@bakausky: Pizza Gator

Also in Washington England gibt es eine Pizzeria in der gibt es ein „Gate“. Das ist englisch und steht für Tor. Dieses Tor führt direkt zur Hölle, nein zu einer Höhle, in der die „Lizard People“ – also Menschen mit grüner Alligator-Haut leben. Und da fahre ich gerade hin, mit dem Neun-Euro-Ticket von Bielefeld aus. Das wird ein Abenteuer, das können Sie mir glauben. Als ich da über die Grenze nach Frankreich fahren wollte, wurde ich kontrolliert.

Das Neun-Euro-Ticket sei nicht gültig auf diesem Weg, hieß es. Ich erkläre die Situation, dass mit den „Lizard Peoplen“ und der Pizzeria und meinem Plan, die über den Eurotunnel zu besuchen. Darauf wurde gar nicht weiter eingegangen, die verstanden nur Bahnhof und ich aus dem Zug geladen auf den selbigen. Verschwörung, wohin man schaut.

Also als Tramper weiter. Von dort nach dort. Ich werde Beweise liefern, sobald ich angekommen bin. Das zieht sich noch ein wenig hin. Denn die wissen, was auf sie wartet, wenn das rauskommt. Ich werde Fotos liefern auf Instagram. Folgt mir bitte bitte dort @bakausky.  

Angekommen bin ich schließlich doch. In Washington, England. Mit einem Uber bin ich die letzte Strecke zur Pizzeria gefahren und was ich dort erlebte, das glaubt mir niemand. Außer ich hätte nicht Fotos. Ich also in die Pizzeria rein und erst mal nichts anmerken lassen. Eine Pizza Hawaii bestellt. Doch die gab es da nicht. Verschwörung, ich höre dich trapsen.

Also dann halt Pizza Salami. Denn was viele nicht wissen ist, dass die „Lizard People“ oder Eidechsenmenschen keine Ananas mögen. Also die mögen die gar nicht, und auch nicht auf der Pizza. Dann wurde es spät und die Pizzeria war kurz vor dem Schließen. Doch die Pizza war groß und noch lange nicht gegessen. Da bot mir Michel, der Kellner an, zur After Party zu bleiben. Ich sei doch ein cooler Junge, jemand, der „Open minded“ sei und nichts über die „Special guests“, die noch kämen, schimpfen würde. Und ich hatte schon ein paar Bier intus und willigte ein.

Dann gegen Mitternacht wurde das Lokal offiziell geschlossen und ich saß noch auf einem Barhocker bei Michel an der Theke. Der sagte gerade „my name is Mitchell, not Michel“ und ich so „my name is @bakausky, follow me on Instagram“. Und da waren sie schon zu einer kleinen Treppe emporgestiegen. 

Ich traute meinen Augen nicht. Es waren fast Menschen, nur winzig und mit grüner Haut. Sie bestellten eine Runde aufs Haus, was mir sehr entgegenkam, denn ich war mittlerweile knapp bei Kasse. So, fragte ich sie, „You don’t like Pizza Hawaii?“ „No, it’s terrible“, sagte da einer und die anderen lachten. Ich nahm mein Handy heraus und machte ein Foto, sagte: „We will see who laughs now, I am just posting this on my Instagram @bakausky“. Und da lachten sie noch mehr. Und ich war verblüfft.

Sie bezeichneten mich als „conspiracy Nuss“ und sagten, dass mich kein Mensch ernst nehmen würde und luden mich auf noch einen Schnaps ein. Da konnte ich nicht nein sagen. Und einige Schnäpse später waren wir die besten Freunde, die „Lizard People“ und ich.

Am nächsten Tag wachte ich mit einem „Hangover“ auf einer Parkbank in Washington, England auf und hatte nur noch verschwommene Erinnerungen an die letzte Nacht. Die Eidechsenmenschen hatten mich gefügig gemacht, meine menschliche Schwäche, den Alkohol ausgenutzt. Und da war ich nun, ein Wrack mit null Pfund Kohle und null Prozent Akku in Washington, England. Aber mit dem guten Gewissen, auf Instagram geliefert zu haben. Und das machte mir Mut, als ich mit Daumen nach oben mich auf den Weg zurück nach Deutschland machte. 

Theobald Fuchs: Sabinchenstadt

Wir hatten uns überlegt, dass man ja von Berlin aus auch mal mit dem Fahrrad nach Nürnberg fahren könnte. Und dann kam es wie es kommen musste: wir machten es wirklich.

Es gäbe viel zu berichten, über die drei Flüsse Havel, Elbe und Saale, und über die drei Bundesländer Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die wir durchquerten. Und über ein paar – ich mache jetzt mit den Händen Anführungszeichen in der Luft –  interessante Begegnungen. Aber nichts davon, kein Wort über Ostdeutschland und die Ossis – es soll hier lediglich über Treuenbrietzen gehen.

Ich sagte, als wir bei der Abfahrt im Grunewald einen Blick auf die Route warfen, noch: Haha, das ist doch diese Kleinstadt, die in dem Lied vorkommt, wo der kranke Typ die Frau umbringt, weil sie aus Liebe zu ihm ihren Arbeitgeber bestohlen hat. Und sechs Stunden später? Steht astrein und noch vor dem ersten offiziellen Ortsschild das erste Plakat mit der Aufschrift: »Treuenbrietzen – Sabinchenstadt«.

Ich vermute, dass nicht alle Hörer*innen von Radio Z diesen Song parat haben, der aus unergründlichen Tiefen der Zeit herstammt und bis zum heutigen Tage praktisch ein Dauerschlager ist. Zumindest in einschlägigen Kreisen. Erstmals abgedruckt laut wikipedia 1849 in der Liedersammlung »Musenklänge aus Deutschlands Leierkasten«.

Musenklänge.

Deutschlands Leierkasten.

Schöne Begriffe, aber ganz klar heute nicht mehr wirklich regelmäßig in Gebrauch. Ein Problem für die Sprachhygieniker der diversen Gesellschaften zum Schutz der Deutschen Sprache, die sich ja gerne auch über die bösen Anglizismen und besonders heftig über gendergerechte Ausdrücke aufregen wie die kleinen Autos. Die können mich allerdings eh gern haben.

Auch in der Mundorgel, einer Liedersammlung von 1984, die der eine oder die andere noch aus dem Zeltlager kennen könnte, ist das Sabinchenlied enthalten.

Wir hören eine Version gesungen von Claire Waldoff. Frühe 1920er Jahre, aber recht progressiv wie ich finde. Claire Waldoff übrigens eine Art Superstar damals, Helene Fischer Hilfsausdruck. Obacht: Krasse Stimme! 

Nun, da sind natürlich schon ein oder zwei Stellen im Text, die wir heute befremdlich finden sollten.

Zunächst ist das ganze ja ein Schmählied auf eine bestimmte Berufsgruppe, den Schuster. Schuster waren unverzichtbare Dienstleister, ohne die es keine Stiefel und Schuhe gab. Spätestens im Winter absolut unverzichtbare Gebrauchsgegenstände. Ein Mensch ohne Schuhe ist in unseren Breiten nicht wirklich überlebensfähig. Warum also dieser Hass auf Schuster, der in diesem völlig unverfrorenem Mobbing gipfelt? Ich vermute hier einen zeitgenössischen Witz, den wir heute einfach nicht mehr begreifen können. Irgendwie so etwas wie: Treffen sich zwei Schuster, sagt der eine… oder: Geht ne Frau zum Schuster… Irgend so etwas.

Dass Sabinchen in frühkapitalistischen Verhältnissen lebt, eine Ausgebeutete ist, die für das obere Ein-Prozent der Bevölkerung arbeiten muss, die sich Silberlöffel leisten können – geschenkt.

In den kinderreichen Familien der damaligen Zeit wurden Töchter, die als überflüssig und nutzlos angesehen wurden, einfach so entsorgt. Ab in ein Ausbeutungsverhältnis, Menschenrechte waren vor allem Männersache. Zum Glück hat sich das ja geändert und alle Menschen sind heute gleichberechtigt, frei und … naja.

Sehr modern hingegen mutet die toxische Beziehung zu dem chauvinistisch-patriarchalischen Schuster an (»wollte Sabinchen besitzen«), in die sie sich verstrickt. Der Schuster beutet Sabinchens starke emotionale Bindung zu ihm gnadenlos aus, er ist ein Trinker, ein Gewalttäter. Wir können nur spekulieren, wie es soweit kam, dass er ein so unausstehlicher Mensch wurde. Das Lied schweigt sich aus, Ursachenforschung in Treuenbrietzen nicht gefragt. Wobei man spätestens jetzt bemerken sollte, dass nur der  Schuster aus Treuenbrietzen stammt, Sabinchen und die Dienstherrschaft allerdings überall sonst angesiedelt sein könnten. Meine persönliche Vermutung ist Berlin, dort gab es Silberlöffel und dunkle Keller in ausreichender Menge. Mit anderen Worten: Treuenbrietzen schmückt sich mit einem Liedtext, der die Stadt als Herkunftsort eines Meuchelmörders ausweist. Das wäre ungefähr so ähnlich wie „Hitlerstadt Braunau“ oder „Julius Streicher-Stadt Nürnberg“. Womit wir bei der rätselhaften Zeitangabe „Aha-achzehn Wochen“ wären. Was um Himmels Willen steckt da dahinter? Genauso gut könnten es doch sechzehn oder neunzehn oder zweiundsechzig Wochen sein, ohne dass man gleich das Versmaß ändern müsste. Wir wissen nicht, wie der Diebstahl rauskam, aber vermutlich dann, als die silbernen Löffel gebraucht wurden. Heißt, sie wurden volle viereinhalb Monate nicht gebraucht! Und der Schuster brauchte in der ganzen Zeit kein Geld mehr. Sonst hätte Sabinchen ja noch mehr Löffel klauen müssen, damit der Schuster noch mehr Geld versaufen hätte können, wovon aber nirgendwo die Rede ist. Ich selbst hätte ja vermutet, dass der Schuster die paar Löffel innerhalb von genauso viel Tagen in Schnaps und Bier umsetzte, so dass recht bald die nächste Eskalationsstufe erreicht worden wäre.

Woher also diese rätselhafte Achtzehn. Nun, wir Menschen des 21. Jahrhunderts sind uns freilich dessen gewahr, dass die Achtzehn ein Code sein kann für den ersten und den achten Buchstaben im Alphabet, für das A und das H, das wiederum für den abscheulichsten Massenmörder aller Zeiten steht.

Und hier liegt wohl der Schlüssel zur Lösung des Rätsels begraben: Der Texter oder die Texterin dieses Songs kannte Adolf Hitler und den Neonazi-Code. Wir haben es hier nämlich mit einem Zeitreisenden zu tun, jemand, der ins Treuenbrietzen des späten zwanzigsten Jahrhunderts gereist war und wieder zurück, um dieses Lied zu schreiben, das dann die Heimatstadt eines Frauenmörders abfeiert. Jemand, der das Treuenbrietzen der Zukunft nicht mochte und auf raffinierte Weise schon über Hundert Jahre früher sein bashing preparte.

Ganz unspektakulär allerdings kommt die geradezu modern anmutende Nicht-Verurteilung zum Tode daher. Selbst angesichts dieser heimtückischen Mordtat verzichtet das Gericht auf die atavistische Strafe und begnügt sich mit Verrottenlassen des Delinquenten in einem dunklen Keller. Quasi Aufklärung pur, Verkündung der Menschenrechte Hilfsausdruck. Oder – leider doch wieder nur ein Fall von Misogynie? Dass man für den Mord an einer Frau nicht so schlimm verurteilt wurde?

Ich denke, wir sollten alle nochmal über dieses Lied nachdenken.

Meine vorläufige Gesamtbewertung allerdings: ein großer Hit, geniales Songwriting, die Melodie hooked sofort im Ohr und geht nicht mehr raus wie das abgebrochene Ende eines Ohrenstäbchens. Was ein Dreckslied. Passt alles.

… daramm dada daramta, daramm, daramm, daramm…

Harald Kappel: MischFischTisch

Zu Weihnachten bekam mein Bruder eine Gitarre.

Meine Schwester eine Nähmaschine.

Und ich sogar ein Boot.

Ich heuerte bei mir selbst als Schiffsjunge an, mein Bruder nannte sich Freddy Quinn und sang schreckliche Lieder. Meine Schwester strickte ein Zelt für uns.

Wir fuhren über sieben Meere.

Wir umschifften tausend Klippen, bis unser hölzerner Rumpf an einem Fels in der Brandung zerbrach.

Wir hungerten. Wir hatten Dünnpfiff. Wir fütterten die Fische.  

Aber das Meer nahm sich nur, was es uns gegeben hatte.

Vater bekam Skorbut und meine Schwester nähte ihm mit ihrer verrosteten Nähmaschine eine Angel. Mein Bruder sang immer noch schreckliche Seemannslieder. Mutter wurde mondsüchtig.

Am Samstagabend, vor der Hitparade, beschlossen wir baden zu gehen.

Auf dem Weg zum Strand saßen die Badehosen knapp, aber dies versprach eine

Prise Gefahr und Abenteuer. Meine Schwester wollte uns Tangas weben, aber wir lehnten ab. Mein Bruder wollte singen. Aber wir lehnten ab.

Wir verbrachten unser halbes Leben an diesem Strand. Die Badehosen saßen zwar immer noch knapp, aber da sonst alles an der richtigen Stelle war, blieben wir gelassen. Die Wellen spülten die Zeit und unsere Pisse hinweg, bis Vater nach vielen Jahren den ersten Fisch fing. Er war klein, weiß und lieb. Der kleine Fisch konnte meinen Hunger nicht stillen und in meinen Gedanken war wenig Platz für seinen Tod.

Ich betete, denn ich war gefangen am Ende der Welt und gestrandet im Hafen der Einsamkeit. Im Bauch eines Wals wurden wir gerettet.

Mein Leib blieb zurück, meine Schwester nähte nie mehr. Mein Bruder ist Freddy Quinn, meine Mutter reiste zum Mond und als mein Vater starb, waren seine letzten Worte:

Es gibt nichts Besseres als frischen Fisch zum Frühstück.

Blumenleere: tuedelue!

pack deine arroganz & wirf sie in den muelleimer, den funny van dannen zum uebergangscontainer fuer die entsorgung trauriger lieder stilisiert, wenn du sagst, die metaphysik sei tot, verlaesst du deinen zustaendigkeitsbereich, denn blosz, weil manche philophischen dikurse einen solchen status quo propagieren, heiszt das noch lange nicht mehr als fast nichts, nein, vielmehr bedeutet es vornehmlich eins, naemlich dass wenige die uebrigen bevormundend bestimmen wollen, welche weltanschauungen & ansaetze akzeptabel, legitim & welche nicht ernst zu nehmen sind – & das, obwohl die bedeutungen der kommunikation in jedem von uns unterschiedlich erst entstehen & ferner unsre lebenswelten, die perspektiven & gesetzmaeszigkeiten unserer traeume, die wir bisweilen wagen, realitaet zu nennen.

Sabrina Marzell: Legenden

Ihre Nase blutet schon wieder. Vergiss nicht zu spucken und schau dir die Wolken an. Ich wühle so lange im roten Sand nach deinem Zahn.  Der Boden zieht mich an 


Die Fliegengittertüre schnalzt. Jemand zerhackt Kreide. Als ich in die Chipstüte greife, klatscht Steffi´s Hand in mein Gesicht. Sie wird mit dem Schimmelreiter untergehen 


Im Schatten der Reben. Der größte Idiot im ganzen Viertel zündet gerade die Parkbank an. Seitdem teilen wir uns zweieinhalb Quadratmeter Balkon 


Mein erster Bezug zur Form ergab sich aus dem formen von Matschfiguren. Meine Brust pochte und ich schüttelte den Kopf, als ich die übrig gebliebenen Körperteile (kleine Zweige) in der Pfütze liegen sah 

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Ungläubig verließ ich den Ort

Theobald Fuchs: Wenn die Familie zum Überliefern anfängt

Anfangs fand ich die Story absolut plausibel. Die kleinen Schrotkörner, an denen man sich früher gerne mal den einen oder anderen Zahn ausbiss, seien, so behauptete er, absichtlich vom Koch hinein praktiziert worden. In den Rehbraten mit Sahne und Preißelbeeren. Damit die Gäste sich davon überzeugten, dass das Wild absolut frisch geschossen und eh aus der Gegend sei.

Ja, klar, warum eigentlich nicht, dachte ich. Vom Jagen habe ich keine blasse Ahnung, bloß als er dann behauptete, dass Rehe und Hirsche eigentlich gar keine Tiere sondern Pflanzen seien, irritierte mich das – ehrlich gesagt – schon ein wenig.

Aber nicht schlimm. Nur so ein klitzewinziges Gefühl, das in mir, nun – nicht wuchs, aber schon irgendwie keimte, ein Gefühl, als stimme in einem riesengroßen Gesamtbild ein fitzikleines Detailchen nicht. Schwer zu sagen, welches genau, aber etwas störte.

Dass somit Wildbret ideal für Vegetarier sei, leuchtete mir wiederum ein, logisch, logisch, popogisch: wer sich im Wald ernährt, besteht irgendwo irgendwann auch aus Wald. Dann fängt die Zukunft an… Äh, falsches Thema. Weiter im Text: Dass sich seit vorgeschichtlicher Zeit aus den sterblichen Überresten des Wildes ein spezielles Erdöl gebildet hat, verblüffte mich abermals. Allerdings einen Moment nur. Unter hohem Druck über lange Zeiträume entstünde in tiefen Schichten aus zerquetschen Hirschkadavern ein beinahe milchiges, orangegrünfarbenes Öl. Wildes Erdöl werde es genannt, so raunte er, Österreich und das Saarland seien die beiden größten Produzenten. Auf der Erde, im bekannten Teil des Sonnensystems, universell. Soweit, so transparent.

Jedenfalls: für vertrauenswürdig hielt ich die Empfehlung, Messer und Gabeln mit diesem Öl zu behandeln. Grund offensichtlich zweifach: damit sie nicht nur nie mehr stumpf würden. Sondern auch, damit weder Brot noch die Frucht, die damit geschnitten wird, jemals wieder schimmelte. Coole Sache.

Anfangs bezweifelte ich aber, was darüber hinaus behauptet wurde. Dass man sogar die Sprache des Landes, aus dem die Wurst stamme, sprechen könne, wenn sie mit einem in dieser Weise präparierten Messer geschnitten werde. Beispiele: Mortadella, Cheddar, Salami.

Doch da mein Ururururur-Großvater, als er sich mit dem Jagdmesser in den Daumen geschnitten hatte, daraufhin stundenlang sehr komplexe und phantasiereiche ungarische Flüche ausstieß (oder etwas, das so ähnlich klang, so wird es zumindest berichtet), bin ich heute restlos überzeugt. Von nichts anderem als der öligen Wahrheit des Wildes nämlich.

Isso, sagte der alte Jäger, und ich glaubte ihm.

Blumenleere: wie fremde federn schmuecken

mit der urbanisierung verlagerte sich das diffuse feld der legendenbildung, irgendwann, zusehends gen metropole – &, selbstverstaendlich, auch kleinere konglomerationen anthropogener siedlungseinheiten. setting, im weitesten sinne, dennoch: der ambivalente groszstadtdschungel – eine virtuelle welt fuer sich, ein layer ueber der per se neutralen – eventuell gar ein wenig fade anmutenden – realitaet scheinbar rational durcheinandergewuerfelter baukomplexe. indes, keine einsamen held:inn:en, die umherstreifen & sich mit dubiosen abenteuern herumschlagen – naja, eigentlich durchaus, allerdings ruhe der schwerpunkt mittlerweile eher auf dem absurden, dem eindringen eines vornehmlich dem aberwitz huldigenden mythos in die allzu kalkulierten architekturen unseres auf engstem raum zusammengepressten miteinander lebens – &, leben muessens, weil viele kaum vor einer wahlmoeglichkeit stehen oder es anders nie kennengelernt haben. & da uns nahezu alles, was uns blosz tendenziell an klassische gut-boese-konflike erinnert, ein unangenehmes gefuehl erzeugt – pfui, pathos, pfui! –, laben wir uns nun lieber an vermeintlich seltsamen begebenheiten, die zwar irgendwie stattfinden haetten koennen, doch unser empfinden fuer plausibilitaet auf eine schwierige probe – das selbige dadurch neukalibrierende – probe stellen: die obskuren initiationsriten der zivilisierten wilden, stattfindend im rahmen heimeliger – eine melange aus heimlichkeit & vertrauen? – schwafelrunden, wo voellig an den haaren herbeigezogene beziehungsgeflechte erichtet werden: habt ihr schon gehoert, der/die/das, meiner/meines/meines, deren/dessen/dessen, die/der/das, wiederum …?

Matt S. Fußbein Bakausky: Angst und Schrecken in Nürnberg

Scheiß langhaarige Hippies, sagte der Glatzkopf zu den Menschen mit kurz geschnittenen Haaren. Ich hatte mal ein Harem. Dieser brachte mich weiter, doch irgendwann habe ich ihn verloren, als der eigene Geburtstag anstand. Dann wollte jede Person im Harem mit mir Feiern und leider war das nicht möglich. Und der Harem löste sich auf. Das war sehr schade. Eine schlimme Zeit für mein Ego. Aber hier geht es nicht um den Harem. Hier geht es wie immer um mich. Der größenwahnsinnige Lügner und Hochstapler: Peter Fußbein. Ich bin Peter Fußbein. Und ich lüge dir die Welt, widde, widde, wie sie mir gefällt.

Jesus oder sein Bestseller sagte: Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen. Halt stopp, das war ja mein enge Freund Moses, der Dritte. Äh, Erste. Ich war heute in Nürnberg unterwegs und habe dabei Rotz und Wasser vom Himmel fließen sehen. Aber und jetzt kommt das entscheidende: Es geht heute ausschließlich um Medizin.

Meine Medizin ist im Moment das Getränk des Tages. Ich habe es bei meinen Brüdern gekauft. Sie haben gesagt: Bis morgen und ja, ich habe Lust sie morgen zu besuchen und einen Dönerteller zu kaufen. Bevor ich zu meinen Brüdern ging, war da ein oder zwei Menschen aus Kroatien. Deren Medizin war es, Gras zu rauchen. Sie fragten mich mindestens 10000 Mal, ob ich ihnen etwas verkaufen könnte. Und erzählten, dass sie mir dafür eine Million Euro geben würden.

Ich hatte leider weder die Muse noch die Ware im Angebot. Auch das Scheinbündel machte mir keine Lust darauf, ihnen weiterzuhelfen. Ich konnte ihnen einfach nicht helfen, nahm sie jedoch in mein Gebet auf, dass sie finden würden, was sie brauchen. In München, so sagten sie, würde ihnen jeder Ganja verkaufen. Aber in Nürnberg haben sie 20 Leute gefragt und keiner hatte etwas im Angebot. Dann waren sie noch an Wohnungspreisen interessiert. Ich erzählte ihnen, wie viel ich für meine Wohnung zahle. Und in München, da wo der Kerl lebte, wäre es teurer. Das kann ich mir vorstellen. Jedoch zahlt sein Arbeitgeber die Wohnung. Das klingt doch nach einer guten Medizin, wenn man nicht selbst zahlen muss für das Nötige. Anderseits macht das einen ja abhängig. Hahaha.

Medizin ist das Thema und dazu kann ich nichts sagen, da ich ja kein Arzt bin. Aber ich kenne Ärzte, die für mich arbeiten. Ich bin groß im Geschäft und das nicht nur auf der Toilette. Es gibt Menschen, die für mich ein Medizinstudium abschließen, auch wenn es viel Zeit kostet und mir ihre Dienste zur Verfügung stellen. Jajaja, ich bin der Peter Handbein oder so ähnlich. Fragen sie mich nicht, wie ich heiße, ich weiß es nicht. Peter Handbeins oder Beinhands oder Bein Hans Peter äh Medizin ist der Größenwahn. Immer schön groß bleiben. Denn in eine kleine Wohnung passt nicht jeder. Das müssen sie wissen.

Manch eines Medizin ist es eine größere Wohnung zu haben. Und vielleicht wäre das auch meine. Doch ich möchte sie aus guter Quelle bekommen. Ich habe die große Wohnung nicht nur erwähnt, sondern auch erfunden. Medizin ist die Beste Medizin. Lassen sie mich Arzt, ich bin Lauch. Lauch aber mit dicken Bauch, anders geht es nicht. Mein Arzt ähem Therapeut will das ich abnehme. Das geht doch gar nicht in die Einkaufstüte.

Die richtige Medizin zum Abnehmen wäre vielleicht das Adipositas-Programm einer Online-Apotheke: Einfach weniger Essen und mehr bewegen und das macht dann 5000 Euro im Monat bitte.

Und was hat das mit Nürnberg zu tun? Ich bin dort geboren, ich bin Hans Peter Handbein. Der große Gabelstapler. Ich staple hoch, denn anders geht es nicht. Und dann kommt die kleine Oma nicht an das Katzenfutter. Katzen sind die beste Medizin. Ich liebe Katzen. Katzen. Katzen. Katzen. Katzen. So schön und so lieb. Keine Angst, kein Schrecken, nur Katzen. Dafür wurde das Internet gemacht.

Clara Fieger: Wenn man jetzt Freund_innen treffen möchte

Letztes Jahr ging ich in den Steinbrüchen bei Eichstätt spazieren. Es war um Ostern herum. Ich besuchte meine Eltern, um das Fest mit ihnen gemeinsam zu feiern, doch musste ich mal raus – frische Luft schnappen, mich bewegen, den Osterschinken verdauen. 

Ich spazierte also den Berg nach oben zu den Jura-Steinbrüchen. Erst ging ich nur um verschiedene Steinhügel herum und zwischen ihnen hindurch, später stieg ich auch auf einen hinauf, was vom Geräusch der hinunterpurzelnden Steine und der zerbrechenden Jura-Plättchen unter meinen Füßen begleitet wurde. Die Sonne schien. Es war ein schöner Frühlingstag. Ich konnte oben den weiten Ausblick genießen, stand da wie ein Caspar David Friedrich, nur ohne Nebel. 

Von oben aus konnte ich eine kleine Gruppe Jugendlicher beobachten. Sie waren etwas abseits auf einem weiteren Steinhügel, den die Sonne beschien. Sie hatten eine Picknickdecke ausgebreitet. Sie hörten durch eine Bluetooth Box Musik, die leise bis zu mir hinauf zu hören war. Es lief Estelle – American Boy. Sie tranken Bier und sie rauchten Zigaretten – sie waren einfach am Abhängen. Das Abhängen, bei dem man einfach Zeit miteinander verbringt, nichts Spezielles tut, aber dabei zusammen ist. 

Mich beamte es in meine eigene Jugend zurück, als ich hier auch mit meinen Freund_innen abhing. Meist auf einem anderen Berg. Oft tagelang, nächtelang. Mal auch im Tal, am Fluss, im Freibad, mal bei jemanden zuhause. Alle konnten kommen und gehen, wann es für sie gepasst hat. Im schlimmsten Fall, wenn die Eltern Stress machten.  

Hey, ihr da unten! Genießt eure Zeit, so viel werdet ihr vielleicht später nie wieder davon haben.
Während ich am liebsten diese Gedanken heruntergerufen hätte, begann ich zu überlegen: Hänge ich noch ab? Also mit Freund_innen selten bis nie. Ich weiß nicht, ob es am Erwachsen werden liegt, oder an Corona, an meinen Wohnsituationen, am Arbeiten oder an etwas anderem, aber die Zeit zum Abhängen fehlt mittlerweile.  

Wenn man jetzt Freund_innen treffen möchte, dann ist es meistens sehr schwierig überhaupt einen gemeinsamen Termin zu finden – alle sind immer so busy, ich selbst ja nicht ausgeschlossen. Dann ist es zeitlich auch meistens ziemlich begrenzt – ein paar Stunden genügen. Dann ist das meistens kombiniert mit fancigem Essen und Trinken – es wird immer besonderer und teurer gekocht und ich frage mich, wann ich wieder einfach nur Nudeln mit Pesto essen darf. Meistens sind diese Treffen halt „ganz nett“. Danach ist man aber froh wieder allein zu sein.  
Die Menschen werden ja auch immer komplizierter!, denkt man noch, legt sich dann mit vollem Magen ins Bett und schläft ein – allein.

Theobald Fuchs: Es ist nicht immer vorteilhaft, gut zu schmecken

… es war genauso, wie ich es auf YouTube recherchiert hatte: erst nach zwei Tagen ununterbrochenen Kochens fiel das Fleisch von den Knochen. Oder besser gesagt: die Knochen ploppten aus dem Geschmorten, als wäre es ihm ein Bedürfnis, sie loszuwerden. Mir war dabei völlig klar, dass ich bei einem Hype mitmachte. Seitdem dieses Nahrungsmittel selbst von Veganern akzeptiert, ja sogar in höchsten Tönen gelobt wird, wollen es alle selbst probieren. Kaum zu glauben, aber es war seit Jahren oder Jahrzehnten unentdeckt geblieben, bis ein Isländer, glaube ich – oder doch jemand in Kanada? – darauf gekommen war, sie zu essen. Doch auch das erst nach vielen Versuchen und Fehlschlägen. Nachdem die Knochen sich vom Rest gelöst haben, muss man genau auf die Zeit achten. Noch weitere fünfundzwanzig Minuten auf kleiner Flamme knöcheln, pardon: köcheln, keine Sekunde länger, sonst verwandelt sich die kulinarische Köstlichkeit in eine unverdauliche, zementartige Masse. Falls das geschieht, ist es sehr ärgerlich, nicht nur, weil das Zeug immer noch sündhaft teuer ist, obwohl es quasi ohne Produktionskosten in der freien Natur eingesammelt wird. Aber es war schon ein Aufwand, zwei Tage am Herd zu stehen, immer wieder Brühe und Salzsäure zuzugeben, regelmäßig die giftigen Gase abzusaugen, von dem irrsinnigen Pfeifen, das aus allen Poren strömte, einmal abgesehen. Doch ich erwischte den richtigen Zeitpunkt, schüttete das crushed ice, das ich natürlich bereitgelegt hatte, in den Topf, gab gekochte Kartoffeln, Sägemehl und Pflaumen zu. Dann alles durch den Mixer und fertig. Und ich muss sagen: es war köstlich! Wirklich unvergleichlich, nur wenige andere Speisen können da mithalten. Und das alles ohne Fett und Zucker. Ich war begeistert! Keinen Menschen interessiert es mehr, wann und wie sie auf die Erde gelangt und dort bis vor Kurzem unerkannt gelebt hatten. Diese Außerirdischen schmecken einfach echt voll lecker!