Hanne Mausfeld: gehen gehen atmen atmen

Gestern waren sie noch nicht da bestimmt zehn riesig und knallrot und frischweiß immer das Gleiche mit mir einen kleinen Brocken verspeisen was würde es mit mir machen aber welche Dosis? wissen möcht ich’s gern wenn die Pilze so schießen dann sind gewiss auch die essbaren Pilze in Fülle vorhanden und Irene ist in Urlaub und kann nicht ernten immer nehme ich mir vor mit ihr zu gehen aber ich schreibe lieber noch lieber mach ich Musik oder spiele mit Sprache herum schon wieder so ein Scheißbremsenviech dass es immer weniger Insekten werden merk ich auch nicht heute muss ich unbedingt anfangen weiß nur nicht was ich zu Heimat sagen soll und bis nächste Woche muss ich was Brauchbares geschrieben haben muss? will! überall Pilze und ich kenne keinen aber die Urgroßmutter ich sollte schneller gehen und auf meine Füße achten von der hinteren Fersenmitte den Fuß leicht nach außen positionieren und abrollen das stärkt die Innenmuskeln und ist gut gegen X-Beine Mutter hatte X-Beine und musste operiert werden jetzt bin ich schon am Kreuzweiher und weiß nicht wie ich hier hingekommen bin Urgroßmutter haben wir oft in Ronsdorf besucht unterm Dach ein Stübchen da lebte sie ganz normal damals was war damals normal? ihr Haus und die Bandwirkstube verbrannten ausgebombt sie hat bei uns gestopft und beim Einschlafen mit mir gespielt wer zuerst eingeschlafen ist ruft PIP vielleicht war das meine Heimat? und dann haben wir uns beide kaputtgelacht atmen tief atmen und große Schritte mal wieder so ein Tag da lässt mich die Familie nicht los alles wegen der Schreiberei über Heimat – Heimat ist eigentlich die ganze Welt gleich bin ich bei den Fliegenpilzen ich werde sie genau zählen – neunzehn Pilze wie man sich doch vertun kann vorher dachte ich zehn wären schon viele man muss eben immer genau sein auch mit den Worten und den Wörtern vor allem wenn man sie schreibt und drucken will wahrscheinlich täuscht man sich öfter als man denkt neulich hab ich gelesen dass man von Fliegenpilzen nicht sterben kann. 

Margret Bernreuther: Lügen

Die Luft in den Kabinen, aus denen sie normalerweise aufs Spielfeld hinaus liefen, war zum Schneiden.
Sicherlich wird es heute noch regnen.
Auch nachdem sie die engen Gänge verlassen hatten und die Tribüne betreten hatten, veränderte das wenig an der vorhandenen Luftqualität.

Das Stadion war bis auf den letzten Platz gefüllt. Es war laut. Ich hatte sein Hemd und das Sakko bereits durchgeschwitzt und die Veranstaltung hatte noch nicht einmal begonnen.
Vier Stunden lang wird alleine der offizielle Teil der Veranstaltung dauern.
Mittlerweile ist etwas Wind aufgezogen.
Auf den Rängen sitzen tausende Menschen und singen und tanzen.
Es ist ein schöner Anblick.
Jahrelang habe ich ein bei der „University of Lecturers“ ein Fernstudium betrieben, um mich auf diesen Tag vorzubereiten. Ich bin der Beste, den sie kriegen konnten. Ich werde heute meinem Land Ehre erweisen. Auf dieser Veranstaltung, die im ganzen Land, ja in der ganzen Welt zu sehen sein wird.

Ich bin schon lange wach. Wenn ich ehrlich bin, habe ich überhaupt nicht geschlafen heute Nacht. Nachdem ich weiß, wie streng die Sicherheitsvorkehrungen sein werden, habe ich mich früh auf den Weg zum Stadion gemacht. Meine Frau und meine Kinder haben noch geschlafen. Sie werden die Übertragung später im Fernsehen ansehen.
Ich habe nicht gefrühstückt. Ich wollte niemanden wecken.
Ich kann mich nicht setzen. Die Stühle sind alle mit prominenten und wichtigen Namen versehen.
Immer wieder entdecke ich bekannte Gesichter. Schon oft habe ich bei wichtigen Anlässen gedolmetscht, aber das heute schlägt alles.
Vor 5 Tagen starb Nelson Mandela, heute wird sich die Welt von ihm verabschieden. Und ich werde derjenige sein, der die Nachricht in die Welt trägt.

Über die Stadionlautsprecher wird durchgesagt, dass Barack Obama im Stadion angekommen ist.
Die Menge rastet förmlich aus. Der schwarze amerikanische Präsident, ist für uns alle die große Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch irgendwas in unserer Welt verändern wird.
Das Geschrei und die Gesänge sind ohrenbetäubend. In diesem Moment wünschte ich mir selbst, ich wäre taub. Meine Kehle ist staubtrocken.
Ich verstehe nicht, warum ich nichts zu trinken bekomme. Nur weil ich nicht rede?

Und nun setzte der Regen ein. Eigentlich hatte es seit Tagen nicht aufgehört zu regnen. Ein Zeichen dafür, dass auch der Himmel trauert. Die Menschen in den Rängen spannen ihre Schirme auf.
Nun werden meine Schweißflecken sicherlich niemandem mehr auffallen.
So viele Menschen sind gekommen. Staatsmenschen aus der ganzen Welt.
In ganz Johannisburg gibt es kein einziges freies Hotelzimmer mehr.
Alles musste sehr schnell gehen. Ein Freund hat mir erzählt, dass er Gäste aus seinem Hotel hatte werfen müssen, damit er Platz für den deutschen Bundespräsidenten hatte. Ich habe mir seinen Namen nicht gemerkt.
Ich muss mich nun auf meine Aufgabe konzentrieren. Das, was von mir erwartet wird.
Ich werde heute alle Reden der wichtigsten Menschen der Welt und die der Angehörigen von Nelson Mandela in die Welt übersetzen.
Gebärdensprache ist, wenn man so will, die universellste Sprache die es gibt. 


Eine Sprache, die die Welt vereint. 

Allen gehörlosen Menschen auf der Welt ist es möglich, diese Sprache zu verstehen. Ich spreche zu allen von ihnen.
Das hat mich damals auch dazu bewogen, meinen Abschluss in Gebärdensprache zu machen.
Ich wollte eine Sprache, die alle verstehen können. Und lernte sie an der Komani Schule. Ich wurde schon auf viele Feste als Dolmetscher eingeladen.

Der Regen wird immer stärker und in die Blasinstrumente der Kapelle fließt das Wasser. Gar nicht so einfach, einen Schirm und eine Tuba gleichzeitig zu halten.
Die Nationalhymne verklingt und die Trauerfeier hat nun offiziell begonnen.
Obwohl noch längst nicht alle Gäste im Stadion angekommen sind. Aber Obama, Obama ist da.
Unser Präsident ergreift das Wort.
„Mandela hat sich Regen gewünscht. Denn Regen bedeutet, dass du im Himmel willkommen bist“
Der Jubel der Gäste ist dieses Mal so laut, das es mir beinahe schwarz vor Augen wird.
Ich versuche mich, auf die Worte unseres Präsidenten zu konzentrieren.
Aber es ist so laut. Ich verstehe ihn nicht richtig. Aber ich kenne die Sprache die ich spreche.
Ich habe schon so viel Erfahrung und ich werde das einzig Entscheidende in diesem Moment machen: ich werde den Menschen Mut machen mit meinen Worten. Mit meinen Zeichen. Die Zeichen, die mir der Engel in den oberen Rängen zu verstehen gibt.

Wir alle beten gemeinsam. Wir alle singen gemeinsam. Der Regen wird immer heftiger.
Und auf einmal ist das zuvor Geschehene, als wäre es nur eine Art Aufwärmtraining gewesen.
Barack Obama betritt die Bühne und ab diesem Moment bin ich taub.
  

Şafak Sarıçiçek: automaticman & die räume

Achtsamkeit

Wo ich bin ist es schwarz und das Schwarz gähnt, eine gähnende Schwärze, eine stille Schwärze, und wieder und wieder saust und zischt etwas vorbei. Vorbei. Woran vorbei?

Habe ich es geschafft ? Geschafft eine Perspektive einzunehmen, eine Ordnung, eine Gesetzmäßigkeit, kann ich halten, festhalten, kann ich einfrieren ? 

Sie sagt, das sind meine Gedanken und vielleicht sind da auch keine Gedanken, vielleicht ist da Nichts und anfangs ist das okay, ist das üblich. 

Sie sagt, jetzt entfernst du dich von den Gedanken, steige auf, steig langsam auf und blicke wohlwollend hinab. Mit Gleichmut. Ihre Stimme flüstert. Sie ist jenseits der Schwärze. Außerhalb dieses Raums, in dem ich jetzt schwebe, körperlos, keine Aggregatzustände, kein Schmerz und die Gedanken sind ein Konglomerat, ein Gedankenurbrei, heiß und wütend blubbblubbblubbernd, aber dort unten, ein eigener Biotop, ein Kontinent, vom Urkontinent, dem Gedanken- Pangäa abgestoßen und sie sagt

LEERE

in die das Rot stößt , die immanente Gefahr, der Zustandsstörer, nirgends vorzufinden. Keine Maßnahme, die ich ergreifen kann, um die interne Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen, Gefahrenprävention vonnöten, aber ich habe keine Polizei, keine Gefahrenabwehrbehörde, niemand zuständig, keine Standardmaßnahmen dagegen und wo ist die Generalklausel, der Ruheort, wie sie sagte, das Ruhewort, wie sie sagte, die polizeiliche Generalklausel, die ich aktivieren kann, mit der das Rot verbleicht, verbleicht, wo die Bleiche, die wieder zur Leere führt, in der ich ruhte, das farblose Nichts. Auch jenseits der Schwärze, auch fern von dem Rot, wo ich bin, stößt die Gefahr hinein und ich ahne, die Hände zittern, ich ahne, die Lider flatterflatterflattern. Sie erklärt, dass sind deine Gefühle und wieder sagt sie

LEERE

und für einen Moment bin ich leer

bis mich das Rot endgültig erdolcht, Spaceshuttles startexplodieren, alle Neuronenspinnennetze blitzen auf, Mariannengrabenschwärze tut sich auf und schluckt die Röte und überall Pulsieren, Funken, Zischen, Leuchtkerzen und Arme die mich nach unten ziehen meinen Kopf der wächst, die Sekunden verzerren sich – der Schleudergang setzt ein Schleuder ! Schleuder ! Schleuder ! Die Waschmaschine grinst und sie sagt etwas durch die Waschmaschinenscheibe, haucht dagegen, klopft und in der Maschine hallt es: Komm wieder zurück, komm langsam wieder zurück. Zurück. Wohin zurück ?

Notizen

Notiz 1:
Sechsuhrfünfzehn. Frühstück. Kacheln. Frühstück auf dem Tablett. Mein Rücken schmerzt.
Sie sehen mir zu, ob ich auch schlucke. Am liebsten weiter schlafen.

N 2:
Vogel auf einem Sims. Irgendwo. Ich mag die Fenster nicht. Ich glaub, ich könnte runterspringen. Ich will es eigentlich nicht. Ich glaube und weiß es immer im Januar. Immer im Januar

N 3:
Etwas mit Gestaltung. Ich nehme die Stifte, ich zeichne. Meine Finger Blei. Sie finden es gut. Aber warum zeichne ich ein Bild mit dem gelben Punkt, und wer ist automaticman  fragen sie. Das

N 4:
Frühstück und Mittagessen ganz gut. Manche schreien. Mir ist es egal. Ich mag den Tag mit der Gestaltung. Man will mit mir etwas üben. Manche schlagen sich. Ich will sie wegschlafen. Will Sie wieder sehen. Ich werde Sie zeichnen.

N 5:
Jeden Tag, den ich überlebe: Ein Strich. Wenn ich lange genug schlucke und schlafe. Es wird gut. Es muss gut werden. Der Schlaf ist vielleicht kein guter Freund. Ich schreibe nicht mehr. Striche werden reichen.

OEG- Bahn

Und alle waren so langsam und zugleich so präzise in den Tag gestochen. Ihre Atemzüge waren laut. Die Nasenflügel, man konnte heranzoomen, wenn man will, konnte mehr wahrnehmen und ich nahm war und wusste, ich würde hier finden. Alle Augen waren auf mich gerichtet und ich nahm sie war und ich nahm Sie war, mit ihren gelben Sneakers, diesem Gelb das noch mehr, noch mehr, noch viel mehr, noch unbändiger, rebellischer hervorstach als die anderen Eindrücke. Der Hintergrund war mit einem Stromschlag durch die Gegenwart augenblicklich matt. Meine Augenapparatur vollkommen, vollkommen, ganz und gar von dem Gelb eingenommen. Es floß Strom durch den Zeitraum. Ich wusste, dass sie die Unbekannte aus dem Raum war, aus dem Traumraum. Damals unbekannt und jetzt lief das Schicksal in dieser Kabine zusammen und zerfloß zusammen mit den Lichtverhältnissen, die Blicke aller zerliefen. Die Bahn war grellgrün, die Bahn strahlte radioaktiv auf, Teilchen spalteten sich und in einer klaren Vision: das erste Mal mit ihr, die Verlobung, die Heirat, der Tod und die Wiedergeburt, Reinkarnation, Samsara, mal als Hungerlunger, mal als Tiere, immer wieder aufeinandertreffend und die Bilder werden zur Waschtrommel, vor der es kein Entrinnen gibt im schleuderschleudersschleuder- Modus, im Schleudergang, und dieses erhabene Erkennungszeichen ihrerseits, ihre gelben Schuhe, der gelbe Schuh, im Schleudergang: die Gelbflosse einer Nymphe -SCHLEUDER- wir beide bettlägerig in einem gelben Tuch gewickelt und alt – SCHLEUDER – sie eine Axt mit gelben Griff die tiefe Kerben in mich als Baum, in mein Holz schlägt. Schleuderschleuderschleuder: Andere Bilder, aber unverständliche– ein Mann der weggetragen wird, eine Frau mit gelben Sneakers, Menschen in einer Bahn die zuschauen, wie er sich windet und losreißen will –  in der Gehirnwaschtrommel macht sich LEERE breit.

Zuflucht, erste Tage

Die Jalousien waren beinahe perfekte Abschirmungen gegen das Tageslicht. Sie schirmten ihn ab gegen die allgemeine Verantwortung. Sie ließen nur durch ein paar Ritzen Sonne und Nacht durch. Die Verantwortung drang nur in Ritzen durch. Ein Hausmeister der Gras mit seinem Mäher zerschnitt, das elektronische Rad des Postangestellten. Wie das Geräusch einer Angelrute die ausgeworfen wird, nur zeitlich langgestreckt, immer lauter auf einen zukommend, auf die Fische. Eine älter klingende Dame in Rüge- oder im Ernstgespräch mit Hund, als wäre es der Ehemann. Eine andere älter klingende Dame in Beschwichtigung ihres Hundes. Gespräche zwischen den beiden älter klingenden Damen. Fast perfekt abgeschirmt gegen die Tatsache der anderen Menschen, die Mikrouniversen der Anderen. Fast perfekt.

Es fing langsam wieder an, chaotisch zu werden. Er schlief nicht mehr gerne. Er betrat den Raum mit den zahllosen Kästen, wo gegen virtuelle Währungen in dem einem Kasten ein Paar mechanisch Entkleidung betrieb, um es dann miteinander zu treiben, ein anderer Klick und weitere mechanische Verrenkungen, menschliche Formen, Schamhaare, Brüste, grunzende Frauen, grunzende Männer und mittendrin, er, ohne Schlaf, nach Zuflucht suchend und es fühlte sich nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner von einem Zuhause an und wenn ihm die Augen zufielen, fiel er in sein Bett, nur um bald darauf wieder aufzuwachen.

Zuflucht, kurz vor Aufbruch

Die Jalousien waren weiter beinahe perfekt. Die Tage waren vergangen, vielleicht waren sie das auch nicht. Etwas hatte eingesetzt. Wie ein Laser gewann etwas an Klarheit, tief in seinem Kopf drinne. Er wartete nur noch auf ein Signal.
Klick! Kästen überfliegen, überklicken, entkleiden, eindringen, mit seinem Laserfokus-
Ein neuer Kasten: Kein Entkleiden. Reden.
26 Jahre alt, Location: Im Himmel und in Deinen Träumen.
9.500 Leute sitzen mit ihr in dem Kasten. Stupsnase, großmandeläugig, halbgegessene Pizza auf dem Bett. Er wagt einen Beitrag, zeitgleich ihr Blick ihr Lächeln, ein Klick! setzt im Schleuderganghirn ein, ein Lächeln zurück, Gewissheit, dass sie ihn sieht, Gewissheit, dass sie sich kennen, von einem Leben vorher, das schreibt er ihr. 6.000 Leute lesen mit. Sie, geschmeichelt, nicht ganz für voll nehmen – großmandeläugiges Lächeln.
Gelbe Sneakers auf dem Boden hinter ihr. Musik im Hintergrund, ihm gefällt die Musik. Ihm gefällt ihr Lächeln. Jemand schreibt: You look sad . Sie schüttelt den Kopf, zieht eine Bong hervor, zieht daran, legt sich zurück. Macht die Augen auf und lächelt ihn an, ihn, in ihren Augen ein Flehen an ihn gerichtet. Klick ! Klick ! Er denkt, ich muss sie retten. Klick! 1.000 Leute sitzen alle zusammen in dem Kasten. Sie lächelt. Klick!
Er schreibt, dass er jetzt zu ihr kommen wird. Jemand entgegnet, in dem viel zu engen und überfüllten Kasten: you psycho, stop it! Ihr schiefes Lächeln, in seinem Klick!- Schleuderganghirn: Zieh dann deine Sneakers an, so erkenne ich dich, Klick ! user automaticman was removed from the room, Klickklickklickklick !
Jalousien auf und raus.

M.S. Bakausky: Familienspiel

Ein Abend im Kreis der Familie. Stell dir vor kurz nach Weihnachten oder so. Alle kommen zusammen. Papa Michael, Mutter Hilde. Die erwachsenen Kinder Robert und Julia. Vielleicht sind auch noch Großeltern dabei. Sagen wir Großvater Helmut. Der letzte seines Stands, der alle überlebt hat, vielleicht alle überleben wird mit seinen 103 Jahren auf dem Buckel. Sie sitzen da rum, haben gegessen und ihnen ist langweilig. Sie haben schon die üblichen Themen abgearbeitet:

Sohn Robert, was macht die Arbeit?

Tochter Julia, hast du endlich jemanden kennengelernt? Jemand festen?

Mutter Hilde, was macht deine Arthritis?

Vater Michael, was macht der Hobbykeller?

Großvater Helmut, wann müssen wir dich spätestens zurück ins Altenheim bringen?

Alles war gefragt und beantwortet worden. Wie bei jedem dieser Zusammentreffen.

Also saß man da und wusste nicht was zu tun ist. Da kam Robert auf eine Idee: »Wollen wir nicht ein Brettspiel spielen?«

Papa Michael schaut kritisch zu Mama Hilde, sie sieht so aus als würde sie sich schämen. Sie atmet tief ein und aus und lässt dann kleinlaut den Satz heraus: »Ich habe die Spiele verschenkt, an die Nachbarskinder.«

»Das waren unsere Spiele!«,jammert Robert.

Dann ist das Thema irgendwann vom Tisch und man weiß immer noch nicht was zu tun ist.

Jeder ist dankbar als Julia mit einem Vorschlag kommt: »Lasst uns ″Lügen″ spielen, dazu braucht man nichts.« Großvater Helmut beginnt eine Erzählung von seinem Urlaub auf Rügen im Alter von zwölf Jahren. Die erwachsenen Kinder schauen sich an und können sich das lachen kaum verkneifen. »Ach Opa«, sagt Julia, »Nicht Rügen, LÜGEN!« – »WAS?«, fragt er und greift sich ans Ohr. »LÜGEN!«, schreit Julia jetzt. »Ach so«, sagt der Großvater und schiebt sein Gebiss zurecht. »Und wie soll das gehen, Schwester?«, fragt Robert interessiert. »Die Regel ist einfach«, erzählt Julia, »Jeder darf so viel Lügen wie er will.«

»Und das soll Spaß machen?«, fragt Mama Hilde skeptisch. »Ich bin dabei!«, ruft Papa Michael begeistert. »Ich bin ein Papagei und lebe im Regenwald!«, sagt er. »Das ist doch albern!«, sagt Mutter Hilde. »Komm, gebt Julia eine Chance«, fordert Robert. »Ich habe euch alle sehr gerne«, sagt Opa Helmut. »Papa, du verstehst das Spiel nicht, wir sollen lügen«, stellt Vater Michael fest. »Ja und?«, fragt Opa. Die Kinder lachen. »Ich habe einen Mann kennengelernt, wir werden bald heiraten«, sagt Julia. »Das ist schön, wie sieht es mit Urenkeln aus?«, fragt Opa. »Ich bin schwanger. Bald werde ich meine Leidenschaft für die Innenarchitektur aufgeben und mich nur noch um den Haushalt kümmern«. Die Eltern schauen böse. »Das ist ein blödes Spiel«, sagt Mama Hilde. »Im Altenheim ist es schrecklich, ich will da nicht mehr hin. In der Tat werde ich euch alle enterben, falls ihr mich dahin zurückschickt«, sagt Opa Helmut. Die Kinder lachen nicht mehr. »Mir wurde gekündigt«, sagt Robert. »Das ist fantastisch, dann kannst du endlich deinen Roman schreiben«, sagt Julia. »Nein, mir wurde wirklich gekündigt«, sagt Robert. »Ich war schwanger und habe abgetrieben«, sagt Julia. Mutter und Vater schauen entsetzt. Vater sagt »Ich bin nicht euer Vater«. Mutter sagt: »Ich will die Scheidung«.

Keiner sagt mehr was.

Mutter Hilde starrt auf den Tisch.

Papa Michael verlässt den Raum.

Julia schluchzt leise in sich hinein.

Robert schaut bedrückt.

Opa lacht.

Opa sagt: »Tolles Spiel. Lügen. Das sollten wir öfters spielen. Jedoch müsst ihr mich langsam zurückbringen, es ist viertel zehn. Bald ist die Nachtschwester nicht mehr da.«

Zülküf Kurt: Kısa Devre

Kaldırımlar,

Bittiğinde başlayan yol çizgisi,

Karşıya geçmeyi bekleyen insanlar,

Kırmızı ışığa takılanlar, aralardan geçenler, yeşil bir uyarı almadan geçmeyenler, arabalar, kornalar, bize bir müziğin eşlik ettiğini gösteren kulaklıklar, solgun yüzler, yeni ütülenmiş gömlekler, birkaç gündür yıkanmadan giyilen kotlar, bir isyandan gelen sigara dumanı, parfüm kokuları, incitmeyen güneş, sesler ama hep sesler…

Biraz öncesinde kıyamet kopsa da belediyecilik anlayışıyla temizlenmiş olabilir bütün mekânlar. Bizi hayattan, hayatı bir diğerinden koparan bütün noktalar, betonlar ve ışıklar.

Karşıda doğayı unutmamızı engelleyen ağaçlar, altları plastik ilmeklerle birbirine ve toprağa yapıştırılmış çimenler, ıslaklığını güneşle daha fazla alımlı kılmaya çalışan yapraklar, sabahın o saatinde bankta oturanlar, önlerinden geçip işlerine gidenler, yüzler ama hep yüzler…

Nefes darlıklarımız, bağlandığımız sevinçler, yeni alınan ayakkabılarımız, daha güzel görünmemizi sağlayan bütün kıyafetler, bir düşünceyi adımlarla içimize sindirdiğimiz kısa yollar, yürüyüşler, haklarında konuştuğumuz insanlar, kafede yemek yerken haklarında konuştuğumuzdan bir daha hiç haberi olmayacak insanlar… Bir daha dinlemeyecek kadar çok dinlediğimiz ve bıkana kadar dinleyeceğimiz müzikler… Kapaklarını aklımıza kazıdığımız ve hep onlara yeni hikâyeler kattığımız kitaplar…

Suskunluklar ve hep susakalmalar. Bizi var etmeyecek her şeyi reddedişimiz. Çemberin içinde bir çember ve bir çember daha. Hiç durmadan ördüğümüz çemberler, dengeler, ifadesini değiştirdiğimiz o kısa etki anlarını arayışlarımız. 

Çok güvenmesek de dostlarımız. Sırlarımızı onlara hiç anlatmayacağımız, ama mesela hastalığımızı paylaşabileceğimiz arkadaşlarımız. Çocuklarının her anını hiç usanmadan ve aynı cümlelerle tekrar etmekten hiç bıkmayan, ama asla aynı zamandan bahsettiklerini bilmeyen anne babalar…

Üniversiteye yeni başlayan ve henüz düzenli davranmayı ihmal etmeyip dolmuş şoförüne adres sorarken bölümünü de söyleyen ve hepimizin onu ayakta alkışlamasını bekleyenler. Bir sonraki yıla kaldığı derslerle başlayan ve okul üniforması diye bohemlik kuşandıklarını belli eden üniversiteliler…

Her köşe başında kurulmuş tezgâhları, yorgunlukları ve tükenmeyen, tüketmemeye çalıştıkları ümitleriyle güne başlayan emekçiler. Tezgâhta duran iyi yaşam dilekleriyle, işine yetişmeye çalışanlar, koşanlar, koşturanlar, koşamayanlar…

Her yeşil ışıkta yüreğimizin depreşmesi. Bir hayali yanımızdan geçerken görüşümüz. Bir an zaman dursa. Bir kırmızı ışık yansa saatlerimize. Nereye gideceğimizi unutsak. Monologlarımız kesilse, sadece gözlerimiz kalsa geriye. Otobüslerdeki insanlar yollara inse sonra. Hafif bir rüzgâr çıksa, ellerimizde tuttuğumuz ders notları yollara, parklara dağılsa. Tüm tezgâhlardakilerini döksek. İsyan bu açlığımıza karşı. Boğazımızı sıkan kravatlar sökülse. Hepimiz ayakkabılarımızı çıkarsak. İlerde bir yerlerde bir müzikle eğlenen insanlar görsek. Her köşebaşında ya da. Taksiciler, bir yanımızda, durakta bekleyenler en önümüzde. Kimse kimseyi tanımasa, ama yine de mutlu olsa. Sonra koca bir meydanda buluşup bildiğimiz her şeyi unutarak öylece bakınsak. Ve hep ümit etmeye başladığımızda, yeşil ışık yansa…

Kaldırımlar,

Bittiğinde başlayan yol çizgisi,

Karşıya geçmeyi bekleyen insanlar,

Kırmızı ışığa takılanlar, aralardan geçenler, yeşil bir uyarı almadan geçmeyenler, arabalar, kornalar, bize bir müziğin eşlik ettiğini gösteren kulaklıklar, solgun yüzler, yeni ütülenmiş gömlekler, birkaç gündür yıkanmadan giyilen kotlar, bir isyandan gelen sigara dumanı, parfüm kokuları, incitmeyen güneş, sesler ama hep sesler. Suslar belki bir an belki de… 

İkinci bir ışığa kadar beklerken geçen bir ömür, ömürlerimiz. Yine de bekler miydin diye sorulan, cevabını bugün bile veremediğimiz sorular. Cevapları sonsuza kadar uzanacak sessizlikler. Bizi zamana, zamanı bize hapseden sıkışmalar. Yeşil ışık yanacak birazdan. Gitmeliyiz…


Kurzschluss

übersetzt von Aslı Uǧurlu und Tobias Schneider

Die Bürgersteige.

Die Straßenlinie, die beginnt wo jene enden.

Die Leute, die darauf warten, die Straße zu überqueren.

Diejenigen, die im roten Licht stecken bleiben. Diejenigen, die sich an Anderen vorbei winden. Diejenigen, die nicht passieren wenn sie kein grünes Licht sehen. Autos. Hupen. Die Kopfhörer, die uns zeigen, dass Musik uns begleitet. Die blassen Gesichter. Die frisch gebügelten Hemden. Die Jeans, die getragen und seit Tagen nicht gewaschen sind. Zigarettenrauch, der nach dem Aufstand aufsteigt. Parfümdüfte. Die Sonne, die nicht juckt. Das Gedröhne, und immer das Gedröhne…

Diese Orte, die nach Gemeinde-Standard gereinigt aussehen, obwohl einige Momente zuvor Weltuntergang war. Alle Punkte, Beton und die Lichter, welche uns vom Leben trennen, und vom Leben des Anderen.

Die Bäume dort drüben, die verhindern, dass man die Natur vergisst. Das Gras, an der Unterseite mit Plastik verstrickt und an die Erde geklebt. Die Blätter, die versuchen ihre Nässe durch die Sonne attraktiver scheinen zu lassen. Diejenigen, die bereits so früh auf den Bänken sitzen. Diejenigen, die jene auf dem Weg zu ihrer Arbeit passieren. Gesichter, und immer diese Gesichter.

Unsere Atemnot. Die Freuden, nach denen wir süchtig sind. Die neugekauften Schuhe. All die Kleider, die uns schöner aussehen lassen. Die Abkürzungen, wo wir Schritt für Schritt einen Gedanken verdauen. Die Spaziergänge. Die Leute, über die wir reden. Die Leute, über die wir reden wenn wir in einem Café essen und es nie erfahren werden. Die Musik, die wir so oft gehört haben, dass wir sie nicht mehr hören können und jene, die wir gehört haben bis wir gelangweilt waren. Die Bücher, deren Einbände sich einprägten und jene, denen wir immer neue Geschichten hinzufügen. Das Verstummen, und immer diese Sprachlosigkeit. Die Ablehnung von Allem, das uns nicht existieren lässt. Ein Kreis im Kreis eines weiteren Kreises. Die Kreise, die Gleichgewichte, die wir ununterbrochen weben, unserer Suche nach den Momenten der Wirkung, die wir verändert haben.

Unsere Seelenverwandten, denen wir nicht trauen. Unsere Freunde, mit denen wir niemals unsere Geheimnisse teilen werden, aber über unsere Krankheiten sprechen können. Die Mütter und Väter, die nie gelangweilt von Momenten ihrer Kinder werden und nie müde, die selben Sätze zu wiederholen, aber denen nicht klar ist, dass sie über die selbe Zeit sprechen.

Die Universitätsneulinge, die noch nicht abgelehnt haben ein ordentliches Benehmen zu zeigen, so dass sie, wenn sie den Busfahrer nach einer Adresse fragen, auch ihr Studienfach nennen und von uns allen stehende Ovationen erwarten. Die Studenten, die ihr nächstes Jahr beginnen und schon durch ihre Kurse fallen, die sich bürgerlich kleiden statt in Uniform…

Die Arbeiter mit ihren Stände an jede Ecke, ihre Müdigkeit, beginnen ihren Tag mit unerschöpflicher Hoffnung, die zerstört wird. Mit Wünschen auf gutes Leben stehen am Stand diejenigen, die versuchen ihre Arbeit zu erreichen. Die Gehetzten. Die Hetzer. Die Unhetztbaren…

Wie die Herzen bei jedem Grünlicht höher schlagen. Die Visualisierung eines Traumes, der an uns vorbeizieht. Wenn ein Moment stehen bleibt. Auf unseren Uhren würde ein rotes Licht leuchten. Wir würden vergessen wohin wir gehen. Unsere Selbstgespräche würden beendet werden, nur unsere Augen würden verweilen. Dann würden die Leute aus dem Bus die Straße hinuntergehen. Eine sanfte Brise würde aufkommen, die Kursnotizen, die wir in unseren Händen halten würden sich auf den Strassen und in Parks verteilen. Wir würden alles auf den Ständen um uns verteilen. Eine Rebellion unseres Hungers wegen. Wir alle würden unsere Schuhe ausziehen. Wir würden irgendwo vor uns Leute sehen, die Musik genießen. Anderenfalls an jeder Ecke. Taxifahrer. Neben uns.

Die Leute, die an der Haltestelle warten sind vor uns in der ersten Reihe. Niemand würde sich kennen und trotzdem glücklich sein. Dann würden wir uns auf einem riesigen Platz treffen und würden uns einfach nur umsehen, während wir alles vergessen, was wir wissen. Und jedesmal, wenn uns neue Hoffnung wächst, würde das Licht auf Grün wechseln.

Die Bürgersteige.

Die Straßenlinie, die beginnt wo jene enden.

Die Leute, die darauf warten, die Straße zu überqueren.

Diejenigen, die im roten Licht stecken bleiben. Diejenigen, die sich an Anderen vorbei drängen. Diejenigen, die nicht passieren, wenn sie kein grünes Licht sehen. Autos. Hupen. Die Kopfhörer, die uns zeigen, dass Musik uns begleitet. Die blassen Gesichter. Die frisch gebügelte Hemden. Die Jeans, die getragen und seit Tagen nicht gewaschen sind. Zigarettenrauch, der nach dem Aufstand aufsteigt. Parfümdüfte. Die Sonne, die nicht juckt. Das Gedröhne, und immer das Gedröhne…Die Stillen, vielleicht sofort, oder vielleicht…

Ein Leben. Unsere Leben. Die Vergehen, während wir auf das zweite Licht warten.

Würdest du trotzdem warten? Diese Frage können wir heute noch nicht beantworten. Die Stille, deren Antworten sich an Unendlichkeit lehnen. Der Druck, der uns an die Zeit bindet und die Zeit an uns.

Das grüne Licht wird bald leuchten. Wir sollten gehen…

Nian Cheng: 小厨房里的大道理

—聊聊东西方文化差异那点事

《礼记》中孔子提到的人生研究结论是:“饮食男女,人之大欲存焉。”这两件事 是人生最平实,最基本的两件大事。所以不管是在东方还是西方,食物在衣、食、 住、行中所占的份量是不言而喻的。其中还记载:“未有火化,食草木之实,鸟兽之 肉,饮其血,茹其毛。”意思就是,远古时代,人类还不会运用火来烹制食物,所以只 能生吃动物的血肉。随着人类的逐步进化,人类渐渐进入调制饮食阶段,开始利用各 种器具和方式烹制熟食。人类为了适应自然,以求自身的生存和发展,在饮食上完成 了从远古时代的生食到文明时代的烹制熟食,而在这个历史过程中也逐渐形成了人类 的饮食文化。到了现代,人们对烹制食物的要求越来越高,对制作食物的工具要求越 来越精,因此对制作食物的厨房也就显得尤为重要。 

来德国之前,在我的记忆中,中国人的厨房里总是带着各家各户的烟火味儿,北 方人性格豪爽,多喜食面食,因此厨房里多是跟制作面食相关的厨具,蒸笼、擀面 杖、压面机……,南方人性格内敛,多喜食汤类,厨房里多是各种砂锅,煲汤锅以及 各种滋补类食材。中国人认为食物不仅仅是维持生命的必需品,它更像是 门艺术。能 带给人精神上的享受,中国人对食物有很深入的研究,不只是考虑食物带给人的营养 还注重食物的色泽、鲜香。为了追求食物的美味,中国人主要采用炒 、蒸 、煮 、 炸 、烤 、烩等多样化并且操作复杂的烹饪方式。 在菜品上讲究色香味俱全,在制作 方式上突出的往往是刀工,火候,比如著名的扬州菜,“文思豆腐” 就是把一块嫩如布 丁的豆腐用中式菜刀切成细如头发丝儿而制成的鲜美汤羹,在中式厨房往往一把中式 菜刀能解决所有切、剁、片、削,足以称霸整个厨房。 

而进到德国人的厨房,可以用四个字来形容,琳琅满目。光是刀具就有几十种, 切土豆的,处理牛排的,削芦笋的……,还有各种量具锅具,炖煮锅,意面锅,土豆 锅,芦笋锅……, 仿佛置身于一个超级实验室。德国人的严谨,在厨房里也是体现的淋 漓至尽。任何一次食物的制作,所用食材、调味品的份量都必须精确到克。有一次我 去朋友家做客,做了一道红烧排骨,当我说道少许盐、少许糖的时候,她很惊愕的问 我少许是什么计量单位,我当时哈哈大笑,尴尬的解释道,Ein bisschen。 

因为制作工具的繁杂,德国人的厨房在设计上往往更偏向于开放式的设计,空间 相对大,家庭主厨们在制作美食的同时也可以边与家人朋友们聊天,德国厨房不仅仅 是传统制作食物的地方,也是朋友聚会,家人休闲聊天的场所。中国人在制作美食的 时候因为烹饪手法的原因,基本采用封闭式的设计,小空间紧凑而有序,小空间不能 兼顾娱乐消遣的功能,所以仅限于烹煮食物,这也是两国不同的生活饮食习惯决定 的。 

在人类发展的历史长河中,食物与人的生活总是息息相关,是人们赖以生存的重 要来源。中西方饮食在饮食观念、饮食结构,饮食习惯等诸多方面都存在着明显的差 异,而且各有独到之处。随着生活质量的提高,人们开始注重健康,已经不再满足于 单纯的美味或营养,讲究的是菜肴的味道与营养的双赢。现在的中餐在味道与美观的 基础上开始注重食物的营养搭配与烹饪的科学性,而西餐也在学习中餐对于食物在艺 术性上的创造性。通过不同饮食文化的相互融合,美食将不仅仅是一种美食,更是一 种情趣,是艺术的享受,不仅让我想起了宋代文学家苏轼《浣溪沙· 细雨斜风作晓 寒》里写的那句, 

“ 雪沫乳花浮午盏,蓼茸蒿笋试春盘。 
人间有味是清欢。” 


Das große Prinzip der kleinen Küche

Gespräche über die kleinen kulturellen Unterschiede zwischen dem Westen und dem Osten

übersetzt von Keewai Wong

Die Zusammenfassung aus den Beobachtungen des Lebens, die Konfuzius in seinem Buch der Riten gezogen hat, ist: „Essen, Trinken und der Sex sind die großen existenziellen Begehren der Menschheit.“ Denn diese beiden Dinge sind die einfachsten und grundlegendsten im Leben eines Menschen. Daher nimmt das Essen, ob im Osten oder im Westen, unter den Grundbedürfnissen wie Kleidung, Nahrung, Wohnung und Mobilität selbstverständlich eine große Rolle ein.
Er schreibt zudem: „Vor der Entwicklung des Feuers, wurden die Pflanzen und das Fleisch der Tiere in ihrem Wesen gegessen. Man aß Blut und Fell.“
Dies sollte bedeuten, dass die Menschen in alter Vorzeit, bevor sie Feuer zum Kochen der Speisen verwendet haben, das Blut und Fleisch der Tiere nur roh essen konnten. Mit der schrittweisen Entwicklung der Menschheit erreichte man allmählich die Stufe der Zubereitung von Speisen und Getränken. Man fing an, mit allerlei Gerätschaften und Methoden zu kochen und zu garen. Sich der Natur anpassend, hat der Mensch, um seinen Körper zu erhalten und zu wachsen, eine Entwicklung vom Rohverzehr von Nahrung im Altertum bis hin zur kultivierten Zubereitung von Speisen vollführt.
Im Rahmen dieses Werdegangs hat er auch allmählich eine Kultur des Essens geformt. Bis heute sind die Ansprüche an unser Essen immer höher, die Ansprüche an die Gerätschaften immer ausgefeilter geworden. Daher scheint auch die Küche, in der all diese Speisen zubereitet werden, eine besondere Stellung einzunehmen.

Bevor ich nach Deutschland kam war in meiner Erinnerung in der Küche der Chinesen stets der rauchige Geruch der jeweiligen Familien und Haushalte zu finden. Die offenherzige Natur der Nordchinesen liebt Mehlspeisen. Daher sind in ihren Küchen viele Utensilien für die Verarbeitung von Mehlspeisen zu finden: Dampfkörbe, Teigrollen, Nudelmaschinen.
Die Natur der Südchinesen ist reservierter, sie bevorzugen Suppengerichte. Ihre Küchen beinhalten öfter allerlei Arten von Steingutkochtöpfen, Suppentöpfen sowie diverse nahrhafte Zutaten.
Chinesen glauben, dass Nahrung nicht nur eine Notwendigkeit ist, um am Leben zu bleiben, sondern vielmehr eine Kunst. Sie bereitet den Menschen seelischen Genuss. Chinesen haben Nahrungsmittel tiefgehend betrachtet. Dabei wurden nicht nur ihre Nährstoffe für den Menschen betrachtet, sondern die Aufmerksamkeit auch auf Form und Farbe, Geschmack und Aroma gelegt. Für den Wohlgeschmack der Speisen benutzen Chinesen vielfältige Methoden wie vorrangig das Braten, Dämpfen, Kochen, Frittieren, Backen und Schmoren.
Zudem werden komplexe Formen der Kochkunst verwendet. Bei der Auswahl der Lebensmittel, wird auf alles Wert gelegt – Farbe, Aroma, Geschmack.
In der Zubereitung stechen besonders Messerschneidetechnik und Hitzekontrolle hervor.

Ein Beispiel ist das berühmte „Wensi-Tofu“-Gericht aus Yangzhou. Hier wird ein Stück Tofu, das zart wie Pudding ist, mithilfe eines chinesischen Küchenmessers in haarfeine Streifen geschnitten, um eine köstliche Suppe zuzubereiten. In der chinesischen Küche kann ein einziges Messer oft für sämtliche Schneide-, Hack-, Reibe- und Schälarbeiten verwendet werden, sodass es als König der Küche über allem thront.

Dagegen kann die Küche der Deutschen mit vier Zeichen beschrieben werden: 琳琅满⽬ (voll und glitzernd soweit das Auge reicht).
Allein an Messern gibt es schon dutzende Arten, Kartoffelmesser, Steakmesser, Spargelschälmesser…
Darüber hinaus gibt es noch allerlei Mess- und Kochutensilien wie den Schmortopf, den Spaghettitopf, den Kartoffeltopf, den Spargeltopf… Es ist als befinde man sich in einem hochmodernen Laboratorium.
Die Genauigkeit der Deutschen zeigt sich auch in einer extremen Form in ihrer Küche. Die Zubereitung jeder einzelnen Speise, die Menge aller Zutaten und Gewürze muss präzise bis aufs Gramm sein. Als ich einmal bei einer Freundin zu Besuch war, habe ich ein Gericht mit rot-geschmorten Rippchen gekocht. Als ich von ein wenig Salz und Zucker gesprochen habe, hat sie mich erstaunt gefragt, was „ein wenig“ denn für eine Zähleinheit sein soll. Ich habe damals laut losgelacht und dann ein wenig peinlich berührt erklärt, dass das „ein bisschen“ heißt.

Aufgrund der Diversität an Utensilien sind die Küchen der Deutschen in der Planung eher offen und vergleichsweise groß. Die Köche können sich während der Zubereitung der Speisen mit Familie und Freunden unterhalten.
Deutsche Küchen sind nicht nur traditionell der Ort, wo Essen zubereitet wird, sondern auch ein Ort zum Freunde treffen und ein Platz für Freizeit Gespräche mit der Familie.
Chinesische Küchen werden aufgrund ihrer Kochgewohnheiten grundsätzlich eher geschlossen konzipiert. Sie sind eher klein und kompakt, doch systematisch. Wegen der geringen Größe wird die Küche dem Aufenthalt in der Freizeit nicht gerecht, sondern wird ausschließlich für das Kochen verwendet. Dies wird auch durch die unterschiedlichen Lebens- und Essgewohnheiten der zwei Länder bestimmt.

In der Geschichte der Menschheitsentwicklung waren Nahrungsmittel und das Leben der Menschen immer eng miteinander verbunden. Sie sind eine wichtige Quelle, von der die Menschen in ihrem Überleben abhängig sind.
Chinesische und westliche Ess- und Trinkkonzepte, -struktur und -gewohnheiten beherbergen in vielerlei Hinsicht offensichtliche Unterschiede und jede Kultur hat ihren eigenen, ursprünglichen Platz.
Mit dem Anstieg der Lebensqualität fangen die Menschen an, auf ihre Gesundheit zu achten. Längst stillen sie nicht mehr einfach das Verlangen nach Wohlgeschmack oder Nahrhaftigkeit, sondern legen Wert auf die Vereinbarkeit von Aroma und Nährwerten.
Die heutige chinesische Küche hat angefangen, auf der Grundlage von Geschmack und Ästhetik die Nährstoffkombinationen und den wissenschaftlichen Charakter der Kochkunst zu betonen. Und auch die westliche Küche hat angefangen, von der Kreativität der chinesischen Küche in ihrem künstlerischen Charakter zu lernen.

Durch die gegenseitige Mischung unterschiedlicher Ess- und Trinkkulturen ist die Kulinarik nicht nur eine Kochkunst, sondern eine Vergnügung, ein künstlerischer Genuss.
Sie erinnert mich an den Satz aus dem Gedicht des Gelehrten Su Shi aus der Song-Dynastie:

„Schneeschaum und Milchblüten schweben mittags in der Teetasse.
Gemüse und Sprossen zieren den Frühjahrsteller.
Eine Prise Glück ist der beste Geschmack im Leben.“

Şafak Sarıçiçek: Wodnew

Die Kartographen haben uns verschlafen.

Prolog

„Sie sollen Ihren Namen nennen.“
„Anton Wodnew.“
„Wo wurden sie geboren und in welchem Jahr?“, übersetzt die Dolmetscherin.
„St. Nichts-Burg, 1. Oktober 1994.“
„Sprechen Sie mir nach. Hiermit schwöre ich die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen.“
Ich spreche es nach, laut und deutlich.
„Setzen Sie sich.“

Der Richter aus dem Tao-Land blickt mich ernst an. Ich blicke unbeeindruckt zurück.

Sie wollen jetzt selbstverständlich wissen, wie ich, gebürtiger Wodnew aus Groß-Nordland, vor einem Tao-Land-Gericht gelandet bin.

Dazu müssen wir nach St. Nichts-Burg zurück. Und zwar viele Wochen. Wochen, die ich in ihrem Verlauf so nicht erwartet hätte. Nicht in meinen absonderlichsten Träumen. Das ist ganz ernst gemeint: Gestern etwa träumte ich von einem Groß-Nordland-Agenten, der eine Matrjoschka war und auseinandergezogen wurde und dessen kleinere Imitate beständig Reigen tanzten, mit Trunkenheitsflaschen in der Hand. Nein, was mir die vergangenen Wochen zustieß, ließ meine Träume alt aussehen.

TEIL I

St. Nichts- Burg

Wie schon gesagt, bin ich im immerzu frierenden Osten Groß-Nordlands, in St. Nichts-Burg geboren. Irgendwann muss die staatliche Kartographiebehörde unsere Stadt vergessen haben. Ich stelle mir vor, wie der für unseren Bezirk zuständige Beamte, kurz vor der Verzeichnung meiner Heimatstadt, einen Krampf in der Wade bekommt, der ihn schon ewig plagt und jetzt sein Fass zum Überlaufen bringt. Der gehässige Beamte beschließt, die nächste zu registrierende Stadt zu vergessen.
So muss es gewesen sein. Meine Kindheit, wie auch meine Jugendjahre verliefen zum größten Teil in diesem blinden Fleck der Weltkarte. In der Umgebung gab es einfach nichts, was für einen jungen Mann wie mich von Interesse gewesen wäre. An der Stadtgrenze sollte stehen: „Willkommen in St. Nichts-Burg. Eine famose Lebenszeit im Nichtstun erwartet Sie. Ihre  Bürgermeisterin. P.S: Wie haben Sie nur hergefunden? Die Kartographen haben uns verschlafen.“

Meine Mutter starb, als ich noch sehr klein war. Darum kann ich mich nicht an sie erinnern. Wie Sie sehen, ist es so eine Sache mit der Erinnerung in St. Nichts-Burg.

Ich weine meiner Mutter nicht nach. Es erfüllt mich nur mit einer ständigen Wut.
Früh habe ich verstanden, was die Welt für ein hungriger Ort ist, essen oder gefressen werden, auch wenn Sie das als gebildetes Publikum vielleicht belächeln.

Es ist mir äußerst zuwider, belächelt zu werden.

Dem Lachen entkomme ich zumeist, indem ich mitlache. Nur manchmal gelingt es mir nicht und Entsetzen erfasst mich, weil man mein wahres Abbild sehen könnte.

Sehen Sie, ich habe manchmal kuriose Gedanken. 

Und ich habe mich in meinem Inneren schon immer für ein Krokodil gehalten.

Denken Sie jetzt nicht, ich habe den Verstand verloren. Nein, biegen Sie ihre Mundwinkel nicht zu diesem höhnischen Lachen. Ich will mich kurz erklären.

Für mich ist das Krokodil ein Jäger, der zum Gejagten wurde. Ein wahrer Herrscher, den man in Käfige steckte, als Delikatesse verzehrte, zu einer Kinderattraktion verkommen ließ. 

Ein König in Fesseln. Ein Prädator, den man fälschlicherweise nach St. Nichts-Burg verschiffte, weil ein Beamter mit einem fiesen Krampf in der Wade zwischenzeitlich wohl in das Ministerium für Zooangelegenheiten gewechselt war und an seiner persönlichen Vendetta gegen St. Nichts-Burg weiter Gefallen fand.

Aber ich schweife ab. Wenden Sie sich nicht fort!

Ich bin mir dessen bewusst, nur eine einfache Putzkraft zu sein. Jawohl, ich stehe dazu, die Kloaken und kotverschmierten Toiletten, den von Essensresten fettigen Boden einer Fast-Food-Kette St. Nichts-Burgs vertraglich gebunden reinigen zu müssen.

Aber ich bin gebildeter Abschaum. Wissen Sie, in der Vergemeinschaftungszeit Groß-Nordlands bildete man das Proletariat aus und es gab Volksschulen. Ich schweife ab. Jedenfalls hatte mein Vater zuhause Bücher vorrätig. Jack London insbesondere. Aber auch den einen oder anderen Tolstoi und Dostojewskij. Die las mein Vater früher.
Der Sergej Wodnew, Held der Groß-Nordländischen Arbeit. Jetzt Alkoholiker.
Jawohl, er ist Alkoholiker. Ein elender Trinker.
Ich sag es offen und schreie es ihm auch gerne ins Gesicht. Elendiger ALKOHOLIKER! Zum Kotzen bist du! Zum Kotzen ist diese beschissene Bude! Ich hasse dich. Verdammt.
Es tut mir leid, ich bin zu ablenkbar, zu fahrig.

Eben ist die Staatsanwältin aufgestanden und ich muss sagen, sie ist verdammt attraktiv. Die Toilettenreinigung. Genau. Bei einer Fastfoodkette die es nur in St. Nichts-Burg gibt. Mit drei Filialen. Allesamt weiß, wie der die Stadt unter sich begrabende Schnee. Mit großen rosafarbenen Smileyinstallationen auf dem Dach, die unaufhörlich  zwinkern. Und die Reinigung obliegt mir.
Dort nahm es seinen Lauf.

An einem Montag war ich auf dem Weg zu einer Filiale. Der rosa Smiley drehte sich und grinste mir zu. Ich betrat das Gebäude. Ich machte einige Schritte in Richtung Putzkammer. Diese befand sich in der Toilette.

Ein blutverschmierter Mann lag in der Ecke der Filiale am Boden.
Sein Anzug war khakifarben. Die Krawatte mit Flecken, die ungewollt erschienen. Die Kassiererin, wie auch der einzige weitere Bedienstete des Geschäfts waren nicht zu sehen. Als wäre alles abgesprochen. Es waren keine anderen Leute im Geschäft. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit nicht verwunderlich. Die Tür zur Küche schwang dann auf und heraus trat eine mit einer Skimaske vermummte Gestalt. Nicht besonders groß, aber außergewöhnlich breit. An der Skimaske hing noch das Verkaufsetikett. Er hielt ein Jagdgewehr in der Hand und richtete es auf mich.

„Ich putze hier nur.“ sagte ich unbeholfen, noch nicht ganz begreifend, was hier passiert war.

„Dann fange in der Toilette an“ antwortete mir mein Gegenüber. Seine Stimme klang nach Stimmbandproblemen. Sie raspelte. Er war in einen schweren Pelz eingewickelt und der Saum streifte den verdreckten Boden.

„Bleib dort. Schließe die Tür und halte deine Klappe. Vielleicht erschieße ich dich dann nicht.“ Ich nickte und bewegte mich langsam zur Toilette. 

„Schneller du Scheißhaufen!“

Ich stürzte durch die Toilettentür und schwer atmend verriegelte ich sie mit meinem Angestelltenschlüssel. Es war still. Ich verharrte auf dem Boden und versuchte langsamer zu atmen. Einen kühlen Kopf zu bewahren. Eisige Nachtluft drang aus einem gekippten Fenster. Ich saß auf dem Boden. Aus irgendeinem Grund dachte ich an den Smiley der über mir und über dem Dach in die Dunkelheit von St. Nichts-Burg zwinkerte.
Inzwischen atmete ich wieder regelmäßig und wischte den kalten Schweiß auf meiner Stirn weg. Eine Tür fiel zu. Das Geräusch drang nur schwer und von fern in meinen Kopf.
Dann sah ich die Schraube. Sie lag unter dem Putzschrank.  Ich stand auf und mit dem Aufstehen entwich die Nachtluft aus meinem Kopf. Ein Blick zu dem Lüftungsschacht erhärtete den Verdacht. Mit einem Schraubenzieher aus dem Putzschrank löste ich den metallenen Schutz. Ein lederner Koffer kam zum Vorschein.
Erst traute ich meinen Augen nicht recht, doch meine Instinkte nahmen schnell überhand. Keineswegs war ich zu überrascht gestapelte Groß-Nordland-Rubelbündel vorzufinden.
Meine lebhafte Phantasie hatte diese Möglichkeit selbstverständlich als erste erdacht.

Ich überschlug die Geldbündel grob und kam zu dem Schluss etwa 4 bis 6 Millionen Groß-Nordland-Rubel in der Tasche vor mir zu haben.
Die Tasche steckte ich sofort in den Putzschrank. Schob Waschmittel und Utensilien davor, bis sie verdeckt war. Innerlich dankte ich dem Mann, mich in die Toilette eingesperrt zu haben.
In dem Moment war er für mich ein Botschafter der höheren Vorhersehung. Schicksal, wenn man so will. Die Rettungsleine aus der nicht existenten Stadt.

Was ich mir dabei gedacht habe, als ich die Tasche einsperrte, um sie später mit zu nehmen?
Gar nichts besonderes. Es war die natürlichste Handlung, die es für mich geben konnte. Kein Unterschied dazu, seine Notdurft zu verrichten.

Der Pelzmann hatte die Tasche im Lüftungsschacht nicht gefunden, sonst hätte er mich nicht in die Toilette beordert. Der wahrscheinliche Inhaber war tot, mit einer Kugel in seinem Kopf. Die Polizei würde frühestens am nächsten Morgen oder vielleicht auch niemals da sein. Die Autowege waren verschneit, die Filiale etwas außerhalb von der Stadt und es eilte nicht. 
Ich war arm. Mein Leben bisher ziemlich sinnlos und die Tasche bedeutet ungeahnte Träume, die wahr werden könnten. Einfache Mathematik.

Bei meinem Weg aus dem Fast-Food Laden heraus fiel mein Blick auf die Leiche in der  Blutlache. Das Gesicht des Toten war merkwürdig verzerrt und wirkte ein wenig zufrieden. Der Urheber dieses Ausdrucks war nirgends zu sehen. Leise stahl ich mich davon. Schloss vorher die Tür ab und zog die Rolläden herunter.

Ich habe Recht. Als ich spätabends zurückkomme, ist die Szene unverändert.

Das Blut, in dem der Typ liegt, ist zäher geworden. Die Tasche befindet sich noch immer im Putzschrank. Erleichtert atme ich auf.

Den Abend bis zum Sonnenaufgang verbringe ich am Bahnhof. Niemand ist da. Es fahren zwar Züge in die Stadt und auch welche raus, aber vollkommen ohne Plan. Sie werden von Privaten betrieben, nach dem Prinzip des organisierten Chaos. Wer Kohle hat, kommt raus. Rein kommt man nur aus Versehen oder weil man in St. Nichts-Burg geboren wird.

Ich nutze die Zeit zum Überlegen. Was ich bestimmt weiß ist, dass ich hier weg muss. Nicht nur, dass ich Verdächtiger einer Straftat bin. Ich habe auch selber mit meinem Leben in Groß- Nordland abgeschlossen.
Etwas, ein messerscharfer Gedanke durchtrennt alles was mich hier noch festhalten könnte. ICH MUSS WEG.
Aber wohin? Ich blicke um mich und hoffe auf eine Eingebung von irgendwo her. 
Lasse meine Blicke über die Geschäftsschilder schweifen. WÄSCHE steht da auf Groß-Nordländisch, RESTAURANT in neonfarbenen Buchstaben, dann wandere ich noch einmal mit meinen Augen umher. Und an zwei Wörtern bleibe ich hängen. Völlig aus dem Zusammenhang gerissen. FREE und SHOP.

FREE SHOP denke ich, Free Shop. Wieso Free Shop. Das scheint keinen Sinn zu ergeben. Und wieder fühle ich mich ferngesteuert, eine höhere Macht bedient sich meines neuronalen Schaltwerkes, meiner Synapsen, der Transmitter in meinem Gehirn. 
Die Puzzleteile fallen zusammen: FREE SHOP. Eine Kindheitserinnerung.
Ich war neun und in einer Kneipe. Mein Vater. Er trinkt. Mit seinen Freunden.

Tosendes Gelächter, debiles Stammtischlachen.
Er erzählt einen Witz. Sein Gesicht ist puterrot und Schweiß rinnt seine Stirn herunter.

„Und damals im Grenzland!“ schreit er. „Damals war noch alles gut. Zur Zeit des Groß-Gemeinschaftlichen Paktes.“ Die gesichtslosen Masken der eingeschworenen Trinkrunde nicken einhellig zustimmend. „Damals“, fährt er fort, „gab es die Free Shops. Wisst ihr noch? Da gab es den guten Kram. Das Zeugs, das man wirklich brauchte, aha haha!“.

„Verdammt, ja !“ schreit ihm einer von der gesichtslosen, in den Schatten liegenden, Menschen zu und schlägt auf den Tisch.
Er heißt Kolja, fällt mir in diesem Wachtraum plötzlich dazu ein.

„Haushaltsgegenstände, gute Zigaretten, Schnaps vom feinsten, Whiskey… Jawohl, die Free Shops“.
Mein Vater hebt drohend die Hand.
„Still! Aber…“, erhebt er seine donnernde Stimme, „wir konnten da ja gar nicht hin. Das haben ja die Politbüros so geregelt.“ Einhelliges Nicken.
„Nein. Dazu brauchten wir andere. Andere vom Groß-Gemeinschaftlichen Pakt. Die durften das.“

Eine Kunstpause. ,,Dazu nutzen wir die Tao-Länder! Hohoho, jawohl. Die Exoten waren dazu gut zu gebrauchen. Nicht? Hohoho. Von denen hatten wir ja reichlich Arbeitskräfte.“
Alle stimmen in sein Gelächter ein. ,,Genau, hohoho, die ham das für uns gemacht.“ Das Gelächter verebbt langsam.

Mein Vater wird leiser, die biergetränkte Mannhaftigkeit schwankt: „Aber die ließen sich nicht an der Nase rumführen nicht? Nee. Die waren geschäftstüchtig. Machten aus der Sache ein Geschäft die Schlitzohren. Und wir waren dann die Dummen.“

Er schweigt. Plötzlich brechen alle in ein wohlwollendes Gelächter aus. Er stimmt ein: ,,Hohoho“.

Die Erinnerung stürzt wie ein kaputtes Gebäude zusammen.

Zwei Scheinwerfer scheinen in die Gegenwart, ein Zugzielanzeiger verkündet:

TAO–LAND

Ich steige ein.

Şehbal Şenyurt Arınlı: Brief I

Nürnberg, 18. Oktober 2018

Çalışma masamın üzeri karmakarışık. Kafamın içi, içimin labirentleri de… Çalışma masamın üzeri darmadağınık. Hayatımın kendisi de… Bir çalışma masamın olması çok iyi… Bir de toparlayabilsem! Her akşam toparlıyorum. Sabaha huzurla masamın başına geçebileyim, iki satır ilerleyebileyim diye. Ama her nasılsa, galiba, gece yarıları kalkıp yeniden ortalığı karıştırıyorum. Ne düşünüyorum, nerelere gidip geliyorum ucu bucağı belirsiz. Karışık, karmakarışık işte! Darmadağınık. Belki bu mektupları yazarken biraz toparlanırım. Mesela, şimdilik şu dil kursu kitaplarımı raflara tıkıştırabilirim; yeni geldiğim bu memleketi tanıyacağım diye ortalığa yığdığım onca kitabı, broşürleri, etkinlik tanıtımlarını, programları… Yazmaya çalıştığım, kıvranıp durduğum bana göre ütopya/kimine göre distopya notlarımı çekmeceye sokuşturabilirim; önceleri yazılmış ama yayınlanmamış, yayınlanması için çalışsam iyi olur diye ortalıkta tuttuğum yazılarımı unutabilirim. Ya da memleket dergilerine yazmak için sıralayıp durduğum makaleler/denemeler için aldığım notları, okumam gerekenleri… Neyse ki, film tasarımlarımı çoktan sümen altı etmişim. Şişindiği yerden arada bir burnunu uzatmaya çalışsalar da pek kulak vermiyorum onlara. ‘’Şimdilik film işi çok ağır gelir, bekleyedurun!’’ diyorum. Bu yeni memlekette ‘’tutunma’’ projeleri dosyalarımı da toptan ortadan kaldırmalıyım. Zaten burada bir işe yarar mı belli bile değil! Hadi, ya… en önce ‘kendine haksızlık etme’ klasörünü geri dönüşüme göndersem iyi olacak! ‘’Bu kadar karmaşa içinde, bir yılda bir sürü bir şeyler yapıp durdun işte, daha ne istiyorsun!’’ diyerek yani. Çalışma masamın üstünde bir telaş, bir telaş… Farkındayım, bedenimin hücreleri de zıp zıp zıplıyor! Ne oluyor kardeşim?.. Bir sakin ol! Dölek dur! Velhâsıl masamı toplasam iyi olacak! Sevgili Terezia Mora, Rastlantıların hiç de öyle rastgele olmadığını düşünmüşümdür hep! Rastlantı gibi olanların; başka rastlama maceralarıyla olgunlaşarak özgün bir varoluş kazandıkları yerlerden, gelip geçtikleri/dallanıp budaklandıkları/derleyip topladıkları/değişip dönüştükleri ile zaten oraya varmaktan başka çarelerinin olmadığını… Bulunduğum yerden kademe kademe geriye/dörtbir yöne/gündelik hayatın kılcallarına doğru giderek beni oraya taşıyan tesadüfleri izleme oyununu çok severim. Çok eğlencelidir! Şimdiki soru; ‘’Hangi tesadüfler zinciri bizi bir araya getirdi’’? Bir öneri, iki kabul! Öneriyi yapanın tesadüfler zinciri neydi? Bu öneriye hangi yolculuklardan sonra ve nereden/nasıl gelmişti?… Bir insan tanımadığı birine neden mektup yazar? Yani, şimdi, ben size neden yazıyorum? Siz benimle yazışmayı neden kabul ettiniz? Bunlar, ya ‘gerek’ler, ya ‘zorunluluk’lar, ya ‘ihtiyaç’lar üzerinden yaşayan; yapıp ettiklerini bir temele oturtmadan rahat etmeyen biri olarak bir zemin arayışı soruları galiba ve şimdi buna verebilecek bir cevabım yok sanırım. Gerçi, bu soruların bir önemi var mı, onu da bilmiyorum ya! Belki de cevabı yazışmaların ilerleyen süreçlerinde –birbirimizi tanıdıkça- birlikte keşfederiz, kim bilir?………….


übersetzt von Sabine Adatepe

Nürnberg, 18. Oktober 2018 

Auf meinem Schreibtisch herrscht Tohuwabohu. Ebenso wie in meinem Kopf und den Labyrinthen in mir. Auf meinem Schreibtisch herrscht wildes Durcheinander. Wie auch in meinem Leben. Wie gut, dass ich einen Schreibtisch habe. Wenn es mir nur gelänge, Ordnung zu schaffen! Jeden Abend räume ich ihn auf. Damit ich mich in Ruhe und Frieden am nächsten Morgen daransetzen kann und zwei Zeilen vorankomme. Irgendwie aber stehe ich wohl mitten in der Nacht auf und bringe ihn wieder durcheinander. Ungewiss, was ich denke, wo ich mich herumtreibe. Durcheinander, Chaos! Wildes Chaos! Vielleicht gelingt es mir, beim Schreiben dieser Briefe ein wenig Ordnung zu schaffen. Jetzt könnte ich doch die Bücher vom Sprachkurs im Regal verstauen, ebenso wie all die Bücher, Broschüren, Veranstaltungsflyer, Programme, die ich ringsum aufgestapelt habe, um das Land kennenzulernen, in dem ich neu bin. Die Notizen zu der Utopie, manche meinen, es werde eine Dystopie, die ich mühsam zu schreiben versuche, könnte ich in die Schublade stopfen, könnte die unveröffentlichten Texte, die ich griffbereit halte, weil ich denke, es wäre gut, wenn ich mich um ihre Veröffentlichung bemühen würde, endlich aufgeben. Ebenso wie die endlos aufgereihten Stichworte für Artikel, Essays für Zeitschriften in der Heimat und all das, was ich noch lesen müsste. Immerhin habe ich Filmideen längst unter die Schreibtischunterlage geschoben. Wo sie sich allzu sehr drängeln, strecken sie zwar manchmal die Nase heraus, aber ich leihe ihnen kaum ein Ohr. „Filmemachen ist im Augenblick extrem schwierig, wartet ein bisschen“, raune ich ihnen zu. Auch die Akten mit Projekten, um hier im neuen Land „Halt zu finden“, sollte ich allesamt beiseite räumen. Ohnehin ist ungewiss, ob sie hier zu etwas nütze sein würden. Komm, los jetzt, es wäre gut, zuerst einmal den Ordner „Tu dir kein Unrecht“ auf Wiedervorlage zu verschieben. Mit Fug und Recht kann ich mir sagen: In dem einen Jahr hast du in all dem Wirrwarr doch eine Menge getan, was willst du mehr! Aufregung herrscht auf meinem Schreibtisch und Stress. Das weiß ich wohl, die Zellen meines Körpers hüpfen auf und ab. Was ist denn los? Komm runter! Relax! Kurz, ich sollte dringend meinen Schreibtisch aufräumen. Liebe Terézia Mora, seit eh und je denke ich, Zufälle sind gar nicht so zufällig! Denke, was wie ein Zufall aussieht, was, in anderen Zufallsabenteuern gereift, eigene Existenz gewonnen hat, mit allem, was es streifte, was es verzweigte und komplizierte, was es auflas und zusammensuchte, veränderte und verwandelte, hatte gar keine andere Chance, als genau an diesen Punkt zu gelangen. Ich liebe das Spiel, von meinem Standpunkt aus Stufe um Stufe zurück, in alle vier Winde, in die geheimsten Winkel des täglichen Lebens einzutauchen und all die Zufälle zu verfolgen, die mich hierher gebracht haben. Das macht richtig Spaß! Jetzt lautet die Frage: Welche Zufallsverkettung hat uns zueinander gebracht? Eine Offerte, zwei Mal Zustimmung! Was war die Zufallskette auf Seiten derer, die das Angebot unterbreiteten? Nach welchen Reisen, wie und woher kamen wohl sie auf diese Offerte? Warum schreibt man jemandem, den man nicht kennt? Warum also schreibe ich Ihnen jetzt? Warum haben Sie eingewilligt, mit mir zu korrespondieren? Fragen auf der Suche nach einem Fundament, von einer Person, die anhand von „Notwendigkeiten“ oder „Zwängen“ oder „Bedürfnissen“ lebt und keine Ruhe gibt, ehe sie das, was sie tut, auf ein Fundament gestellt hat, und für den Augenblick habe ich darauf keine Antwort. Ja, ich weiß nicht einmal, ob diese Fragen überhaupt von Belang sind. Vielleicht entdecken wir die Antwort in späteren Stadien unserer Korrespondenz, wenn wir uns näher kennenlernen, wer weiß?………………


Şehbal Şenyurt Arınlı

Aus dem Buch „Zwei Autorinnen im Transit – Ein Dialog“ 

Übersetzung von Sabine Adatepe

binooki Verlag

Carolin Wabra: Fidgetspinner

Etwas liegt in meiner Hand. Es ist silber glänzend mit rosa-türkisfarbenen Streifen. „Metallic“, hat die Verkäuferin gesagt. „Total angesagt zur Zeit. Das geht weg wie..naja sie wissen schon…warme Semmeln, frische Schrippen, brandneue Brötchen. Meine Neffen haben das auch fährt sie fort. Und deren ganze Klasse. Zweimal hab ich schon eine neue Lieferung bestellt. Die Leute reißen es mir aus der Hand. Nur 7,50 Euro, kostet das und ist dabei jeden Cent wert. Das beruhigt die Nerven, sagt meine Tochter auch, das ist nicht nur Spielzeug für die Kids, sondern auch was fürs Hirn. Ich hab so viele Kunden die darauf schwören, wegen dem ganzen Stress heutzutage…wird ja alles immer schnelllebiger, die neuen Medien und die Erreichbarkeit. Naja sie wissen schon.“

„Das nehm ich“, habe ich gesagt. Habe das Geld aus meinem schwarzen, durchgegessenen Geldbeutel gefischt und in ihre rauen Hände gelegt, deren Fingerkuppen schon ganz wund waren.

Jetzt halte ich es in meiner Hand. Ganz kalt ist es, aber auch wenig weich. Es liegt gut darin. Ich stupse es leicht an als es auf meiner Fingerspitze liegt. Ganz behutsam bringe ich es in Bewegung, so als würde ich den kleinen Hundewelpen meiner Nachbarin das erste Mal mit vor die Tür nehmen, um ihm diese große weite Welt zu zeigen.

Ganz tapsig dreht sich auch das schimmernde Ding auf meinem Finger. Es strauchelt etwas, fängt sich aber schnell und kommt in Bewegung. Immer schneller wird es je öfter es seine Runden auf meiner Fingerkuppe dreht. Die Geschwindigkeit zieht mich in den Bann, kleine Reflexionen die, die das Licht auf der Oberfläche zeichnet laufen die Wände meines Zimmers entlang. Es ist so schön. So unfassbar schön.

Das habe ich geschaffen. Alleine, ich, hier, in meinem Zimmer. So stolz war ich das letzte Mal nach dem Abitur. Glaube ich. Habe ich aber vergessen.

Vermutlich war ich nie wirklich stolz. Auf was denn auch. Die abgebrochene Ausbildung und den Job an der Tanke, den ich habe seitdem ich 15 bin. Stolz kann man darauf nicht sein. Vor allem nicht, wenn alle, um dich herum etwas Richtiges studieren.

Als sie noch studierten konnte ich auf sie herabblicken. Schließlich hatte ich ein festes Gehalt, arbeitete 40h. Begrüßte Kunden, füllte Regale auf, langte Kaffee und Leberkäse über die Theke und nahm mir Samstagabend die liegengebliebene Motorsport und die Zeitungen ab 18 mit nach Hause. Ein systemrelevanter Arbeitsplatz würde man wohl sagen. Damals haben sie mich noch beneidet, redete ich mir ein. Sie, die mit dem Fahrrad zu mir kamen und Bier und Zigaretten zu kaufen, sie die mit weniger als 800 Euro im Monat auskamen und den Kopf voller unwichtiger Texte hatten von Menschen die schon längst nichts mehr zu sagen hatten.

Die langen Studienjahren holen die nie wieder auf, glaubte ich. Bis ja, bis sie ihr Studium beendet hatten, ihre Haare kürzten, ihre Moralvorstellungen gegen regelmäßige Gehaltseingänge und das Fahrrad gegen die neue C-Klasse tauschten. Dann merkte ich dass ich es war der sie beneidete.

Jetzt grinsten sie mich halb feixend, halb mitleidig an, wenn sie zu mir kamen. Na, immer noch hier? Ja, ja, doch. Macht Spaß, gut bezahlt. Ja, ja. Gehört dir der Laden mittlerweile? Ne, nee. Ich bin da bescheiden, so. Ist ja auch schwierig so ohne Abschluss. Naja, der steinige Weg ist der lohnende und so…sie wissen schon. Da habe ich bemerkt, dass ich es war der die ganzen Studienjahre nicht mehr aufholte, der, der stehengeblieben war. Der, der es zu nichts gebracht hat in dieser Gesellschaft in der es doch alle irgendwie zu irgendwas bringen müssen.

Aber jetzt. Jetzt bringe ich etwas in Bewegung. Kein Stillstand mehr in meinen Händen, nur noch Geschwindigkeit, Fortschritt. Ich bin gottgleich, allmächtig. Ich bin alles. Ich bin alles durch dieses metallische Geschöpf. Der dreifaltige Kreisel in meinen Händen. Ein beruhigendes Zischen füllt die Stille um mich herum aus. Ich stelle mir vor, dass wir gemeinsam abheben. Dass sich das schimmernde Ding von meiner Fingerspitze bewegt, nach oben steigt und mich mitzieht an die Decke meines Zimmers. Dann stoßen wir beide gegen den rauen Putz. Ein dumpfes Geräusch macht das. Dann ist. der Hype vorbei.

Eve Massacre: Zombieträume

Es ist sonnig, die Luft ist zäh wie die Zeit, fast geronnen. Es treibt mich. Was, bleibt ungenau, aber die Angst sitzt im Magen. Unförmige Hände, glibbrig, glitschig, wabernde Haut, überall Körper, versuchen zu fassen, drängen, gleiten ab, gleiten ab, gleiten ab. Ich schiebe mich durch, dränge, renne, laufe, gehe, spaziere durch den Sommertag, die Straße liegt wieder leer vor mir. Häuser ohne Eingänge, Fenster wie gezeichnet. Ich erinnere mich selten an Träume, aber wenn, dann waren es in den letzten Jahren fast immer welche mit Zombies. Langsamen Zombies, wie es sich gehört. So auch dieser vor ein paar Tagen. Ich wache auf, es ist noch dunkel, die Furcht aus dem Traum hängt in den Schatten, aber ich weiß ja, im Haus bin ich sicher. Ich geh pinkeln, nur halb wach, bin so müde, will nicht ganz aufwachen, aber weiß, wenn ich jetzt weiterschlafe sinke ich wieder in diesen Traum. My private Elm Street. Ich schlafe wieder ein, träume den Traum weiter, und wache endlich erschöpft auf. Der Traum hängt den ganzen Tag in den Falten der Luft, immer nur einen Windhauch entfernt. Den ganzen verdammten sonnigen Tag, der so zeitlos verstreicht wie der vorherige. Corona hat neue Zeitempfinden geschaffen. Für die Daheimbleibenden ticken die Uhren anders als für die da draußen.

Ich muss an It Follows denken, einen hervorragenden Zombiefilm ohne Zombies. Er trifft den Zeitgeist indem er in einem seltsamen Zeitvakuum schwebend verharrt. Zombiefilm, weil es darin um untote Figuren geht, die dich verfolgen. Langsam, aber unausweichlich verfolgen. Du hast immer genug Zeit, wegzurennen, aber sie verschwinden nicht. Außer du hast Sex mit jemandem, dann überträgst du sie, wie eine Infektion, auf diese Person. Der Film spielt in einer zeitlosen Zeit, es gibt schwarzweiß Fernsehen, aber auch E-Reader, er legt sich auf kein wann fest. Diese ungewisse Zeit, ein Fehlen der Zukunft, eine Geschichtsenthobenheit, eine Gleichzeitigkeit aller Zeiten, ein hektisches Verharren, so wird unsere Ära gern beschrieben. In einem Faststillstand kurz vorm Weltuntergang gefangen. Wir sind nicht vor einer Zukunft und wir sind nicht nach etwas, wir sind jetzt, für mehr fehlt uns die Luft und wir fühlen uns, als wären wir auf Dauer damit beschäftigt, gegen die verdammten Zombies ankämpfen zu müssen, bevor wir ernsthaft eine Zukunft angehen können. Selbst die Zombiegeschichten selbst sind ihrer Geschichte enthoben, die, wie mich erst kürzlich ein Freund erinnerte, ja ihre Wurzeln in einer kolonialen Historie von haitiianischen Sklavenaufständen und Voodoo haben. Unter den heutigen sind die meisten der bekanntesten aber, von Walking Dead über Zombieland bis World War Z, auf einen pandemischen Gehalt reduziert, vielleicht noch mit ein bisschen Angst vor Überbevölkerung gespickt.

Zombies nicht nur in meinen Träumen, sondern auch als Hype der Stunde, mal wieder. Als Bild liegt das nahe, und wer kann, verschanzt sich drinnen vor dem Rest der Menschheit, der zum Fremden, zum unverstehbaren feindlichen Element geworden ist. Gerade als meine Selbstquarantäne wegen Corona anfing, habe ich einen Vortrag überarbeitet, in dem ich mich gegen Sicherheit ausspreche, angesichts einer Politik, die zunehmend unreguliertes öffentliches Leben als Bedrohung denkt, und prompt kommt die Pandemie, in der die Anwesenheit von vielen Menschen im öffentlichen Raum fast nur noch als potenzielle Gefahr gedacht werden kann. Danke auch.

Zombies also. Simon Pegg und Nick Frost haben einen kurzen Clip mit Corona-Tipps gedreht, in dem sie Shaun of the Dead wiederaufleben lassen. Es gibt jetzt schon einen Film namens Corona Zombies. Es gibt ein Meme, das eine sonst vielbefahrene Straße in Atlanta zeigt, die wegen der Corona-Ausgangssperre menschenleer ist, und daneben ein Bild derselben leeren Straße aus einer Szene in The Walking Dead. Ein anderes Bild, das zum Meme wurde, zeigt schreiende Protestierende in Ohio, die an eine geschlossene Glaseingangstür drängen und fordern, dass die Geschäfte wieder aufmachen. Eine Frau mit USA Flagge, ein Mann mit Trump-Käppi, ein Mensch mit Anonymous-Maske im Hintergrund, es wirkt wie eine Szene aus einem Romero-Film, und das Bild wurde schon mit allen möglichen kommentierenden Titeln wie “28 Business Days Later” oder “Dawn of the Braindead” gepostet.

Ach ja, eher Zufall, aber auch Zufälle gehören zur Hypebildung: Das Video zum Cranberries-Hit “Zombies” erreichte vor ein paar Tagen eine Billion Views auf Youtube. Daniel W. Drezner schreibt auf Foreign Policy darüber, wie uns Zombieapokalypse-Filme auf die Pandemie vorbereitet haben: Sie beschreiben meist den hohen Grad von Hilflosigkeit von nationalen Regierungen und Bürokratien angesichts einer internationalen Katastrophe. Er verweist aber auch auf die Lücke, die Zombiefilme haben: Sie zeigen nie lange die Übergangszeit, den Zusammenbruch der Gesellschaft, sondern immer bald kleine Gruppen übriggebliebener Menschen, die den anderen Menschen zum Wolf geworden sind. Da stimme ich ihm zu: Die Solidaritäten, die sich derzeit bilden, die kreativen Seebrücken-Demos, die Masken-Nähenden, die Menschen, die nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass die sogenannten systemrelevanten Berufe viel zu schlecht bezahlt sind, und die nach mehr sozialer Hilfe für alle rufen – sie tauchen in den modernen Zombiegeschichten nicht auf.

Laurie Penny schreibt auf Wired über das Gegenteil wie Drezner, nämlich darüber, auf was uns die ganzen Zombieapokalypse-Filme nicht vorbereitet haben. In ihnen sind Menschen immer abgeschnitten vom Rest der Welt, die Fernseher, Computer, die Nachrichten erlöschen nach und nach. So auch in Tim Maughans Science Fiction Infinite Detail vom letzten Jahr, in dem er durchspielt, was gesellschaftlich passiert, wenn es plötzlich kein Internet mehr gäbe. Menschen sind komplett auf Kontakte in ihrer lokalen Umgebung zurückgeworfen. Er hat sich schon auf Twitter beschwert, dass jetzt das Gegenteil eingetreten ist: Wir sind in unserer lokalen Umgebung physisch isoliert, aber das Internet erhält unsere soziale Verbundenheit aufrecht, Webcams sind ausverkauft und das Netz glüht vor Videokonferenzen und Livestreams, und versorgt uns mit Nachrichten von überall her, Onlineproteste und -diskussionen organisieren sich. Wir bekommen alles mit, können alle Facetten der Ereignisse mit Menschen aus aller Welt diskutieren.

Eins meiner ersten Auffangnetze in der Selbstquarantäne war ein Slack, das ein britischer Twitterbekannter aufgemacht hat, der in Barcelona in kompletter Ausgangssperre daheim saß, und in dem sich vor allem Menschen aus den verschiedensten Ecken Europas trafen, die sich zum Großteil nicht kannten, und sich ihren Alltag erzählten, sich emotionalen Support holen konnten, sich Film- und Musiktipps gaben, von Projekten erzählten, an denen sie gerade arbeiten und natürliche alle möglichen News und Einschätzungen und Politikdiskussionen zu Corona. Eine kleine Wahlfamilie für eine Weile, für mich sehr tröstend in ihrer Internationalität. Ich liebte sie schon immer, meine Internet-Zufallsfamilien.

Aber zurück zu meinen Zombieträumen. Sie würden sich nicht als Filme eignen, weil viel zu wenig passiert. Der eigentliche Horror liegt in der dauernden Angespanntheit und Wachsamkeit, zu der sie mich zwingen. Wie ein Hai, der ständig in Bewegung bleiben muss, weil er sonst erstickt. Ich mag Zombiefilme. Theoretisch. Praktisch kommen sie mir inzwischen manchmal zu nah, seit mir die Welt immer mehr aus den Fugen zu geraten scheint, ich mich bei aller Aktivität oft ohnmächtig fühle. Private Ohnmacht, weil große Teile meiner Tätigkeit und Möglichkeiten erst wegen einer Brandstiftung für Monate lahmgelegt wurden, und jetzt durch die Pandemie. Politische Ohnmacht, angesichts nicht verödender frauenfeindlicher und heteronormativer Strukturen, menschenverachtender Flüchtlings- oder HartzIV-Politik, aber auch Ohnmacht angesichts von Menschen, die in Verschwörungstheorien oder weirde Ideologien hineinrutschen, und nicht mehr durch Worte zu erreichen sind. Worte, für die ich auch nicht mehr so oft die Geduld aufbringe. Vielleicht auch deswegen Zombieträume: Wegen einer Gesellschaft, die dir scheint, als gäbe es in ihr immer mehr Menschen, die du nicht mehr erreichen kannst, die keine solidarische soziale Basis mit dir teilen. Oder ganz ins abstrakt Psychologische gehend: Vielleicht auch einfach Angst, dass Menschen, die dir etwas bedeuten, zu Fremden werden könnten. Ein Leben führen, das so anders ist, mit Zielen und Träumen, die sich so weit von deinen entfernen, dass wir einander Zombies werden. Eine der anderen, einer dem anderen. Wir müssten einander die Hirne nicht nur aus den Schädeln zerren, um einander zu verstehen, wir müssten sie fressen. Dantons Untod. Einander fremd werden zu können, hat mir schon immer mehr Angst gemacht als Fremde.

Das Gefühl des unausweichlich kommenden Horrors, den ich nur hinauszögern, aber nicht abwenden kann, den mein Zombietraum hinterließ, begleitete mich einen ganzen Tag lang in leisen Echos. Nicht dauernd präsent, eher wie Wellen, die sich zurückziehen und manchmal dann doch wieder so weit den Strand hochschwappen, dass sie dir um die Knöchel spielen. Bis in den späten Nachmittag hinein spürte ich immer mal wieder eine leise Furcht vor dem nächsten Schlaf, in dem ich wieder zurück in diese Welt geraten könnte. Je näher das Einschlafen rückte, desto ruhiger wurde ich aber und spürte ganz antiklimaktisch: heute wird keine dieser Nächte sein. Heute kriegen sie mich nicht.