voneinander sind, desto mehr Spannungsmöglichkeiten eröffnen sich im fortlaufenden Text.
„Heuer ging es famos in die erste Runde der schlecht verdichteten Zugriegelbausteine, falls noch Interesse daran bestünde, liebe FB-Freunde, bitte nur per PN melden.“
Spätestens hier steigen Leser*Innen aus der Lektüre aus, da nicht nur kein direkt erkennbarer Zusammenhang mit dem vorangestellten TextTEASER – wie wir Journos zu sagen pflegen – besteht, sondern auch der semantische Kitt dieser Wortzusammenstellung undefinierbar bleibt. Was sind „Zugriegelbausteine“? Von welcher „Runde“ sprechen wir? Weshalb ist von sozialen Netzwerk „Facebook“ (FB) die Rede? Und was haben die eingangs erwähnten Spinnen vor Küchenfenstern damit zu tun? Statt eines langsamen detektivischen Erklärungsspiels, wirft der Text nur noch weitere kryptische Rätsel auf. Das Interesse der Leser*Innen versiegt. Was sich allerdings inhaltlich nach diesem scheinbar zusammenhangslosem Einstieg abspielt, kann nur mit folgender, gleichnishafter Short Story aufgelöst werden:
Die Frau, die aus Langeweile die Welt rettete und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) ebenfalls aus Langeweile wieder zerstörte
Als sozialem Geschlecht „Frau“ der klaren biologischen Kennzeichnung „Phänotyp weiblich“ und dazu in Relation stehend, dem Menstruationszyklus (volksmundig Monats- oder Regelblutung, Emma, „Hast du auch wieder ein Schwein geschlachtet“ genannt) ausgeliefert, als Mutter nicht nur mit dem Austragen, sondern auch mit dem Gros der Erziehung der Kinder beschäftigt, zusätzlich dem sexistisch-patriachalen Sozialgefüge unterworfen, konnte es Langeweile streng genommen nur in einem geschützten, konsequenzlosen Raum geben. Etwa in einer idyllischen Nachmittagsszene auf dem bürgerlichen Gartengrundstück eines Charlotte Brontë Romans (ohne die Anwesenheit der Männer und Kinder) oder eben in folgender kleiner, von mir völlig frei erfundener Geschichte:
„Boah, ist mir langweilig!“, dachte die Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) ebenfalls aus Langeweile wieder zerstören würde. Lange war der Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) ebenfalls aus Langeweile wieder zerstören würde, nicht mehr so langweilig gewesen wie in diesem Moment, als sie, die Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) wieder aus Langeweile zerstören würde, feststellte, dass ihr, der Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) aus Langeweile zerstören würde, unglaublich langweilig war. „Erstaunlich!“, dachte die Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) aus Langeweile wieder zerstören würde. „Was fange ich denn jetzt mit mir an?“, fragte sich die Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) ebenfalls aus Langeweile wieder zerstören würde. „Ich könnte“, fuhr die Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) wieder aus Langeweile zerstören würde, in Gedanken fort, „die Welt retten.“ Die Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) wieder aus Langeweile zerstören würde, kontemplierte eine lange Weile über diesen Gedanken und entschied schließlich: „Aber jetzt noch nicht!“ Sie hatte vage in Erinnerung, dass der Literaturnobelpreisträger Peter Handke ein Buch über die Langeweile geschrieben hatte. Es hieß, dachte die Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) wieder aus Langeweile zerstören würde, „Über die Langeweile“ hatte sie nie gelesen (ich übrigens auch nicht) und hatte das auch nicht vor. „Wie langweilig muss mir sein, dass ich Peter Handke lese?“, dachte die Frau, die aus Langeweile die Welt retten und sie anschließend (Achtung: Spoiler!) wieder aus Langeweile zerstören würde, und drückte auf den Weltzerstörungsknopf der Weltzerstörungsmaschine, vor der sie schon die ganze Zeit gesessen hatte. Flugs darauf änderte sie ihre Meinung aus einer Laune (Langeweile?) heraus und rettete die beinah zerstörte Welt, indem sie den Weltrettungsknopf betätigte. Kurz danach drückte sie aber doch nochmal (Achtung: Switcheroo!) auf den Weltzerstörungsknopf (absichtlich).
Um zu einem befriedigenden Ende eines jeden Textes zu gelangen, empfiehlt es sich, einen schönen Bogen zum Anfang zu schließen. Folgende Zeichnung kann für diesen Zweck stellvertretend eingesetzt werden:
Ein Strichmännchen mit ausgestreckten erhobenen Armen und grimmigem Mondgesicht steht neben einem von oben herabhängendem laufenden Duschkopf. In einer großen Sprechblase über dem Strichmännchen stehen folgende zwei Sätze: „Unter diese Dusche geh ich nicht! Diese Dusche nehm’ ich nicht!“