Hannes G. Laber Holzmann: Weltuntergang

Die Biene Maja hatte ja vor langer Zeit viel zu tun, als sie mit Willie Nelson und der Spinne Thekla Carola Weed total bekifft in Südamerika Bieramiden gebaut hat.
In diesen brauten dann die Inkys vom Stamm der Geha ihr Bier.
Das weiß ich, weil ich Sinologie studiert habe. Sinologie ist die Lehre von den Sinen. Die wichtigsten Sinen waren die Abessinen. Es gab auch noch die Apfelsinen, die sich hauptsächlich von Äpfeln ernährten und analog dazu aßen die Abessinen bevorzugt Abbes. Abbes war ein zäher, nahrhafter Schleim, der vom Himmel fiel, wenn die Abessinen ausreichend zu ihren Göttern gebetet hatten.
Böse Zungen (z.B. die Bibel) behaupten zwar, das einzig essbare, das jemals vom Himmel fiel, wäre Manna gewesen. Da wir jedoch von Mannasinen noch nie etwas gehört haben, muss es sich wohl doch um Abbes gehandelt haben.
Die Biene Maja wiederum sah in Ihren Prophezeiungen voraus, dass einst Helene Fischer die Titelmusik zu Ihrer Fernsehserie singen würde und verfluchte die Welt ob dieser Karel Gotteslästerung zu ihrem Untergang 2012.
Leider ist dieser bis heute nicht eingetreten, aber mit Donald Trump, Mike Singer, Bibi’s Beautypalace und Eisenbart und Meisendraht sind wir doch wenigstens auf einem guten Weg, dieses Ziel doch noch zeitnah zu erreichen.
Liebe Grüße und viele Späße wünscht Euch der Hannes

Andreas Lugauer: U-Bahn-Türen

Leute, die ihr bei manuellen U-Bahntüren nur einen Flügel öffnet – eure Strafe in der Hölle sei eine ewige U-Bahnfahrt, ohne Ausstieg, ohne Endstation, es möge dabei immer morgendlicher Werktagsverkehr herrschen, alle Sitzplätze sollen belegt sein, die Stehplätze auch und euer Kopf möge angeschmiegt werden von Schultern, Oberarme sollen euch einklemmen links und rechts und vorne und hinten, Hutkrempen mögen in einer Tour euer Gesicht streicheln und Pelzkrägen ebenso, Hunde eure Hände ablecken, sämtliche Handschlaufen mögen vollgeniest sein mit gelbem und grünem und meinetwegen auch weißlichem Lungenauswurf, Heuschrecken sollen durchs Abteil schwärmen, Frösche eure Hosenbeine hochschleimen, Mücken und Fliegen in eurem nassgeschwitzten Kragen sitzen, Stroh soll herumliegen und ihr euch fragen warum, an jeder Haltestelle mögen Abgase ins Abteil schwallen (und zwar durch vollständig geöffnete Türen!), der Schaffner möge fortwährend unverständliche Durchsagen machen, die verstanden zu haben ihr bestätigen müsst, nach jeder Station sollt ihr kontrolliert und wegen Schwarzfahrens zur Strafkasse geschickt werden, Harn- und Stuhldrang möge euch plagen bis kurz vorm Zerreißen und jede Haltstelle soll aus nichts als Toiletten bestehen (dumm nur, dass ihr ja nie aussteigen könnt), in Erbrochenem von Wochenendnachtfahrgästen sollt ihr stehen bis zu den Knöcheln, der Schweiß soll nicht nur die Fenster beschlagen, sondern auch von der Decke tropfen, der U-Bahnfahrer soll in die U-Bahnhöfe bremsruckeln, dass es euch fast auskommt, der Fahrgast neben euch möge Elektro hören, als sei Samstagnacht im Club, in den Kreißsaal sollt ihr dringend müssen und auf eine Beerdigung, zu einer Prüfung wie zur Konkursverhinderung eurer Firma, der Blinddarm möge euch plagen in der Größe vom Schoße bis zum Halse, die rettenden Insulinspritzen mögen in den U-Bahnhöfen bereitstehen (dumm nur, dass ihr ja nicht aussteigen könnt), euer Vater möge euch vom vorderen Abteilende beäugen und eure Mutter vom hinteren, die Lampen sollen flackern und [Fragment]

Frau Lärm: Dann bleibe ich liegen

Einatmen
Ausatmen
Die Schwerkraft drückt mich auf das Laken
Die Decke speichert meine Wärme
Ich muss nur atmen
Ich atme und schaue an die weiße Decke über mir
Die Decke ist nicht der Himmel
Die Decke ist kalt
Leblos
Aber die Wände verletzen mich nicht
Sie schützen mich, vermeintlich
Manchmal öffnet sich in meinem Leben ein Loch
Und dann zieht es mich an diesen Ort
Dass hier auch Andere waren
Erscheint mir unwirklich
An manchen Tagen bin ich gerne verkatert
Damit ich den ganzen Tag hier sein kann
Manchmal werden meine Lider schwer
Ohne Grund, nein, weil sich die Aufgaben türmen
Nichts zu tun, keine Erwartungen
Entspannung
Bis mein Rücken vom Stillstand schmerzt
Und ich aufstehe, oder dann liegen bleibe

M: Schmetterling

Farbe dünn wie Blatt Papier
trägt den Sonnentanz
frei im Licht die feine Zier
prächtig strahlt der Glanz.
Finger, schmal wie Spinnenbeine
greifen, fangen, knicken, brechen.
Kräftig, grob wie rauhe Steine
bunt bemalte Flächen.
Nadel sticht den kleinen Körper
fest an harten Tafelkork
Flügel blühen für den Mörder,
Tage, Jahre, fort und fort.

Fabian Lenthe: Du drängst durch Lücken und Spalten

Du drängst durch Lücken und Spalten
Hetzt Mauern entlang
Hastest durch Felder
Fällst Hänge hinab
Spuren von Flucht an den Sohlen
Armen und Beinen
Aus deiner Haut sprießt Angst
Wurzelt tief in den Poren
Du bleibst fern von den Lichtern
Sie verraten dich nur
Aus den Ecken klappernde Kiefer
Das Knacken von Knochen
Hinter dir sammeln sich Schatten
Am Ende der Straße ein Haus

 

Untot in Gostenhof: (2) "Hochzeitsvorbereitungen im Wald"

Der Schnee fiel in dicken Flocken vom nächtlichen Himmel über der Stadt, als ein silbernes Auto langsam um die Ecke einer verwaisten Straße bog und vor einem uralten Wohnhaus stehen blieb, über dessen Hauseingang zwei fauchende Fratzen, die kunstvoll in den Sandstein geschlagen waren, die Besucher willkommen hießen. Wie aufquellender Hefeteig wälzte sich Dunkelheit zwischen den spärlich gesetzten Straßenlaternen, in deren blass-gelben Lichtkegeln die Schneeflocken wie Schmetterlinge tanzten. Die junge Frau am Steuer des Wagens trug trotz der Finsternis, die sie umgab, eine Sonnenbrille.
Sie zündete sich eine Zigarette an, deren Glut ihrem bleichen Gesicht einen orangefarbenen Schimmer verlieh. Sie blies den Rauch gegen das beschlagene Seitenfenster und drückte zwei mal hintereinander scharf auf die Hupe. Kurz darauf öffnete sich die Tür des Hauses, in dessen Fenstern nirgendwo Licht brannte. Zwei dunkle Gestalten traten heraus, beide waren in dicke schwarze Mäntel gehüllt und barhäuptig, das Haar stand ihnen in wilden Büscheln vom Kopf, dem kleineren der beiden wie ein Reisigbesen steil nach oben, dem anderen in alle Richtungen wie ein weißer Flammenkranz.
»Hallo, Ida«, sagte der kleinere der beiden Männer.
»Hallo Schattenloser. Hallo Onkel Serban«, begrüßte Ida ihre beiden Fahrgäste.
Ida gab behutsam Gas und lenkte das Fahrzeug vorsichtig durch die frische Schneedecke um die nächste Kurve. Die Spur der Räder erinnerte Passanten, die wenig später über die Kreuzung stapften, an eine große Schlange, die sich um eine Frauengestalt windet, aber natürlich waren die Sichtverhältnisse miserabel und die Leute betrunken. Der Schattenlose saß in der Mitte der Rückbank und beugte sich so weit vor, dass er Ida seitlich ins Gesicht sehen konnte.
»Bei allen heulenden Höllenhunden«, sagte er, »ich bin Dir unendlich dankbar, Ida, dass Du uns bei diesem Sauwetter in den Wald fährst.«
»Keine Ursache, Alter«, sagte Ida und ließ den Wagen mit Hilfe der Handbremse um eine scharfe Kurve schlittern. »Die Angelegenheit fängt bereits an, mir Spaß zu machen.«
»Weißt Du schon, was Du morgen Nacht auf der Hochzeit anziehen wirst?« fragte Onkel Serban seine Nichte und zündete sich einen Zigarillo an.
»Wärst Du so nett und würdest mir auch eine Kippe anzünden?« erwiderte Ida, »Ehrlich gesagt, weiß ich es noch nicht. Ich schwanke noch zwischen einem rückenfreien schwarzen Kleid mit langen Ärmeln und dem schwarzen Kleid mit dem tiefen Ausschnitt, das ich bei Tante Mathildas zweihundertstem Geburtstag anhatte.«
»Du siehst sowieso immer umwerfend aus«, schmeichelte der Schattenlose. Ida zog missbilligend den linken Mundwinkel empor und entblößte einen langen, kalkweißen und nadelspitzen Eckzahn. »Spar dir deine leblosen Komplimente! Wie bist Du eigentlich mit dem Bräutigam verwandt, Schattenloser?« fragte sie den Schattenlosen.
»Das ist ein wenig kompliziert. Sein Urgroßvater und der Großonkel meiner Mutter sind Halbgeschwister. Degenerierter Landadel, sie stammen aus der Gegend um Schäßburg.«
»Ha« quittierte Ida diese Erklärung. »Im Vergleich zu unserer Sippe in Transsylvanien sind das ja geregelte Verhältnisse!«
Inzwischen hatten sie die letzten bewohnten Vororte hinter sich gelassen und Ida steuerte den Wagen sicher über Feld- und Forststraßen tief in den Wald, der sich rings umher schwarz über das hügelige Gelände ausbreitete.
»Wo genau müssen wir lang, Onkel Serban?« fragte Ida.
»Noch ein wenig geradeaus, die Anhöhe dort vorne hoch und danach bis zu einer Wegkreuzung. Dort halten wir uns links und sind dann auch schon da.«
Bald hielt Ida auf ein Zeichen Serbans hin den Wagen an und stellte den Motor ab.
»Ich warte hier auf euch«, sagte Ida, nachdem im und um den Wagen eine Weile absolute Stille geherrscht hatte.
»Wir werden uns beeilen«, versicherte Serban, »Und es macht dir wirklich nichts aus, im Auto auf uns zu warten?«
»Nein, gewiss nicht. Göring wird mir Gesellschaft leisten, stimmt’s Göring?«
Eine fette schwarze Spinne seilte sich vom Dachhimmel des Wagens herab. Sie blieb auf Höhe des Rückspiegels, der ein menschenleeres Wageninneres zeigte, hängen und signalisierte Zustimmung, indem sie leicht am Faden wippte.
Serban und der Schattenlose stiegen aus, und Serban schulterte seine antike Schaufel. Die beiden verschwanden zwischen den dicht wachsenden Fichten.
»Wie weit ab vom Weg liegt er?« fragte der Schattenlose, dessen kantige, breite Schultern wie ein Pflug durchs Unterholz brachen. Klebriger Schnee platschte von den Ästen und tote Zweige knackten unter dem festen Tritt der Männer.
»Sechsundsechzig Schritte von der verdorrten Birke aus«, erklärte Serban. Er wirkte gegenüber seinem Begleiter sehr groß und elastisch, und zwischen seinen Lippen, die er stumm bewegte, während er zählte, dampfte der kurze Rest des Zigarillos. Nach genau sechsundsechzig Schritten blieb er stehen und rammte die Schaufel in den Boden.
»Hier ist es«, verkündete er, indes er keinen Zweifel an der Richtigkeit seiner Angabe ließ. Sie begannen abwechselnd zu graben und hoben in kürzester Zeit ein rechteckiges Loch aus, das genauso breit und so lang war wie ein Grab.
»Oh weh, mein Kreuz«, stöhnte Serban einige Male, wenn er sich gerade aufrichtete. »In meinem Alter sollte man einfach nicht mehr nachts im Wald Löcher graben.«
Dann stießen sie schließlich auf die vermoderten Reste eines Bretts, das sie behutsam aus der Grube zogen, so dass das Skelett eines darunter begrabenen Toten offen vor ihnen lag. Serban machte seinen Arm ganz lang und griff routiniert nach dem Brustbein des Toten, dessen Knochen von ledrigen Resten der Sehnen zusammen gehalten wurden. Serban zog den Knochenmann aus der Grube und streckte ihn auf der frisch ausgehobenen Erde daneben aus.
»Und – hast Du ihn?« fragte der Schattenlose und beugte sich über Serban, der sich in der Hocke an den knöchernen Händen zu schaffen machte. Um die Halswirbelsäule des Toten baumelte eine abgeschnittene Schlinge, das Seil war ausgefasert und verschimmelt, aber der Knoten hatte der Verwesung standgehalten.
»Hier! Wie ich es sagte, er trägt ihn noch am Finger«, frohlockte Serban.
Er richtete sich auf und hielt einen kleinen Gegenstand zwischen Daumen und Zeigefinger dicht vor sein Gesicht. Nachdem er den Ehering mit ein paar Tropfen Spucke an seiner Hose sauber gerieben hatte, glänzte das Gold im diffusen Widerschein, der zwischen den schneebedeckten Ästen hindurch sickerte.
»Danke, dass Du mir aus der Patsche geholfen hast, Serban. Als ich heute Morgen mit nur einem Ring da stand, war ich am Rande der Verzweiflung.«
»Kein Problem, Schattenloser«, winkte Serban ab und tätschelte die Schulter des Anderen. »Wir sollten jetzt zum Auto zurückgehen und zuvor möglichst rasch den Kollegen hier wieder in seine Grube schaffen. Ich bin ebenso bis aufs Gebein durchgefroren wie er hier.«
»Geht mir genauso. Ich habe mir schon gestern geschworen, dass ich mich zum letzten Mal freiwillig um Hochzeitsringe für die junge Anverwandtschaft gekümmert habe.«


 

Erzähler: Carsten Striepe
Ida: Julia Gruber
Onkel Serban: Moses Wolff
Der Schattenlose: Philipp Abel

Regie/Schnitt:
Lukas Münich
Titelmusik:
Andreas V. Weber

Holger Kellmeyer: FRIENDS

Ich weiß bis heute nicht
Wieso wir uns verliebt hab’n
Und ausgerechnet
Wir beide in einander.
Ich weiß bis heute nicht
Wieso wir uns geliebt hab’n
Und ausgerechnet
Hier und nicht bei dir.
Ich weiß bis heute nicht
Wie du mich verführt hast
Und ausgewechselt
War ich danach dann sowieso
Ich will’s auch gar nicht wissen
Will nichts kapieren, nichts versteh’n
Ich will nur immer bei dir sein.
Ich will nur immer bei dir sein.
Ich weiß bis heute nicht
Wieso wir so verrückt war’n
Uns zu verlassen
Immer wieder hin und her
Ich weiß bis heute nicht
Wieso wir so viel Glück hatten
Uns zu begegnen
Immer wieder hier bei mir.
Ich will’s auch gar nicht wissen
Will nichts kapieren, nichts versteh’n
Ich will nur immer bei dir sein.
Ich will nur immer bei dir sein.
Wie Ross und Rachel sind wir
Hin und her gependelt
Wie eine Story, die
nicht wirklich enden will
Zweitausend Staffeln haben wir
Miteinander geschlafen
Zweitausend Staffeln haben wir
Gestritten und geliebt.
Ich will’s auch gar nicht wissen
Will nichts kapieren, nichts versteh’n
Ich will nur immer bei dir sein.
Ich will nur immer bei dir sein.

Stefan Lienerth: Sascha 27

Sascha 27
Haha ich weiss nicht was ich in die blöde Beschreibung reinschreiben soll ich mag zu vieeeel xD
Online Dating ist ja eigentlich nicht so mein Ding aber ich hab so wenig Zeit neben all meinen Interessen.
Gin-Fanatiker! Nicht regelmäßlig lol ist ja klar aber wenn Gin dann nur Guten nicht so ein Bombay Zeug!
So ein richtiger guter Gin Tonic bei dem man über Aromen und Körper sprechen kann.
Aber nicht dass ich so ein Thema zum sprechen brauch weil ich bin ganz easy um mit zu reden also easy going haha.
Eigentlich bin hier hier gar nicht weil ich es muss, wollts nur mal austesten.
Ich tanze gerne auch mal die ganze Nacht also kannst du dich auf schlaflose Nächte eisntellen.
Live every day to the fullest.
Ich würde sagen Carpe Diem ist mein Motto, also bin ich abenteuerlustig nur so als keine Vorwarnung.
Unzähmbar und immer zu Scherzen aufgelegt also nimm mir nicht alles übel.
Ich bin ein Freigeist und das kann mir keiner nehmen.
Ich lieeeebe essen und schlafen ich könnte das ganze Wochenende nur essen und schlafen, sorry wenn ich jetzt crazy rüberkomme.
Work hard play hard.
Ich liebe reisen wer die Welt nicht gesehen hat der hat was verpasst.
Man kann die ganze Welt entdecken also wäre es Verschwendung nicht zu reisen.
Reisen ist Horizonterweitern, wer nicht reist hat lebenszeit verschwendet.
Wer nicht reist hat sein Leben verschwendet.
Ich habe nicht mein Leben verschwendet.
Denn ich reise gerne und oft.
Ich habe auf meinen Reisen so viel gelernt das kann keiner lernen der nicht reist.
Da ich an so vielen Orten war bin ich Welt-gebildet.
Durch meine Leidenschaft das Reisen bin ich um so viele Erfahrungen reicher.
Als ihr die nicht reist.
Ich habe so viel gesehen.
Die Welt ist schön.
Reisen vollendet mich.
Ständig unterwegs.
Überall hin.
Du solltest gut aussehen weil mal ganz ehrlich du solltest gut aussehen.

Untot in Gostenhof: (1) "Besuch am Balkon"

Durch die geöffnete Tür zum Balkon erschallte die Klingel an der Wohnungstür. Tante Mathilda stand auf und strich sich die Schürze glatt. „Nanu?“, sagte sie, „Besuch, so spät am Nachmittag? Erwartest Du noch einen Deiner Saufbrüder, Serban?“
Serban, der sich entspannt in seinem schwarzen Korbstuhl zurück gelehnt und die Beine ausgestreckt hatte, schüttelte den Kopf mit dem imposanten, weißen Haarschopf.
„Nicht dass ich wüsste“, sagte er und lächelte ein spitzbübisches Lächeln.
„Ach!“, rief Mathilda aus, „ich weiß, wer es ist! Es ist bestimmt der junge Mann aus dem dritten Stock, der sein Paket abholen will.“
Sie verschwand in der Küche, um zu öffnen. Es war ein herrlicher Sommertag, der gerade zu dämmern begann, und Ida saß seit dem Mittagessen mit ihrem Onkel Serban und ihrer Tante Mathilda auf dem Balkon. Auf dem Tisch stand noch das benutzte Geschirr vom Kaffeetrinken, ein paar Kirschkerne auf den Tellern waren das einzige, was von der großen, roten Sahnetorte übrig geblieben war.
Nach ein paar Minuten kam Mathilda zurück und schob einen jungen, dünnen Mann mit einer sehr geraden Nase und schmalen Lippen vor sich hinaus auf den Balkon.
„Ich dachte, der Herr Weber möchte sich auf eine Tasse Kaffee zu uns setzen. Einen so schönen Abend muss man auskosten!“
Ida seufzte und klopfte die Asche ihrer Zigarette am Balkongeländer ab. Sie wusste genau, dass ihre Tante permanent auf der Suche nach einem passenden Ehemann für sie war.
„Hallo“, sagte sie gelangweilt.
„Setzen Sie sich doch junger Mann“, sagte Onkel Serban leutselig.
„Noch einen Kaffee für Sie?“, fragte Tante Mathilda. „Oder darf es ein kleiner Kognak sein? Wir haben da einen ausgezeichneten bulgarischen… ?“
„Danke, weder noch. Ich will auch gar nicht lange stören“, sagte Herr Weber artig.
„Was arbeiten Sie eigentlich, Herr Weber?“, fragte Tante Mathilda. Sie legte großen Wert darauf, dass Idas zukünftiger Ehemann auch in der Lage wäre, eine Familie zu versorgen.
„Ich bin Ingenieur und habe mich auf Audio-Technologie spezialisiert. Ich arbeite in einem Forschungslabor, das Breitband-Mikrofone entwickelt“, antwortete der junge Mann.
„Oh, sehr interessant“, sagte Tante Mathilda, ohne sich wirklich für die Einzelheiten zu interessieren. Sie beobachtete Ida, die gelangweilt rauchte und mit den Augen, die hinter einer Sonnenbrille verborgen waren, den dunkelnden Himmel absuchte.
„Da!“, rief Ida, „Die erste Fledermaus!“
„Tatsächlich“, rief Herr Weber begeistert aus. „Diese Tiere sind etwas ganz besonderes! Sie orientieren sich mit Ultraschall-Impulsen, und können so auch Nachts zwischen den Bäume fliegen, ohne anzustoßen. Ich habe während meiner Diplomarbeit für einen Biologen einen Konverter entworfen, der Ultraschall-Signale in den hörbaren Bereich herunter bricht…“
„Interessant“, sagte nun auch Onkel Serban. „Wollen sie eine aus der Nähe ansehen?“
„Wie meinen Sie das, aus der Nähe?“, fragte Herr Weber verständnislos.
Doch anstatt zu antworten, stand Serban auf, und schleuderte mit einer Geschwindigkeit, die man bei einem Mann seines Alters nie erwarten würde, seine Hand nach vorne. Der Arm schien sich dabei über das gewöhnliche Maß hinaus zu stecken, im Zwielicht sah er aus wie ein Teleskop, das länger und länger wird, und im Schwung von Serbans Bewegung flatterten die Rockschöße seines altertümlichen Jacketts. Als Serban seinen Arm wieder einzog und sich hinsetzte, hielt er die rechte Faust fest geschlossen. Mit der linken Hand rieb er sich die Schulter.
„Argh! Mein Rücken ist wirklich nicht mehr das, was er mal war!“, stöhnte er, „Dieser verdammte Rheumatismus …“
„Das kommt davon, wenn man sich in jeder kalten und feuchten Nacht auf dem Friedhof herumtreibt“, belehrte ihn Mathilda überflüssiger Weise, aber man sah ihr deutlich an, dass sie im Grunde ihres Herzens die Schmerzen ihres Mannes mitfühlte und ihn, ohne sich selbst je zu schonen, pflegen würde.
Ida grinste verstohlen, und zündete sich die nächste Zigarette an. Sie amüsierte sich über das verdutzte Gesicht des jungen Mannes, der nun stotternd protestierte: „Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass Fledermäuse unter Artenschutz stehen. Und auch Tollwut übertragen können, also vielleicht sollte man sie nicht einfach berühren oder so…“
„Wollen Sie sich das Tier nicht ansehen?“, fragte Serban, „Nein? Macht auch nichts,“ fuhr er fort und schob sich den Inhalt seiner Faust in den Mund. Er kaute ein wenig darauf herum, und man konnte das Knacken von zerbrechenden winzigen Knochen hören. Herr Weber wurde blass. Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
„Ich glaube, ich muss jetzt gehen“, sagte er hastig. „Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Sie nicht aufhalten. Nein, nein, ich finde alleine zur Tür.“
Im Handumdrehen war er verschwunden. Mathilda warf Serban einen strengen Blick zu: „Musst Du immer diese albernen Spielchen treiben, Serban?“ sagte sie tadelnd.
Serban spuckte die Splitter eines zermalmten Kirschkerns auf seinen Teller.
„Ich bin dir dafür dankbar, Onkelchen“, verkündete Ida, „dieser blutleere Typ ging mir von Anfang an auf die Nerven. Ein Ingenieur… !“
„Ida! So wirst du nie einen Mann abkriegen!“, schimpfte Mathilda.
„Will ich das, Tante Mathilda?“
Tante Mathilda schwieg beleidigt und machte sich daran, das Geschirr in die Küche zu tragen. Serban und Ida kicherten in unausgesprochenem Einverständnis. Dann steckte sich Onkel Serban einen Zigarillo in den Mundwinkel und Ida stieß zwischen den  Zähnen einen schrillen Pfiff aus.
Nur wenige Sekunden später landete die erste Fledermaus auf dem Balkongeländer. Ida schob den Ärmel ihres schwarzen Kleides hoch über den Ellenbogen und hielt ihren blütenweißen Unterarm dem Tier vor die Nase. Die Fledermaus neigte sich nach vorne und biss zärtlich in das helle Fleisch. Weitere Fledermäuse folgten und bald wimmelte der Balkon von schwarzen ledrigen Schwingen.
„Ach, ein so schöner Abend! Ich hätte nicht wenig Lust, meine Freundin Isabella zu besuchen“, seufzte Ida.
„Isabella?“, fragte Mathilda, die sich wieder zu Serban und Ida gesetzt hatte, mit übertriebenem Erstaunen. „Isabella? Du hast Isabella doch seit mindestens fünf Jahren nicht mehr besucht!“
„Ach Tantchen, nun übertreib mal nicht. So lange ist sie doch noch nicht einmal tot…“


Erzähler: Carsten Striepe
Ida: Julia Gruber
Onkel Serban: Moses Wolff
Tante Mathilda: Verena Schmidt
Herr Weber: Patrick Rank
Regie/Schnitt:
Andreas V. Weber
Titelmusik:
Andreas V. Weber

Raphael Stratz: Wie wir uns einander passend machen

Ein einzelner Staubfussel kann viel verursachen. Gerät er in einen Rauchmelder, so schlägt dieser unter Umständen falschen Alarm, woraufhin große Fertigungshallen geräumt werden müssen, die Produktion für etwa zwanzig Minuten zum erliegen kommt und wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe entstehen. Außerdem können die produzierten Waren deshalb nicht rechtzeitig geliefert werden, was einen Handelskrieg mit Paraguay auslöst und letztlich zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Kanada und Dänemark führt.
Ein einzelner Staubfussel könnte auch, sollte er nicht ordnungsgemäß entfernt worden sein, in einem Operationssaal landen. Dort gelangt er an das Besteck der zuständigen Ärztin und verbleibt schließlich im Körper des zu operierenden. Da der arme Mensch aber eine Augentransplantation erhält und sich das kleine Stück Schmutz gar ungünstig hinter seinen neuen Sehapparat klemmt, muss dieser nun für den Rest seines Lebens die Welt wie durch ein beschlagenes Fernglas betrachten.
In meinem Fall fiel der Fussel auf mein Mobiltelefon. Er entschloss sich, dies zu tun, als ich gerade im Wartebereich eines großen deutschen Bahnhofes saß und auf eben jenem Mobiltelefon mit einer Datingapp spielte. Mir war nicht ganz klar, woher er gekommen sein mochte, befand ich mich doch in einem riesigen Saal mit etwa dreißig Meter hohen Decken. Doch vielleicht hatte er einfach einen der vorbeihastenden als Transportmittel genutzt, um auf meinem Telefon Platz nehmen zu können.
Kurz betrachtete ich meinen ungebetenen Gast, entschloss mich dann, meine gute Kinderstube zu ignorieren und wischte ihn beiseite. Dies war der Moment, in dem Miriam in mein Leben trat.
Sie hatte sich unter dem Schmutz befunden. Genauer gesagt: Sie war innerhalb meines Mobiltelefons gewesen und hatte mich durch dessen Bildschirm hindurch angeblickt. Als ich nun den Staub beiseite wischte, signalisierte ich der Datingapp, dass sie mir rein optisch und aufgrund der spärlich angegebenen Informationen interessant erschiene. Es stellte sich heraus, dass Miriam mich, als ich sie meinerseits durch den Bildschirm ihres Gerätes hindurch angrinste, ebenfalls für attraktiv befunden hatte. Dies wurde mir auch umgehend angezeigt. Ich freute mich ein wenig über diesen unverhofften Zufall, hatte ich doch gar nicht beabsichtigt, sie gar so offensiv zu bestätigen und nur ein Stückchen Staub hinfortwischen wollen. Dann beließ ich es aber dabei, hatte ich ja nur ein Stückchen Staub hinfortwischen wollen und mich mit ihrem Profil gar nicht auseinander gesetzt.
Wäre sie tatsächlich interessant, so dachte ich mir, würde sie mir schon eine Nachricht schreiben, in der sie mir dies zeigte.
Sie schrieb mir tatsächlich, einen Tag später:
„Schreibst du mir auch irgendwann?“
Die Nachricht als Solche überraschte mich. War sie es doch, die mir in diesem Moment schrieb und natürlich würde ich ihr auf diese Nachricht antworten. Wir wären hier wieder bei meiner guten Kinderstube.
„Ja.“ Antwortete ich also wahrheitsgemäß.
Ihr schien meine knappe, präzise Art nicht sonderlich zu imponieren, doch irgendetwas daran musste es ihr angetan haben. Sie schien es nun nämlich als eine Art Herausforderung zu sehen, mir mehr zu entlocken. Sie durchlöcherte mich mit allerhand Fragen, die ich ihr selbstverständlich wahrheitsgemäß beantwortete und erfuhr auch einiges über sie.
Wir schrieben in der folgenden Zeit sehr viel mit einander. Miriam hatte ohne Zweifel auch mich neugierig auf sie gemacht. Ich erfuhr, was sie beschäftigte, sie womit ich meine Zeit verbrachte und mein Geld verdiente, ich von ihrer Familie und Träumen.
Nach einigen Wochen fragte sie mich, ob ich nicht denke, dass es langsam aber sicher an der Zeit wäre, sie auf ein Date einzuladen.
Warum sie nicht einfach mich einlüde, fragte ich zurück.
Weil das so ginge, dass der Mann die Frau einlädt und nicht umgekehrt, erklärte sie mir. Ob ich ein Feminist sei, wollte sie wissen.
Ich erklärte ihr daraufhin, dass ich sehr wohl ein solcher bin, es aber ganz unabhängig davon einfach erwachsen von ihr fände, wenn die Frage nach einem Date von ihr käme, wenn sie sich eines wünschte. Sie lies sich davon nicht beeindrucken und bestand weiterhin darauf, wenn dann hätte ich sie einzuladen.
Dies tat ich einige Zeit später, als mir danach war. Wir trafen uns, verstanden uns prächtig und vereinbarten, uns wieder zu sehen. In der darauf folgenden Zeit hatten wir viele Treffen, wir waren einander sehr sympathisch und unsere Gespräche wurden zunehmend intimer.
Als wir eines Abends nach einem sehr romantischen Date mit anschließendem Spaziergang vor der Tür ihres Wohnhauses angekommen waren, fragte sie mich, ob ich sie nun nicht endlich einmal küssen wolle. Ich fragte sie, weshalb sie mich denn nicht einfach selbst küsste, woraufhin sie erwiderte, ich sei der Mann, weshalb unser erster Kuss zwangsläufig von mir ausgehen müsse.
Ich dachte in diesem Augenblick nicht viel nach und küsste sie auf den Mund, was ich kurz darauf bereute. Ich bereute es nicht des Kusses wegen. Dieser war für sich genommen absolut akzeptabel und nichts wofür man sich hätte schämen müssen. Ich bereute es, weil ich ihr durch diesen Kuss in ihrem Denken, er müsse von mir kommen, Recht gab.  Allerdings wischte ich diesen Gedanken beiseite, als mir aufging, dass es sich nun ohnehin nicht mehr rückgängig machen ließ. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass sie nun, da wir uns noch einmal näher gekommen waren, künftig sicher emanzipierter, zumindest mir gegenüber auftreten konnte.
Ich täuschte mich.
Miriam und ich entwickelten in den darauf folgenden Monaten eine Beziehung mit einer etwas merkwürdigen Dynamik. Sie hielt an ihren insgesamt doch recht traditionellen Rollenbildern fest, die besagten, jede Initiative habe von mir – als Mann – auszugehen. Währenddessen wünschte ich mir eine aufgeklärte, emanzipierte und feministische Frau an meiner Seite. Ich hatte nie den Anspruch an sie, eine Vorkämpferin für Frauenrechte zu sein und chauvinistischen Mannsbildern öffentlich die Stirn zu bieten. Dennoch wäre es mir zu wissen lieb gewesen, dass sie ihren eigenen Kopf hatte und ihren Willen auch klar definieren und durchsetzen konnte.
Im Prinzip war dies auch der Fall. Sie hatte ihre Vorstellungen davon, wie Dinge zu laufen hatten, aber das waren andere als die meinen.
Sie war der Meinung, ein Mann hätte die Frau in einer Liebesbeziehung zu führen und dies nach einem speziellen, althergebrachten Schema. Dieses betraf das gesamte Leben: Ich sollte entscheiden, wohin wir Essen gingen, wenn wir dann im Restaurant saßen, musste ich die Rechnung bezahlen. Saßen wir vor dem Fernseher, so sollte ich das Programm auswählen und dann die Fernbedienung in Beschlag nehmen. Es war auch der Fall, wenn wir mit einander schliefen, aber das geht niemanden etwas an.
Sie bräuchte einen Mann, der zeige, wo es langgeht, erklärte Miriam mir immer wieder.
Ich machte ihr daraufhin jedes Mal klar, wie wichtig es mir war, dass meine Partnerin selbst weiß, was sie will.
Aber das wisse sie doch ganz genau, entgegnete sie daraufhin immer wieder: Einen Mann, der zeige, wo es langgeht.
Wir waren etwa sechs Monate ein Paar, als mir aufging, dass wir uns missverstanden. Wir waren genau das, wir jeweils brauchten:
Ich zeigte an, wo es lang geht, indem ich von ihr forderte, mir zu sagen, was sie wollte.
Sie hatte ihren eigenen Willen, den sie mir dann erklärte.
Ich wiederum zeigte dann wieder an, wo es langging, indem ich das von uns beiden diskutierte Ergebnis zu meinem Willen machte und diesen durchsetzte.
Letztlich bekamen wir beide, was wir wollten. Zumindest in unseren Köpfen. Mir ist natürlich klar, dass das keinesfalls optimal ist, aber ich finde mich damit ab. Inzwischen sind wir seit beinahe drei Jahren zusammen und ich rechne damit, dass Miriam mir demnächst nahelegt, ich möge ihr einen Heiratsantrag machen. Wie ich darauf reagieren werde, weiß ich noch nicht. Vermutlich werde ich kein vernünftiges Argument dagegen finden.
Es ist erstaunlich, was ein einzelner Staubfussel auslösen kann.