Jan Bratenstein – HEIPP

drinnen sein ist grade hype
weswegen ich viel zuhause bleib
das war aber früher oft schon so, ganz ohnÄ
die pandemie namens coronÄ
als netflixgugger, fifazogger
bin ich gekonnter stubenhocker

das hat mit der gaststätte
in der gustav in fürth
nix zum tun
die ist jetzt auch zu

und dann bleiben da auch die amateure
woran ich mich schon etwas störe
zuhause auf sofa oder bett
und überlasten mir mein internet
faci und insta überflutet’s
mit content, content, selten gutes
weil wirklich jeden blöden shit muss
man jagen durch den algorithmus
ich hab mich auch erst wieder zuletzt
mit der klampfe in den stream gesetzt

aber wenns vorbei ist
das ganze gehype
um das zuhause gebleipe
geh ich erstmal in die kneipe

Bird Berlin: kadonkadonk grossgott – 8 oder 9 haikus, wie man es braucht

oh gott du lieber
schenktest uns erst franz jof strauß
und  voller gnade

dann auch noch markus
den gotterlöser söder
in voller güte

der wie sein vater,
franz jof strauss, der gottesmutter
ähnlichkeiten hat.

{wütender einschub}
es scheint als ob er
mit allem in seinem darm
ähnlichkeiten hat.
{infantiles getue}

Und es muss sich gott
für jeden nachtisch feiern
den markus kredenzt

wohlbehütete
mundschutzfarmen liegen ihm
wie wir zu füßen

was ein mann, was ein
ka donka donk booty mann
so tolles so kann

Weil mir sonst wirklich
kein grund dafür einfiele
weswegen Antlitz

und liebe auf den
großgotterlöser söder
ruhmig fallen soll

Christian Y. Schmidt: Lieblings-Spam 2

Kling dein Ohrhörer auch nicht gut? Ersetze zum drahtlosen Typ, gut für Telefonieren.

Hast du Halsweh? Knüpfe die Krämpfe mit Massagenkissen auf, göttliches Gefühl.

Krümme dich nicht: Geradehalter für jeden, Schmerzen weg.


Schatz, hast das Antischnarch-Armand an? Wunderbare Erholung.

Würdest du dein Freund, Lebensgefährte beschenken? Messgerät mit LED Display.

Ständiges Schnarchen? Er soll den komfortablen Riemen anlegen, wird nie schnarchen.


Wagen verkratzt? Lackausbesserung Politurmaschine. Liebste war überrascht.

WURSTELST du morgens mit Eis herum? Glasschutzschicht für Autofahrer!

Hast du genug von Lichtgirlande? Laser- und LED-Beleuchtung sind angekommen!


Hat einer Kamel dein Auto eingedruckt? Repariere die Delle mit brandneuem Set!

PHANTASTISCHES Sichterlebnis: neue kurzsichtige Brille, vergrößert alles!

Tragödien durch Lichteffekten – Schütze deine Augen am Lenkrad auf neue Weise!

Marius Geitz: Hype

I

Alle meine Freunde
Geh‘n langsam vor die Hunde 
Alle haben sie ein Thema
Das sie heim heimlich quält

Dabei war’n wir doch so fröhlich
So voller Vitalität
Das verblassen passiert langsam 
Bald sind wir nicht mehr zu seh‘n

Wie konnte das passieren 
Vor allem ohne Knall
Einfach nur vergehen
Als war‘n wir niemals da

Wie konnte das passieren 
Und vor allem: was ist jetzt
Wie können wir ausblenden
Was nun zurück liegt

II

Nachdem ich weiß, wie klein der Übergang von Gegenwart zu Vergangenheit ist, hilft es mir bisweilen, alles wovor ich bange mit diesem Wissen abzugleichen. Ich denke mich, in die in der Zukunft liegende Vergangenheit, um der Gegenwart die Stirn bieten zu können.

Marius und die Bibblfreunde: Quarantino Quarantorno

Quarantino Quarantorno
Es wird Zeit für einen Jorno.
Wenn ich nicht mehr malochen kann,
Dann wird es schnell mal abgefahr’n.

Quarantino Quarantorno
Es wird Zeit für einen Jorno.
In den ich reichlich reinhaun kann.
Endlich brennt die Lunte an.

Quarantino Quarantorno
Es wird Zeit für einen Jorno.
Dass Isolation so schön sein kann.
Ich ruf all meine Freunde an.

Margit Heumann: Märzträume, japanisch angehaucht

Am Morgen das Reh.
Es schüttelt die Winternacht
als Reif aus dem Fell.

Frühjahrssonne zeigt:
Mehr als erstarrtes Wasser
sind Eis und Schnee nicht.

Die Hüllen fallen
zu lassen. Das träumt im März
der Palmkätzchenbaum

Malva: Traum

Flirrende Sommerhitze, ein altes Bauernhaus, hohes Gras und Mondblumen.

Der kleine Bach im August 1969.

Augen schließen sich, Leben erzähl mir von dir!

Kindheit, Konformität, alles ist möglich, ich betrete mein Haus, sehe eine alte Holztreppe, geschlossene Türen, kalte Fliesen, Stille.

Neugierde führt in Raum Eins, Leichtigkeit, Experimentierfreude, Lieben, Tiefschlaf.

Größtes Glück, in Raum Zwei sind sie, sechs Kinder, meine Kinder- und dann, ungläubiges Staunen, meine fünf Enkel.

Rückblick in Raum Drei.

Steile Stufen führen hinauf, Kälte, Anstrengung, Angst, Schuld, Hoffnung, ich gehe nach Jahren schnell hinaus und nie wieder zurück.

Ich spüre die Sonne, noch eine Tür, Raum Vier. Ist verschlossen.

Zaghaft öffne ich sie und sehe die Menschen und Tiere, die immer Bedeutung hatten, die bedingungslos liebten, die meinem Haus Leben gaben und die mich in schlafloser Nacht zum Traum einladen.

Tiefer Frieden ist hier. Zuhause.

Die helle Sommersonne blendet.
Augen öffnen sich.

Traum, erzähl mir mehr vom Leben!

Philip Saß: Traum

Ich stand, wie Menschen meistens stehn, doch sah nichts:
Das war mir neu (man kann ja häufig sehn,
wie alle Dinge rundherum geschehn).
Nur, wenn mein Blick nicht täuschte, dann geschah nichts.

Da stand ich nun und sah nicht viel, na ja: nichts.
Das soll, wer das verstehen kann, verstehn!
Ich sorgte mich schon um mein Wohlergehn,
und rang und sprang und sang la la la la: nichts!

Ich stand – das sagte ich schon oben einmal –
und wusste keinen Rat, weil nichts geschah.
ich stand und stand und war den Tränen nah.

Ich stand und nahm mir hilflos vor: Ich wein mal,
obwohl ich das im Grunde gar nicht mag.
Ich weinte. Und ich wachte auf. Und lag.

Robert Segel: Der Abendwind

Der Abendwind hat viele Stimmen.
Ein Röcheln,
ein Flüstern,
ein Flehen,
ein Drohen,
ein Rufen,
ein Schreien.

Schlaflos auf dem Bett, über dem aufgeworfenen Laken, darunter du, mein Gesicht begraben in den Händen.
Der Abendwind und seine vielen Stimmen, mit mir, aber gegen meinen Schlaf.
Auch gegen deinen Schlaf, doch nun: deine Stärke stärker.
Meistens, wenn er mich besucht: meine Schwäche stärker, so auch heute.
Der Abendwind, ohne Einladung und doch bei mir, bei dir.
Ohne Vorankündigung, ohne Anklopfen und doch bei uns.

Unser Haus in der Dunkelheit, in der Einsamkeit, ich als einziges Lebenszeichen an diesem Ort – doch: kein Leben, keine Zeichen, keine Lebenszeichen für ihn, nicht in dieser Nacht.
Kein Schlaf möglich, der so etwas erschaffen könnte.
Unser Haus in der Dunkelheit, ich in der Einsamkeit, du in der Sicherheit, zwei von dreien umgeben von Wind.
Die Stimmen des Abendwindes.

So zahlreich, so kalt, so bedrängend. Stimmen.
So alleingelassene Ohren, so alleingelassene Fingerspitzen, ohne Unterstützung anderer Sinne,
die Augen in Händen.

Ein Röcheln,
ein Flüstern,
ein Flehen,
ein Drohen,
ein Rufen,
ein Schreien.

Das Bett leer und aufgewühlt, auf meiner Seite, die letzte Wärme hinfort ins ferne Exil.
Meine Fingerspitzen an der Stelle, an der noch Wärme, an einem Teil von dir,
an dem Teil von dir.
Hellhörige Fingerspitzen.
Noch immer verborgene Augen, genau wie dein Rest.
Der Rest, den ich ansprechen kann.

Hörst du mich?
Hörst du ihn?“

Meine Fragen unbeantwortet.
Kein Rest, kein ansprechbarer Rest.
Meine Fingerspitzen zurück in die Kälte, zu einem Teil von mir,
auffindbar, selbst mit vergrabenen Augen.

Hörst du ihn?“

Unter meinen Füßen nun der Untergrund.
Nackte Haut auf abgelaufener Baumwolle.
Die Augen nun aus den Händen,
offen, wachsam,
vor dem vorhanglosen Fenster,
damals: deine Schwäche stärker.
Und hinter dem gesprungenem Glas, kraftvoll, unsichtbar, unüberhörbar

Wie kannst du nur schlafen?“,

Abendwind, der Abendwind, die Stimmen des Abendwindes.

Deren Wunsch so nah.
Deren Wunsch schon immer ein Befehl.

Das Fenster offen und störrisch, kurzzeitig lauter noch als alle Stimmen, die Nacht nun innen.
Die Dunkelheit als Wärmeräuber, als Windgastgeber, als Stimmenbringer.
Der Abendwind auf meinen Fingerspitzen, eine willkommene Kühle.
Der Abendwind um meine Ohren, eine willkommene Hitze.
Doch: das Fenster nicht groß genug für ein Röcheln,
ein Flüstern,
ein Flehen,
ein Drohen,
ein Rufen,
ein Schreien.

Heiße Ohren in ausgekühlten Händen, keine Ruhe.
Aber ich, umschmeichelt vom Abendwind, seinen Stimmen, und er von mir.
Die Fingerspitzen also am Türknauf,
nackte Haut also auf feuchtem Gras,
nutzlose Augen also unter sternenlosem Himmel,
ruhelose Ohren also inmitten des Abendwindes.
Ich kann ihn besser hören.
Und es gefällt mir nicht, was er sagt.
Wie er es sagt.
Warum er es sagt.
Unser Haus in der Dunkelheit, ich in der Einsamkeit.
Der Abendwind keine gewollte Begleitung – der Abendwind kein Leben, kein Zeichen, kein Lebenszeichen für mich, nicht in dieser Nacht.
Mr McCarthys alte Worte:

Wo keine Menschen leben können, ergeht es den Göttern nicht besser.“

Deshalb die Flucht. Deshalb ihr Exil.
Deshalb ich noch hier.

Nackte Haut noch immer auf feuchtem Gras,
nun in richtigfalscher Richtung,
die Fingerspitzen erneut am Türknauf.
Ich nun innen.
Er außen – es gefällt mir nicht, was er sagt, wie er es sagt, warum er es sagt.

Also zurück im Raum, einst Hort unerschöpflichen Schlafes.
Das Bett leer und aufgewühlt, auf meiner Seite, die Wärme hinfort. Ins Exil?
Meine Fingerspitzen an der Stelle, an der noch Wärme, vor wenigen Augenblicken
oder Nächten,
an einem Teil von dir,
schließlich,
wie vorherbestimmt,
an dem Teil von dir.
Dort, damals: meine Stärke stärker.

Und nun – unklar, wo die Decke.
Die letzte Wärme: wohin?,
bereits auf jeder Seite, ins Exil.

Wie kannst du nur?“

Ich zurück in der Kälte.

Hörst du mich?“

Augen verborgen, ohne Hilfe der Hände,
um den Abendwind, um seine Stimmen zu verstehen.
Besser.
Endlich.
Endlich Schlaf.
Dieser verdient.

Der endliche Schlaf schließlich verdient.

Where men can’t live gods fare no better.”
(Cormac McCarthy)

Marius Geitz: Traum

I

Die Wunde
Entzündet sich
Breitet sich aus
Wird gemein
Frisst hungriger
Brennt heißer
Wird zum Thema 
Wird zur Aufgabe
Stellt die Frage 
Ob ich mich ihr widmen sollte
Ob zuhören

Frisst sich durch Ebenen
Frisst sich in den Verstand
Ist Säure geworden
Kategorisiert sich klar

Zögert, mich komplett zu zerfressen
Obwohl das Naturell gebietet
Weil mich zerfressen
Die Grundlage raubt

Vorsichtiger Genuss
Verschwimmt mit Rausch
Letzteres gewinnt 
Und löst alles auf

II

Du sagst etwas zu mir. Etwas daher gesagtes, das nicht dazu entworfen war, tiefer vorzudringen. Es trifft mich wie ein Schlag weil es in mir etwas Ungeahntes auslöst. Die Situation erlaubt es mir aber nicht mein inneres Aufbäumen zu zeigen. Und so lasse ich alles von innen an meine Hülle branden und versuche irgendwie die Wucht abzufangen.

III

Er ist ein intensiver Mann. 

Wenn er isst, dann rammt er so lautstark seine Kiefer aufeinander als müssten sie grobe Felsbrocken zermalmen.

Wenn er an seinem Joint zieht, dann inhaliert er so tief wie es einer tut, der auf einem Berggipfel steht, demonstrativ die gute Luft einsaugt und mit einem lauten „ahhhh…“ sagen will, wie frei man sich fühlen kann.

Wenn er ablehnt, dann so bedingungslos, wie Salz, das sich so lange in das Geländer runter zum Strand frisst, bis beide aufgelöst sind.

Wenn er denkt, dann so unnachgiebig, wie wir es von der Würgeschlange kennen, die die Knochen ihres Opfers mit einem gedämpften Knacken zerbricht.

Wenn er liebt, dann so tief, wie es nicht mal die tiefsten Abgründe der Welt sein könnten.

Und wenn er schweigt, dann so gewaltig, dass selbst die Raser in ihren Höllenmaschinen aufhorchen.

IV

Des Nachts im Bett stelle mir gerne vor, wie die meisten Menschen in meiner Straße in ihren Betten liegen. Ich stelle mir vor, mit einer Wärmebildkamera auf der Straße zu stehen und lauter waagerechte und friedliche Farbflecken in den jeweiligen Stockwerken zu sehen. Ich stelle mir vor wie sie schlafen und ich bin mir sicher, dass das die schönste Zeit des Tages ist, weil das die Zeit ist, in der die Menschen noch wirklich träumen.