Carsten Stephan: Vorteilhafte Farben

Allzeit chic statt à la mode
Mit Hohenheim & Richards


Es ist eine Unnatur, eine bestimmte
„Modefarbe“ aufzustellen, und es ist
noch unnatürlicher, daß diese Farbe
pflichtschuldigst getragen wird,
ob sie kleidet, oder ob sie die Trägerin
zur Vogelscheuche macht.

Die Farben und ihre Kombination sind
so außerordentlich zahlreich, lassen sich
doch allein die sieben Farben des
Regenbogens mehr als fünftausendmal
umstellen! Wir müssen uns daher
auf das Wichtigste beschränken:

Rot und Grün.
Rot und Blau.
Rot und Blaugrün.
Rot und Ultramarin mit Gold aufgeputzt.
Rot und Gold mit Schwarz.
Rot und Gold mit Weiß.
Rot (dem Karmesin genähert) und Goldgelb mit Weiß.

Zinnober und Grasgrün mit Weiß.
Zinnober und Blaugrün.
Zinnober und Berliner Blau.
Zinnober und Gold mit Weiß oder Schwarz.
Zinnober und Gelb mit Weiß und Schwarz.

Ziegelrot und Berliner Blau.
Ziegelrot und Indigoblau.
Ziegelrot und Blaugrün.
Ziegelrot und helles Gelbgrün.
Ziegelrot und Orange.

Karmesinrot und Gold
Karmesinrot und Kanariengelb.
Karmesinrot und Gelbgrün mit Weiß.
Karmesinrot und Grün.
Karmesinrot und Meergrün.
Karmesinrot und Grün mit Weiß.
Karmesinrot und Gold (goldgelbe Seide).
Karmesinrot und Berliner Blau mit Weiß.

Purpur und Karmesin, wenn Purpur eine
           Schattierung von Karmesin ist.
Purpur und Goldgelb.
Purpur und Gold.
Purpur und Gelbgrün mit Weiß.
Purpur und Grün.
Purpur und Grün mit Weiß.
Purpur und Grün mit Weiß und Schwarz.
Purpur und Meergrün.Purpur und Berliner Blau mit Weiß.
Purpur und Kanariengelb (sehr lebhaft).
Purpur und Spangrün (lebhaft, aber hart).

Kanariengelb und Karmesin, sehr lebhaft.
Kanariengelb und Gelbgrün,      „         „
Kanariengelb und Grüngelb,      „         „
Kanariengelb und Violett.
Kanariengelb und Lila mit wenig Schwarz, letzteres
           darf aber nur mit Lila in Berührung treten.
Orange und Ultramarin.                        }
Orange und Berliner Blau.                    }     Sehr lebhaft,
Orange und Ultramarin mit Weiß.   }     glänzend.
Orange und Grün.
Orange und Violett.
Orange und Violett auf Grün oder Grüngelb.
Orange und Lila (Fliederblau) auf Weiß.

Gold und Ultramarin.
Gold und reines Rot.
Gold und Karmesin.

Goldgelb und Ultramarin.
Goldgelb und Purpur.
Goldgelb und Violett.
Goldbraun (Dunkelgoldgelb) und Grün.

Grasgrün und Violett (auch mit Weiß, oder Weiß
           und Schwarz).
Grasgrün und Purpur (auch mit Weiß, oder Weiß
           und Schwarz).
Grasgrün und Karmesin (auch mit Weiß, oder
           Gold, oder goldgelber Seide).

Spangrün und Braun.
Spangrün und Rot, getrennt durch viel Weiß.
Spangrün und Orange      „          „          „       „
Spangrün und Violett         „          „          „       „
Spangrün und Blau             „          „          „       „
Spangrün und Gelb              „          „          „       „
Spangrün und Purpur, hart, schreiend.
Spangrün und Rot,          „            „
Spangrün und Orange   „            „

Meergrün und Ziegelrot.
Meergrün und Zinnober.
Meergrün und Gelb.
Meergrün und Karmesin.
Meergrün und Violett, in bunten Mustern.
Meergrün und Purpur   „      „          „
Meergrün und Blau        „      „          „

Gelbgrün und Cochenillekarmin, sehr lebhaft.
Gelbgrün und Ziegelrot,                   „        „
Gelbgrün und Zinnober                    „        „
Gelbgrün und Violett (auch mit Weiß).
Gelbgrün und Purpur mit Weiß.
Gelbgrün und Karmesin mit Weiß.
Dunkelgrüngelb und Blau.
Braungrün und Blau.

Berliner Blau und Rot.
Berliner Blau und Ziegelrot.
Berliner Blau und Zinnoberrot.
Berliner Blau und Ultramarin.
Berliner Blau und Orange mit Weiß.
Berliner Blau und Gold mit Weiß.
Berliner Blau und Purpur mit Weiß.
Berliner Blau und Lila (Fliederblau).
Berliner Blau und Karmesin mit Weiß.

Ultramarin und Rot, besonders mit Gold aufgeputzt.
Ultramarin und Goldgelb.
Ultramarin und Orange.
Ultramarin und Orange mit Weiß.
Ultramarin und Braun.
Ultramarin und Berliner Blau.

Violett und Gold.
Violett und Goldgelb.
Violett und Chromgelb.
Violett und Orange, als Muster auf grünem oder
           gelbgrünem Grunde, auch auf weißem
           Grunde, wenn das Violett einer hellen
           Nuance (Lila) angehört.
Violett und Lichtgrün.
Violett und Grasgrün (auch mit Weiß, oder
           Schwarz auf Weiß).
Violett und Meergrün in bunten Mustern.
Violett und Spangrün, durch viel Weiß getrennt.
Violett und Berliner Blau.
Violett und Hellchromgelb mit Schwarz, wenn
           Schwarz nur mit Hellviolett in Berührung
           tritt.

Lila, Gelb, Blau und Rot.
Lila, Grün, Rot und Blau.
Violett, Gelb, Blau und Rot.
Violett, Grün, Rot und Blau.

Purpurrot, Grün, Berliner Blau und Gelb.
Purpurrot, Weiß, Berliner Blau, Weiß u. Gelb.
Purpurrot, Hellgrau, Berliner Blau, Hellgrau und
           Gelb.
Berliner Blau, Grün, Purpurrot und Gelb.

Orange, Grün und Violett.
Orange, Grün, Violett und Gelb.
Orange, Blaugrün, Gelbgrün und Violett.
Orange, Spangrün und Violett.
Orange, Grün und Violett auf Weiß.
Dunkelorange (Braun), Grün und Violett.
Hellviolett (Lila), Hellblaugrün und Gold.

Rot (einfaches), Grün und Gold.
Karmesinrot, Grün und Gold
Karmesinrot, Grün, Gelb mit Orange.
Gelb mit einer Schattierung von Rot und einer
           solchen von Grün.
Berliner Blau, Rot, Grün und Gelb.
Berliner Blau, Karmesin, Grün und Gelb.
Violett, Grün, Rot und Gelb.

Carsten Stephan: Herrenschneider Waltraud Buckel

Trotz ihres Namens voller Liebreiz
War Buckel Traudel, blass und zart.
Sie ward ein hübscher Herrenscheider,
So einer von der sanften Art.

Die Lehrzeit bot ihr bloß Schablonen,
Da wurde Traudel nonkonform.
Sie träumte von der eignen Handschrift,
Entfernte sich rasch von der Norm.

Wozu denn Faden? Wozu Nadel?
Wozu die Massenkonfektion?!
Das war ihr Credo. Aber nicht das
Der Herrn der Prüfungskommission.

Doch lagen sie ihr bald zu Füßen,
Das gaben Traudels Schnitte her:
Den Herren auf den Leib geschnitten,
Mit ihrer großen, scharfen Scher’.

Sie sorgte auch für andre Herren,
Und stets war es der letzte Schrei.
Jedoch hieß Freigeist auch Gefängnis,
Zum Glück kam unsre Traudel frei.

Der Westen zahlte und man raunte,
Die Traudel sei ihm wenig fremd:
Schliff ’53 schon die Schere
Für Josef Stalins letztes Hemd.

Nun traf sie Kennedy mit Scheren,
Schön rot-weiß-blau war sein Trikot.
Und Barschels Badewannenfrack gar! ‒
Die Traudel schnitt auf Weltniveau.

Facharbeiterzeugnis von Waltraud Buckel von 1954

Carsten Stephan: Fashion-Rentner Günther

Er ist eine Stil-Ikone,
Er ist unverwechselbar.
Girlies kreischen, wo er hinkommt,
Günther, Günther, Superstar!

Heute macht er selber Mode,
Und auch die ist das Gespräch:
Jedes Stück so voller Frische,
Jedes Stück so herrlich beige.

Hat man sowas je gesehen?
Endlich hat es Konjunktur!
Lasst uns mit dem Meister loben:
Beige, die Farbe der Natur.

So lacht uns der Sommerhimmel,
So lockt uns das schöne Meer.
Erstes Beige freut uns im Frühling,
Immerbeige sind Storch und Bär.

Bald gibt es beim feschen Günther
Accessoires zur Kollektion.
Wieder ist die Welt von Sinnen:
Eine Farbenrevolution!

Riesenhandys, Rollatoren
Und Toupets vom letzten Zar.
Halma, Hörrohr, neue Hüften ‒
Alles beige und abwaschbar.

Ein screenshot eines Onlineartikels mit der Überschrift "Fashion-Rentner Günther"

Bastian Kienitz: RETRO VOGUE LONDON SEASON

(Blankosonett)

EN VOGUE in Retro blättern Seiten ab
die sich verschlissen um den Umriss drehen
der rauen Schönheit guter Formgestalt
und der Ästhetik in den schlichten Dingen

die viele Wunden tragen, Schlüsselreize
wie dein Cajal vom regen Wind verwischt
durch dessen Schleier ich durchsichtig schaue:
dahinter bist du wirklich… wunderschön

ich könnte immer weiter davon schreiben
ohne zu dichten, was das Wort angeht
damit es werde, wie das Bild in Bildern

und deine Lippen dieses flüsterleise
Gezeichnete vom Zazen Herbstabrieb
wo sich das Glück, von ganz alleine findet…

Bastian Kienitz: PHOTOSHOP CS

(Blankosonett)

du bist so Foto, du auf einer Feder
gebettet in ein nacktes Kleid aus Nichts
im Sucher meiner Retroperspektive
und einem Hauch dazwischen, der verlockend wirkt

verflogen, wie der Farbabriss verflüchtigt
in diesen Schein aus Werbung eingetaucht
ich glaube Venus vor dem V und lese
mit diesem Pinsel deine Ware, Wirkung auf

ich bin real geneigt, dein Spiel zu glauben
den deine Lippen ausgesprochen jetzt
in diesem Augenblick mir sagen wollen

vielleicht hast du sie dir geleckt und ich
ich höre diese ungesagten Worte
dass du mich willst, weil du mir so gefällst…

Bastian Kienitz: Amazon

(Blankosonett)

das ist in etwa die Gemengelage
in der wir uns befinden, kurz von vorn
es sind unendlich viele Päckchen, Kisten
in einer Lagerhalle auf dem Weg

zu dir, dem Konsumenten plus Ist-Zustand
dass dies letztendlich immer weiter geht
gleich einem Rad im Kreislauf des Planeten
mal immer wieder Neues produziert

die Marke Made hat sich bereits verschlissen
denn alles dreht sich um die Quantität
der Ware aus ganz billigen Produkten

selbst du als Mensch bist leider gar nichts wert
wenn du nichts kaufst und deine ganze Zeit
im Rausch des Mangels weiter konsumierst…

Bastian Kienitz: AFFEN

Blankosonett

die Diebesbande, nennen wir sie Affen
sind auf dem Kriegspfad, in den leeren Straßen
der Stadt, ich glaube, dies heißt wildes Leben
um von dem Naschmarkt süße Süßigkeiten

die ihnen nicht gehören, zu stibitzen
das ist ein riesengroßer Spaß für alle
und bietet Nahrungsanbot in Fülle
zum Nulltarif plus sich nicht schmutzig machen

der Erste, das ist Hanamu der Wilde
Piratenfürst auf dem Schoß einer Touristin
die lacht schrill auf, der zieht ja seine Waffe

[Huch P18] sie meinte schon Banane
der Affe zetert über Stock und glattem Stein
du siehst: als Gott genießt man(n) Narrenfreiheit…

Carsten Stephan: Wenn nicht mehr Qualen und Glasuren

Novalisoulipo

Wenn nicht mehr Qualen und Glasuren
Sind Schüssel aller Partituren,
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tadelnswerten wissen,
Wenn sich das Zelt in freie Reben
Und in das Zelt wird zurückbegeben,
Wenn dann sich wieder Pflicht und Ratten
Zu echter Wahrheit werden gatten
Und man in Härchen und Gerichten
Erkennt die ew’gen Spukgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Hort
Der ganze verkehrte Besen fort.

Carsten Stephan: Das Mosaik von Magda Meste

Dreigroschenoulipo

Und der Halo, der heischt Zähren
Und die trenzt er im Gesims
Und Madam, die heischt ’ne Meste
Doch die Meste siezt man nicht.

Ach, es soggt der Halo Flöze
Rund, wenn dieser Bob vergipst
Magda Meste tränzt ’nen Hangar
Drauf man keine Unze löst.

An des Thorax gschupfter Watsche
Laden poco Lieken um
Es jappt weder Pferch noch Cordula
Doch es hievt: Magda münzt um.

An ’nem schrohen brachen Sorgho
Lockt ein tumber Mansch am Streb
Und ein Mol girrt um die Eder
Dass man Magda Meste nippt.

Und Schnat Meinolf blökt versotten
Und so mancher reife Mansch
Und sein Gest heischt Magda Meste
Der man nichts bewurzeln kann.

Jochem Trafik watscht’ gehenkelt
Mit ’ner Meste in der Brut
Und am Kalb girrt Magda Meste
Die von allem nichts gezwirnt.

Wo jappt Amin gleich, das Fuzerl?
Koppt es je am Spangenschuh?
Wer es immer wricken könnte
Magda Meste welkt es nicht.

Und der grüne Fiat in Solveig
Sieben Kirben und ein Griebs
In der Merle Magda Meste, der
Man nichts franzt, und die nichts welkt.

Und der ministrable Wocken
Dessen Nandu jeder welkt
Wölkte auf und watscht’ geschliffen
Magda welches watscht’ dein Propst?