Margret Bernreuther: geist

Jeden Morgen wenn ich die Wohnung verlasse entdecke ich unten auf der Ablage bei den Briefkästen neue Figürchen oder andere Haushaltsgegenstände.
Oft sind es kitschige aber nicht besonders hochwertige Porzelanfiguren. Manchmal ein Gewürzglasrondell, gestern stand ein Kochbuch zur Anleitung für fettreduzierte Ernährung dort.

All diese Gegenstände sind sehr bunt zusammengewürfetlt. So war neulich auch mal ein aufwendig bestickter Fächer in einer mit Stoff bezogen Schachtel dort zu finden. Auf dem Fächer zwei Pandabären die unter einem blühenden Kirschbaum spielen. Die Kiste mit goldenen und roten Stoff besponnen. Auf den ersten Blick, insgesamt ein hübsches Ding, aber trotzdem konnte die Verpackung und Gestaltung dieses Fächers, dennoch nicht die mangelnde Wertigkeit der Sache verbergen.
Es wirkte bei genaueren hinschauen eher wie ein Gegenstand aus einem günstigen Souvenirladen der gar einem AsiaShop aus der Innenstadt, bei dem neben der Tütensuppe und den Gewürzsossen, das ein oder andere Handwerkszeug verscherbelt wird.

So wie all die Dinge die dort stehen keinen kostspieligen, aber im ganzen doch vielleicht ideellen Wert darstellen. 

Hinunterstellen tut sie unser Nachbar. Da bin ich mir sehr sicher. Ich habe ihn zwar noch nie direkt dabei erwischt. Aber da wir ansonsten ein sehr junges Haus haben, bin ich mir sicher, daß die Gegenstände aus seiner Wohnung stammen.
Herr Schag wohnt im Stock über uns. Er ist über 80 Jahre alt und ist derjenige der schon immer hier gewohnt hat. Unzählige WGs und junge Menschen hat er schon ein und ausziehen erlebt.
Die früher noch regelmäßigen Hoffeste hat er immer wohlwollend vom Balkon aus mit erlebt, konnte sich aber trotz mehrmaligen einladen, nie dazu aufraffen zu uns hinunter zu kommen.

Zusammen mit seiner Frau standen sie dann also manchmal für längere Zeit am Balkon und schauten sich an, was da so alles los war in unserem Hof.
Noch nie gab es auch eine Beschwerde wenn eine Feier länger dauerte, oder gar das aufräumen am nächsten Tag allen beteiligten sehr schwer fiel und es sich bis in die kommende Woche hineinzog, das alles wieder an Ort und Stelle war.

Mit der Zeit und mit den Jahren lies aber auch die Anteilnahme vom Balkon aus immer stärker nach.
Seiner Frau ging es nicht mehr so gut. Sie wurde dement und ihr gemeinsames Konstrukt fing an zu bröckeln. Wir im Haus hatten schon einiges an Erfahrung mit dementen Bewohnerinnen.
In der Wohnung nebenan wohnte eine italienische Nona, die trotz hochgradiger Demenz noch bis ins hohe Alter in Schlappen auf ihrer Vespa zum einkaufen gefahren ist. Manchmal hat sie sich verfahren und dann gab es wieder große Sorge und die Kinder haben sie mit uns zusammen gesucht.
Irgendwann wurde den Kindern klar, daß sie ihre Mutter nicht mehr in unserer Verantwortung lassen können. Und sie ist, vermutlich zum sterben nach Italien gebracht worden.

Frau Schag die freundliche Nachbarin, ereilte kein so schönes Schicksal. Ihr Mann versuchte es eine zeitlang damit, sie einzusperren. Aber nachdem sie auch in der Wohnung dann Dinge nicht mehr so hinterlassen hat, wie er es gewohnt war und man sich nicht mehr darauf verlassen konnte, dass sie das Essen richtig kocht und überhaupt die Dnige tut, wozu man doch so eine Frau hat, hat Herr Schag sie ins Altenheim gebracht. Ich verwende seine Worte.
Ich weiß nicht wieviel Liebe da jemals im Spiel war. Und auffällig fand ich es schon immer, das wir noch nie eines der 3. Kinder bei uns im Haus angetroffen haben.

Dieses alte Pärchen, deren Leben nach Erzählungen von Frau Schag nur aus Arbeit bestand. Ich kann nicht beurteilen, ob sie glücklich waren oder nicht. Und noch weniger kann ich die Dinge beurteilen die Herr Schaag nun langsam aus der Wohnung räumt.
Für ihn anscheinend wertlose Dinge, die seiner Frau gehören.
Sie wird nicht wieder zurück kommen und er hat keine Verwendung dafür. Aber direkt in die Mülltonne werfen möchte er sie auch nicht. Dafür hängt vielleicht der Geist seiner Frau zu sehr an diesen Dingen.
So machen sie vielleicht nochmal eine Zwischenstation. In einer der WG’s. Oder so wie bei uns. Der kleine Fächer mit den spielenden Pandabären.

Würde Herr Schaag in anstatt ihn zu verschenken, seiner Frau ins Altenheim mitbringen, würde sie sich vielleicht an die Reise nach China erinnern, die sie vermutlich nie gemacht haben.


 

Margit Heumann: Nacht(un)ruhe

Tock-tock-tock. Was klopft mit dem Mitternachtsschlägen vom Kirchturm um die Wette? Pünktlich zur Geisterstunde ein Gespenst?

„Blödsinn“, denkt Alfred, „das ist mein überreiztes Gehirn.“

Tag und Nacht lassen den Waffenproduzenten seine Geschäfte nicht los. Irgendwo ist immer Krieg und es wird nicht einfacher, Exportverbote für Rüstungsgüter zu umgehen und sowohl Aggressoren als auch Verteidiger zu beliefern. Deswegen leidet er unter chronischer Schlaflosigkeit, schon seit Wochen, keine Nacht macht er ein Auge zu. Was Wunder, dass er an Halluzinationen leidet.
„Ich brauche dringend einen Arzt“, murmelt er vor sich hin.

Es klopft wieder. Diesmal an der Tür. Länger und lauter.
„Wer kann das sein?“ Seufzend wirft sich Alfred einen Mantel über und öffnet.

„Da bin ich!“ Draußen steht eine hagerer, fast durchscheinende Gestalt, Stethoskop um den Hals, OP-Maske, OP-Haube, Stirnlampe, Brille. Offensichtlich ein Arzt. In weißem Kittel mit goldenen Knöpfen, wohl ein Professor oder Primarius. „Sie haben mich gerufen?“

„Das ist … das ist ja wie Geisterbeschwörung“, stammelt Alfred. „Aber wenn Sie schon mal da sind: Ich schlafe schlecht, seit Wochen mache ich keine Nacht ein Auge zu. Ich höre und sehe schon überall Gespenster …“

„Ihnen kann geholfen werden“, antwortet der Arzt. „Schuld ist die Seele.“

„Zum Teufel mit der Seele! Ich glaube nicht an Esoterik.“

„Jeder Mensch ist von Natur aus beseelt“, erklärt der Arzt.

„Und Sie können Seelen kurieren?“

„Kurieren nicht, aber davon befreien.“

„Eine Operation?“ Der Gedanke gefällt Alfred nicht.

„So ähnlich, aber völlig schmerzfrei.“

„Ich kann es mir nicht leisten, lange auszufallen.“

„Keine Sorge! Ich verfüge über genügend Mittel, die ihre Geschäfte erst richtig anzukurbeln.“

Alfred bekommt glänzende Augen. „Solche Mittel gibt es? Her damit!“

„Moment. Sie müssen mir dafür Ihre Seele verkaufen.“

„Herzlich gern.“ Als Manager weiß er, dass es kein Geschäft ohne Gegengeschäft gibt. „Und was sind das für Mittel?“

„Kokain. Opium. Ecstasy. Speed. Sie erleichtern den Soldaten die Kriegsführung.“

Alfred begreift das Geschäftsmodell im Handumdrehen. „Genial. Je mehr Ihrer Rauschmittel ich umsetze, desto mehr Waffen werden gebraucht.“

„Und umgekehrt! Eine Win-win-Situation für uns beide. Und ohne Seele schlafen Sie trotzdem gut.“ Er hält ihm die Hand hin. „Deal?“

Alfred zögert keinen Augenblick. „Deal!“, bestätigt er und schlägt ein.
„Eine Frage noch, reine Neugier: Was wird aus meiner Seele?“

Im Weggehen macht der Mann eine gleichgültige Handbewegung. „Sie haben es ja selbst gesagt: Zum Teufel mit der Seele.“

Der Arztkittel weht hinter ihm her und das Klopfen eines Pferdehufs hallt durch die Nacht. Alfred schlottern die Knie. Er friert, als hätte ihm jemand die Kleider vom Leib gerissen.

„Da hol mich doch der Teufel“, stößt er zähneklappernd hervor und geht zurück ins Bett. „Aber das ist mir meine Nachtruhe wert.“

Das Ein-Uhr-Läuten der Kirchturmuhr hört er schon nicht mehr.

Matt S. Bakausky: Der Geist

Um mich kreist ein Geist. Der mir alles Mögliche zeigt.

Tolle Autokennzeichen mit Schnapszahlen, Müll auf der Straße, Polizeiautos, traurig oder böse schauende Menschen …

Der Geist ist es, der mir all das zeigt.

Mal eine Katze, die hastig über die Fahrbahn läuft, mal die roten Lichter des Turms des Energieunternehmens, mal den Mond, mal eine Straßenlaterne.

Doch der Geist ist in letzter Zeit unzuverlässig geworden.

Wenn ich Musik höre über Kopfhörer und in der Straßenbahn sitze, zeigt mir der Geist Menschen, die über mich reden, schlechte Dinge sagen.

Ich mag den Geist nicht mehr besonders, früher waren wir Freunde.

Jetzt weckt er mich mitten in der Nacht auf und ich höre einen Nachbarn meinen Namen sagen. Oder ein lautes Hämmern im Haus.

Der Geist hat angefangen zu spuken.

Ich vermisse den freundlichen Geist, der mir Schnapszahlen auf der Uhr zeigte.
Der mir zeigte was ist.

Jetzt fühle ich mich durch den Geist gemobbt.
Ich würde ihn gerne loswerden, aber ich weiß nicht, ob das überhaupt geht.

Er zeigt mir noch manchmal ein gutes Buch, meistens zeigt er mir jedoch Geräusche im Haus. Eine Klospülung, ein Bohren, Stimmen. Er lässt mich weniger schlafen.

Ich kenne den Geist seit Jahrzehnten. Er war schon immer da. In letzter Zeit ist er unzuverlässig geworden.

Aber ohne ihn kann ich nicht.

Ella Carina Werner: Brüste

Wenn er Brüste hätte, sagte kürzlich ein Bekannter von mir und verdrehte schwärmerisch die Augen; oh wenn er Brüste hätte, dann würde er andauernd an diesen herumspielen, den ganzen Tag! Ob wir Frauen denn nicht dadurch im Alltag stark abgelenkt seien; ob wir nicht den ganzen Tag heimlich daran herumkneten würden, ob wir wollten oder nicht?

Der Mann hat natürlich recht. Natürlich wollen alle Frauen immerzu an ihren fabelhaften Brüsten herumfummeln, daran herumwalken wie an zwei rohen Brötchenteigbatzen, was könnte herrlicher sein.
Das ist auch der Grund, weshalb Frauen in den vergangenen Jahrhunderten nicht so viel zustande gebracht haben, Stichwort Karriere. Wie soll man auch ein Studium abschließen, wenn man die herrlichsten Spielzeuge vor der Nase hat?

Es heißt, Marie Curie war clever und habe bei der Arbeit ein extrem sperriges Korsett getragen, das sie an der Fummelei gehindert hat, das war ihr Glück.
Die chemischen Elemente Polonium und Radium wären sonst bis heute nicht entdeckt (Mutmaßung).

Jasper Nicolaisen: Sex-Adventskalender

Geschäftsidee:
Ich mache dieses Jahr so einen Sex-Adventskalender, in dem aber ungewöhnliche, teils wirklich anregende, teils bisschen „esomäßige“, aber auch absurde und traurige Überraschungen in jedem Säckchen sind. Bestallung mal so aus der Hüfte wie folgt.

1. Tasse mit Klitorisverherrlichung

2. Ein Fisch aus Schokolade

3. Ein altes Sega-Spiel, wo aber die Kontakte feucht glänzen

4. Ein Hund aus Kastanien

5. Badezusatz (Rosmarin/Rose/Sand)

6. Erdnussbutter

7. Eine neckische Satinmaske, wo über beiden Augen Augen aufgemalt sind

8. Das Rezept für Sperma, das mal in der testcard war

9. Zwei fickende Nikoläuse

10. Ein Zettel mit einer besinnlichen Frage zu „Slow loving“

11. Kleiner Pflaumenschnaps

12. Schokoriegel (wegen der Geschichte mit Mick Jagger und dem Schokoriegel)

13. 50g Mehl, 50g Zucker, 1 Tasse Öl

14. Eine Walnuss, ein Stück von einem Gartenschlauch, das Mundstück einer Posaune und mehr Öl, zum Üben von Analverkehr

15. Sprühsahne, leicht überm Haltbarkeirsdatum

16. Eine Peitsche aus Wolle

17. Ein Musterbuch mit ganz kleinen Stoffstücken (auch Kunststoffe) zum „Fetischschnuppern“

18. Hundekostüm zum Ausschneiden (Ohren, Nase, Schwanz)

19. „Zauberpille“, die dich in einen Mann verwandelt (Süßstoff)

20. Streichhölzer, die aussehen wie ein Harry-Potter-Zauberstab

21. Ein Zentimetermaß

22. Holz

23. Sehr klein gedruckte Werkausgabe von James Joyce

24. Unterwäsche in Obstform

25. Alles von vorne.

Juliane Kling: Dynamit

Wie du da jetzt vor mir stehst, weiß ich nicht, wie ich dir jemals das Gefühl geben konnte, dass du nicht schön genug bist. Dass du es nicht wert bist, geliebt zu werden, nicht von dir, von mir oder von irgendwem.
Die Luft ist schwer und feucht, ballt sich rund um dein Gesicht, das von der heißen Dusche  leicht gerötet ist. Du nimmst das Handtuch und du schaust mich an.
Fragst stumm, ob ich noch warten kann.

Am liebsten fällst du, wenn du ganz alleine bist. Du weißt, dass mir das nicht gefällt, aber im  Grunde ist es das, was uns zusammenhält. Und ja, mein Herz, ich weiß, wie sehr du dich zerrissen hast. Dich gebeugt, geflickt und wieder aufgehoben hast.

Und um nicht nochmal zu brechen, bist du gerannt. Hast deine Hölle weit ins Innerste verbannt.
Und als du in deinen Schuhen nicht mehr laufen konntest, bist du barfuß gegangen, um den Regen zu spüren und den Asphalt unter deinen Füßen.
Ich hab gesagt, ich trage dich, doch du meintest, ein Vergessen gibt es nicht. Nicht in einem Kopf, in dem die Wände Augen haben und Erinnerungen Waffen tragen.

Ich hab gekämpft um dich und mich, aber schlussendlich hast du doch gewonnen, mir mit deinen Argumenten jedes Wort genommen. Du hast gemeint, wo willst du hin mit mir, mit dieser ewigen, verfluchten Suche nach dem Wir?

Und so blieben meine Bitten haltlos wie der Wind, der in seiner Halbherzigkeit nicht einmal Papier zum Fliegen bringt. Du lässt das Handtuch fallen und du siehst mich an. Sagst, dass du es leid bist, den Karren immer wieder selbst aus dem Dreck ziehen zu müssen. Und dass du nur mit mir fickst, um nicht mehr denken zu  müssen.
Ich weiß, dass du mich bloß verletzten willst, weil dein Hass dir gleich beim Springen hilft. 

Mein Blick wandert an deinem Körper entlang, vom Hals bis zu den Beinen schau ich dich an. Du bist  so schön, dass es mir die Sprache raubt. Du öffnest die Arme und mein Atem wird laut.
Und als ich dich anfasse, spüre ich das Dynamit in deiner Brust, fühl die Wut und den Schmerz und den tiefen Verlust. Und ohne Sinn und ohne Verstand verlierst du dich in meinen Händen, erlaubst mir, dich zu lenken und den Sturm abzuwenden.
Und als du kommst, schlägt dein Herz ganz wild und frei, du bebst und du seufzt und dann ist es vorbei. Du weichst schon zurück, streichst dein Haar aus der Stirn, weigerst  dich partout, mir in die Augen zu sehen. Denn so nah wir gerade zusammen waren, so fern sind wir uns, wenn sich die Rauchwolken legen.

Nicht nur einmal hab ich dich zu oft verlassen, hab mich selbst bekriegt und dich in einem Minenfeld gelassen. Und Liebste, es kommt viel zu spät, doch du hast jedes Recht, mich in Sprengstoff zu kleiden und meinen Anblick zu meiden. Denn was bin ich mehr als  eine Reflexion, von der Welt gemacht zu deiner wutentbrannten Illusion? Und wie du da jetzt vor mir stehst, inmitten von Explosionen und Detonationen, hoffe ich, dass dich irgendwann irgendjemand fragen wird, nach all den Jahren, nach all den Schlachten, nach all der Zeit?

Und dass du dann wissen wirst, was dir am Ende bleibt.

Dass du dich umdrehst, mit dem Handtuch in der Hand.

Weg vom Spiegel, weg von mir,
denn letztendlich gehörst du nur dir.

Andreas Lugauer: Blue Velvet

Wer von den Hörer*innen hat schon mal den Film »Blue Velvet – Verbotene Blicke« von David Lynch gesehen?
Der Verfasser dieser Zeilen jedenfalls hat ihn nicht gesehen – aber er hat einmal nur anhand des Filmtitels eine Inhaltsbeschreibung verfasst:

In »Blue Velvet – Verbotene Blicke« geht es um einen Privatdetektiv (daher der Untertitel »Verbotene Blicke«), der sich in eine Frau verguckt, die er beobachten soll. Denn – was er da zu beobachten hat, gefällt ihm schon ziemlich gut, muss er sagen. Er macht sich also an sie ran – natürlich erfolgreich, denn er sieht aus wie ein Filmstar mit schneidiger brünetter Kurzhaarfrisur (so voll ange80ert) und Brusthaar, und zwar von genau der richtigen Üppigkeit. Außerdem ist er sehr eloquent und charmant und hat blaue Augen, in deren weichen, doch klar konturierten Blicken er Leute samten betten kann (daher der Obertitel »Blue Velvet«). Logisch, dass die beiden erstmal ordentlich Sex haben – aber noch mehr so tastend und suchend und nicht gleich aus dem Vollen schöpfend, denn sie kennen sich ja noch nicht so gut und außerdem gebietet dies die Sexfilmdramaturgie.

Freilich findet sie, die Ausgespähte, heraus, dass er als Detektiv auf sie angesetzt ist. Es wird ihr von einem Bekannten erzählt, in einem Café, und sie hätte niemals damit gerechnet. Der Bekannte sagt nicht, woher er das weiß, alles ist sehr geheimnisumwölkt. Beim nächsten Treffen der ProtagonistInnen – er, der Detektiv, hat Blumen dabei – gibt es Streit, sie ist sehr sauer auf ihn, es fallen böse Worte von ihr und besänftigende von ihm, die aber – zurecht – bei ihr alle ins Leere laufen. Sie wirft ihm den Blumenstrauß an die Birne, wobei der Topf daran kaputt geht, von dem kaum jemand weiß, wo der jetzt eigentlich herkommt, denn Blumen kauft man ja in so Papier eingewickelt – und zu Dates bringt man nicht schon Töpfe mit.

Spätabends, wieder alleine, vertraut sie ihrem Tagebuch an – man hört sie aus dem Off sprechen –, dass sie es eigentlich ganz anregend und aufreizend findet, von ihm beobachtet worden zu sein, und sie hofft, er habe ihr auch beim Umkleiden zugeschaut. Sie erinnert sich an ihr letztes, wie immer erotisches Umziehen – man sieht die Erinnerung, abgesetzt durch starken Weichzeichner – und den Zuschauer*innen wird klar, warum es für den Detektiv auch rentabel gewesen wäre.

In dieser Nacht schläft unser Detektiv mit seiner Auftraggeberin, mehr einfach so und es wird auch gar nicht klar, warum (es… gibt aber gute Bilder her). Wahrscheinlich hat er ihr Auftragsergebnisse vorgeflunkert, ohne zu erwähnen, dass er aufgeflogen war. Logisch, dass die beiden davon heiß aufeinander werden, also ist es doch nicht so unklar, warum sie es im letzlich Straßenlichtschein tun.

Am nächsten Tag oder vielmehr eine Woche drauf dann die große Versöhnung unserer beiden ProtagonistInnen, es gibt bald auch Sex, logo. Dann lernt die Ausgespähte irgendwie die Auftraggeberin des Detektivs kennen und auch sie schlafen miteinander.

Zufällig stößt danach, die beiden liegen noch sich bezärtelnd beieinander, der Detektiv dazu, er kommt gerade vom Sport. Und dann haben alle aber noch genug Energie und veranstalten eine menage à trois, wo sämtliche Sexregister gezogen werden und wirklich alle auf ihre Kosten kommen. Leider werden irgendwann die Credits eingeblendet und am Ende fadet das Bild der ekstatisch wogenden Drei einfach aus. Kabel-1-Werbung wird eingeblendet und dann Werbung normal

Matt S. Bakausky: Filmspiele

Ein Film. Kennst du ihn schon? Oder nur den Trailer?
Es dämmert dir. Es ist einer von diesen Filmen. Einer von vor jener Zeit. Die Ereignisse von dieser Zeit oder davor trugen dazu bei, dass Verbindungen in deinem Hirn aufgebaut worden sind. Oder wie dieser scheiß Apparat auch funktioniert. Einer dieser Filme, den du höchstens bis zur Mitte gesehen hast.
Cineastische Bildungslücken.

Der Film lief auf einem Computer im Stream. Eure vier Augen davor. Bis eure vier Hände woanders hinschauten.
Der Film wird zur Tapete für die dünnen Wände.
Eine Ummantelung für das Schamgefühl.
Es kommt zur Einführung, zum Wendepunkt zum Höhepunkt und dann zum Abspann. Kurzes Kuscheln bis sie zu reden anfängt. Post-koitale Tristesse.

Irgendwann war es vorbei.
Keine halben Sachen mehr bei den bewegten Bildern, keine dualistischen erotischen Erlebnisse von da an.

Und jetzt schaust du den Film zu Ende an.
Zum ersten Mal, denn du hast ja sonst nix zu tun.
Schließt die cineastische Bildungslücke.
Kannst dich danach in den Schlaf weinen oder betrinken.

Martin Knepper: Im Delta

»Die lutschen Schuppen einzeln ausficken will ich dir, du Geilforelle« brunft der ältliche Quapp und zieht sich schwerfällig den Sack über die Eichel.

»Ja, du Glibber–Nille, Fischpenis, brunftliche Quappe! Gib mir deinen Sex!« röhrt die Hommingberger-Gepardenforelle häutig mit einem Blubber voll Poppysmata zurück, in denen tighte Drallen wippen.

Fisch–Titten, meersteif kloppige Samentaschen, die joch über alge Otzen laichen, seifig verbohrte Schwimm–Labien in einer Eier–Jauche voll salzem Geil–Odel.
Während tropfe Präputiums–Ringe sich blasicht in warme Schlick–Löcher atzen, gründelt das spermatriefende Blasmaul wollüstig in seine Backen–Schlappen.

»Ribisel mich spritz in meine milchhungrige Nache, du schanker Rogen–Papst« murmelt sie verkitzlert.

drip-drop-drip-drop-drop-drop-drop,
drip-drop-drip-drop-drop-drop-drop,
drip-drop-drip-drop-drop-drop-drop…

Opake Perlen scheißen wundermild aus der Cervix–Ritze ab, in der schon umgezählt halb–lunge Riemen–Schlacken sintern. Abgespritzte Bartfäden rüsseln bohrig über einen pintdicken Obernippel, auf zwischenriffen Keuchpolstern und in Kavernen voller fischem Geilschmand.
Die krustenvermuschelte Tidenfut bibberig gegen den samen Fischpenis gekeilt, schubert die Hommingberger-Gepardenforelle nach dem Abendspritz, doch der blasentange See–Hengst kann da nur buffen:

»Meine marine Suppe soll ich dir in den Eiersack löffeln, du zweitmeistangeklickte Korallen–Hure? Dich durchnagelte Krill–Schlampe limnisch in deinen tropfnassen Wixberg dengeln? Ich will dich vor mir schwänzeltanzen sehen, schnorchel mich aus, du linkfisches Sielmännchen… «

Keiler und keiler simst die kaltblütige Klimaxfrequenz, ihre Fotz–Flossen stacheln schon, der Quapp riemt und riemt, eine vorlaufe Fischbrühe des onanierenden Pupfischs von der dritten Strömung untermischt die Labe, die Hommingberger-Gepardenforelle und der Quapp tauchen ab in bohrem Kreisch, immer ratzinger verpilzt sich ihr gemeinsames Kloaken, «Wella! Wella!“, sprudelt sie ohne jeden Zander.

Und immer froscher nimmt er sie, verpasst den strullen Barten einen Zilpzalp, setzt da einen untermeerischen Schleimgriff, dort einen Prong voll Tuff, ganze Laken buttet er über sie, eine Tsunami flutet ihre Schwimmblase, unablässig pumpt er eiweißen Zagel–Schleim in die tauchtiefe Plankton–Spalte, der im Schnief die Kiemen keiteln.

Es ist vorbei.

Die beiden Geilfische entmannen sich ungeschlacht, grützen ihre Rochen auf und orgeln verblasen in den Cunnus.

Kuku Schrapnell: Sex

Dass man dieses ganze miteinander und sozial sein ins internet verlagern kann, ist ungefähr so streitbar wie die Frage, ob trans Frauen Frauen sind: Wenn man nicht über 50, erschreckend konservativ und/oder die Autorin einer mittelmäßigen Fantasy-Jugendbuchreihe ist, ist das keine Neuigkeit mehr. Aber geht Liebe im Internet?

Immer wenn ich eine neue grindr Nachricht bekomme und dieses zärtliche Klopfen aus meinem Handy kommt, fängt bei mir gleich dieses Kopfkino an. Ein süßer Typ und wir chatten ein bisschen hin und her. Es geht viel um Ängste und Sorgen, aber auch Möglichkeiten und Hoffnungen und witzige Absurditäten aus dem Ausnahmezustand. Nach ein paar Tagen und viel hin und her und ewigem Abwiegen treffen wir uns doch, weil wir es einfach nicht mehr aushalten. Natürlich draußen mit Abstand und doppelt verschämt und schüchtern und Mundschutz und Handschuhe und alles. Zwei Meter auseinander gehen wir am Kanal entlang und gucken uns einfach nur immer wieder an. Weil es ein sonniger Tag ist, setzen wir uns dann doch noch ans Ufer und reden ein bisschen. Dann kommt aber schon die richtige Ausgangssperre und uns bleibt nur noch Skype. Das wird zunehmend romantischer aber auch ein bisschen anzüglich.

Es fängt an mit ein bisschen Haut hier und da und einem immer aufreizenderen Hüftschwung, wenn ich “nur noch mal schnell was holen gehe. Nachdem die eh schon geöffnete Bluse das dritte mal runterrutscht, wird sie schließlich ans andere Ende des Zimmers befördert. Die restlichen Sachen folgen auch recht schnell und wir sitzen erstmal eine Weile da und gucken uns an. Dann gehts aber natürlich auch rund. Wir zeigen was wir mögen und fragen, was der andere will. In einer kleinen Werbeunterbrechung werden die Sextoys vorgestellt (mit Namen und Funktionen) und live getestet. Dabei muss jedes einzelne Spielzeug in folgenden Kategorien bestehen: Farbe, Vielseitigkeit und “Würde ich Daten, wenn es ein ganzer Mensch wäre”. Danach wird es albern, weil irgendjemand von uns beiden auf die Idee kommt, Olivenöl aus der Küche zu holen, weil sonst nichts in der Richtung da ist. In der kurzen Pause reden wir über unsere Lieblingsbratgerichte. Dann geht es aber auch nochmal zur Sache und am Ende schlafen wir beide vor dem Laptop ein.

In der Zwischenzeit bricht draußen die Wirtschaft zusammen und wir werden Teil einer im Darknet operierenden Widerstandsgruppe, die einen Anschlag auf den mittlerweile immunisierten Friedrich Merz vorbereitet, der sich zum europäischen Alleinherrscher aufgeschwungen hat. Das Attentat scheitert zwar, aber es gelingt uns trotzdem irgendwie ihn zu stürzen und alles ein bisschen besser zu machen. Drosten hat ein Heilmittel erfunden und während die Menschen wieder auf die Straße strömen und singen und tanzen und die Räterepublik ausrufen und andere süße Albernheiten, stehen er und ich auf einem Hügel, ein wenig abseits. Das erste mal sehen wir uns ohne Mundschutz und so und es kommt zum ersten Kuss, während im Hintergrund die Band anfängt zu spielen, aber die Band sind auch einfach alle und es ist nur kurz chaotisch und dann sehr schön.

Leider schreibt mir auf grindr aber immer nur der Detlef aus Markkleeberg, der schnellen Sex am liebsten outdoor sucht.