Arne Zank: Interview »Die Vögel fliegen hoch«

Transkript: Felix Brenner

0: Wie geht`s? Müde, warm

0.15 Was fasziniert dich so an Vögeln? Irgendwie ist es so ein Leitmotiv. Anfang der 90er hab ich auch schon Vögel gezeichnet in der Comicgruppe an der Uni. Ich hatte als Kind ein gutes Verhältnis zum Wellensittich meiner Schwester. Seitdem mag ich Vögel und ich mag das Wort „Vogel“. Im Comicbereich drängt es sich auf, da gibt es viele Gestalten aus dem Vogelreich. Bei meinem punkigen Stil fand ich es reizvoll, sich an klassische Figuren anzulehnen. Es gibt schöne Querverweise, z.B. zu Hitchcock. Ich mag es düster und gleichzeitig albern. Schräge Vögel, Außenseiter.

2.25 Punkverrat? Nein, total unabhängig. Punkverlag! Ergab sich aus dem Tocotronic-Comic 2020. Ich fand das Webtoonformat gut, mach das auch weiter. Inzwischen bin ich 50, nicht so native, mach alles auf Papier. Likes haben mich angetrieben, dadurch kam es zustande. Kolorierung war viel Arbeit.

4.15 Inspiration durch welche Webtoons und Dramaserie? Underpants and overbytes, Autobiographisches ist mir nah und damit hab ich auch angefangen. Serie: irgendwas mit Worlds, basiert auf einem Webtoon, Comicfigur kommt in reale Welt. Fand ich super, war Auslöser.

6.20 Reale Figuren im Comic? Meine Freundin war sehr beteiligt und wusste es. Andere wurden überrascht, z.B. Nis-Momme Stockmann. Leute, die ich mag, hab ich verwurstet, um sie zu würdigen.

7.50 Zusammenfassung in eigenen Worten? Reise durchs Leben mit allen Höhen und Tiefen. Vieles, was mein Leben ausmacht. Reise und Flucht.

8.40 Bildende Kunst, warum Musik? Viel allein als Kind und Jugendlicher, immer Sachen für mich gemacht. Viel Musik gehört, aber erst mit 18 selbst gemacht. Stift ist leichter zu halten als eine Gitarre. Mit Jan Müller mach ich immer noch Musik.

10.20 Unangenehm? Fanzine zu Studienzeiten, Comic war dort noch nicht vertreten. Autobiographisch, DIY.

11.50 Trickfilme: Warum sind Tiere interessant? Menschen sind schwerer zu zeichnen. Kam mir minderbegabt vor, hatte hohen Anspruch an mich. 

13.20 Lindenstraße? Hab ich früher wie besessen gekuckt. Wollte noch viel mehr Spielereien einbauen, dann hat mich aber die Geschichte mehr interessiert als postmoderne Experimente.

15.00 Duckamuck, Theodizee? Kenn ich nicht, aber finde Religion und Spiritualität total interessant. Gibt viel, z.B. „Der Ursprung“. Meine Figuren erleben Schlimmes, ich hab aber auch Hemmungen, sie zu quälen. Mal kucken, wie es weitergeht.

17.05 Autobiographisches nicht zu vermeiden? Mag es gerne. Bei abstrakten Figuren geht es leichter als verschriftlicht. Im Comic kann ich einiges ab, wird erträglich.

18.45 Japan? Hat mich immer interessiert. Meine Freundin hat mich dazu gebracht, mir ein Stipendium zu holen. Kyoto, Goethe. Sehr einschneidendes Erlebnis, war nie so lang woanders und so weit weg. Glück und Herausforderung, Leute kennengelernt. Seitdem noch paarmal da, auch mit der Band und für Solo-Auftritte. War Sehnsuchtsort, jetzt realer Ort am anderen Ende der Welt. Entrückt mich aus westeuropäischer Welt, kann mich selbst anders ankucken.

22.05 Soloalbum? Zu viel vorgenommen, vielleicht kommt es irgendwann noch.

23.20 Mischung aus Filmgenres automatisch? Hatte nur grobe Richtung, hab lang nix zustande gebracht. Genres waren hilfreich, auf Plot hatte ich keine Lust. Wollte mich nicht im Perfektionismus verlieren, musste leicht gehen. Dass ich überhaupt täglich was gemacht habe, war gut. Das einfachste Drehbuch haben Roadmovies, leuchtet mir ein. Wenn Figuren sich bewegen, ist was los. Hab täglich 3-5 Panels gezeichnet, Cliffhanger war wichtig. Oft hab ich selbst nicht gewusst, wie es weitergeht. Während Corona angenehme Ablenkung, auch gut gegen Unterforderung, weil wir keine Musik machen konnten.

26.30 Wohin soll es gehen Hauptfrage? Ja, genau. Hab ständig gegooglet. 

27.23 : Anfänge des Zeichners Arne? Kam vom Basteln und Linoldruck. Fanzines. Collagen. Zeichnungen mit Kugelschreiber. Erst im Studium ernstgenommen. Reales Abzeichnen erst mit 20 angefangen.

29.00: Vögel verfilmen? Ziel natürlich Netflix-Serie (lacht). Trickfilme unfassbar aufwändig. Legetrick, den ich mit Gregor Stockmann gemacht hab, aus Filz war totales Gefummel. Braucht großes Team, sonst total frustrierend. Heute einfacher, aber bei Verfilmung möchte ich alles delegieren. Beim Kolorieren kam ich mir so beschäftigt vor wie noch nie, zuletzt vielleicht beim Abi. Ich harre der Dinge und bin für alles offen.

32.12: Konzert, Buch auch ohne Ausfälle entstanden? Ja, aber langsamer. Habe schon Januar 20 angefangen. Konnte mich besser drauf konzentrieren. Manchmal ist abgelenkt sein aber auch besser.

33.40: Epilog, persönlich, Sucht, Depression? Habe sehr gehadert, wollte aber große Dankbarkeit ausdrücken. Mit Figur des Doktors als Erleuchtungsinstrument war das einfacher. Wurde vor 2 Jahren durch Selbsthilfegruppen clean, hab mit Alk und Drogen aufgehört. Wollte das in den Vögeln miterzählen. Wollte eigentlich noch viel mehr Persönliches erzählen, wurde aber schwierig, mochte ich nicht. Habs auf paar Panels eingedampft. Mit Vogel-Ich konnte ich es besser erzählen und hat sogar Spaß gemacht. 

37.30: Weihnachtscomic autobiographisches Erzählen im Comic leichter? TMI, unangenehmes Angefasstwerden von persönlichen Geshcichten soll vemieden werden.

39.00: Wie geht’s weiter mit den Vögeln? Hab schon weitergezeichnet, will gern weitererzählen, so wie in der Lindenstraße, dass die Figuren alt und faltig werden.

40: Danke, verging wie im Flug.

Andii Weber: Es braucht nur ein paar Rosen, um einen ganzen Staat zu zersetzen

Napoleon Bonaparte im Spiegelgespräch

Napoleon Bonaparte, Kultmegaloman in kleiner Uniform, sitzt in einer Hollywoodschaukel auf seiner Terasse. Seit seiner Niederlage bei Waterloo hat man ihn nicht mehr so entschleunigt gesehen. Er scheint in Gedanken versunken, in seinem Gesicht zuckt kein Muskel. Nur wenn er einen Schluck aus der halben Kokusnuss mit Strohalm nimmt, die ihn sein Familienminister vor dem Gespräch bereitgestellt hat, verzieht sich seine Miene: Es scheint nicht zu schmecken. Die Stille von St.Helena, einer kleinen Insel im Pazifik, scheint Napoleon geradezu zur Ruhe zu verdammen. Doch innerlich lodert seine Flamme weiter, wie er uns im Interview verrät. Ein Gespräch über Abgeschiedenheit, Gartenarbeit, die Fragilität von Macht und über Punk.

SPIEGEL: Herr Bonaparte, dies sind schwierige Zeiten, Ich habe schon viele Interviews geführt, aber dies ist das erste, bei dem ich eineinhalb Meter abstand halten muss.

Napoleon: Ja, schwierige Zeiten in der Tat, schwierige Zeiten. (blickt verträumt auf die Vulkanspitzen)

SPIEGEL: Aber ich möchte mich trotzdem ganz herzlich bedanken, dass sie sich die Zeit für uns genommen haben.

Napoleon: (lacht scharf und ironisch auf) Ja, bitteschön. Ich habe momentan eigentlich recht viel Zeit …

SPIEGEL: Danke

Napoleon: Ja, bitte.

SPIEGEL: Dankeschön, wirklich. das ist sehr … lieb.

Napoleon: Ja, zum Henker, bitteschön!

SPIEGEL: Danke! Sie sind ja schon einige Jahre hier in der Verbannung auf St. Helena. Was können wir als freie Europäer denn von Ihnen als unfreien Ex-Europäer lernen?

Napoleon: Wenn sie mich so fragen: Nichts.

SPIEGEL: Aber sie müssten doch der absolute Grand Expert in sachen Isolation sein. Wie halten sie es aus so ganz ab vom Weltgeschehen?

Napoleon: Sie sagen das mit so einem Unterton, das gefällt mir gar nicht!

SPIEGEL: Was meinen Sie?

Napoleon: Na das mit dem Grand Expert in Sachen Isolation. Sie wissen schon, das ich immernoch der Grand Impereur bin oder?

SPIEGEL: Ach so?

Napoleon: Natürlich! Zugegeben, mein Reich hat sich etwas verkleinert. Ich herrsche hier mit allem Pipapo und sogar Hofstaat über meinen Garten.

SPIEGEL: Ihren Garten?

Napoleon. Das hat mein Arzt empfohlen: Herr Empereur, hat er gesagt, gehen sie doch mal in den Garten und schneiden sie Rosen und Hibiskusblüten ab; Das hilft gegen die Langeweile und die Gicht. Ja, und das habe ich dann gemacht. Zuerst war das auch ganz fabelhaft: Ich habe diese stacheligen Blumen ganz herrlich gezähmt und mir unterworfen. Doch dieses Drecksgestrüpp ist einfach immer nachgewachsen! Sie müssen wissen, mein Garten ist sehr groß …

SPIEGEL: Lassen Sie mich da mal kritisch einhaken: Wie groß genau?

Napoleon: So groß (Napoleon zieht seine Hand aus seiner Hose und macht eine ausladende Bewegung).

SPIEGEL: Hat es eigentlich einen Grund, dass sie die Hand nicht mehr im Revers tragen, sondern in der Hose?

Napoleon: Hä?

SPIEGEL: Fahren sie fort!

Napoleon: Also die Rosenscheiße wuchs immer wieder nach und so befahl ich meinem Koch, dass er jeden Tag genau einen Daumen dick abschneiden solle von allen Rosen.

SPIEGEL: Ein solider Plan, wie mir scheint …

Napoleon: RUHE! Damit fing der Mist ja gerade erst an! Mein Koch war den ganzen Tag am Rosenschnibbeln. Denn wie ich bereits erwähnte, ist mein garten sooo … egal. Seine eigentlichen Schnibbelpflichten, die in der Küche nämlich, vernachlässigte er also sträflich. Was natürlich unverzeihlich ist.

SPIEGEL: Ja, und dann?

Napoleon. Naja dann habe ich meinen Innenminister zum Kochen geschickt, und meinen Arzt zum Koch in den Garten zum Rosenschnibbeln. Dadurch ist aber zum einen eine Vakanz im Innenministerium entstanden die ich umgehend mit dem Minister für Digitales und Infrastruktur auffüllen musste und meinen zweiten General, eine Schnarchnase vor dem Herrn übrigens, habe ich beordert, meine täglichen Arztvisiten abzuhalten.

SPIEGEL: Interessant …

Napoleon: Ich bin noch nicht fertig! Durch diese Rochaden entstand in meinem (macht ein verächtliches Gesicht) “Parlament” ein Machtvakuum und löste eine kleine Regierungskrise aus. Und jetzt habe ich Rosen mit perfekten Blutwerten und einen 5G-Funkturm in meinem Wohnzimmer und muss mir bei jeder Arztvisite anhören, dass es das beste gegen meine Gicht wäre, wenn ich mir beide Beine amputieren ließe.

Sie sehen an diesem Beispiel, wie fragil Macht ist: Es braucht nur ein paar Rosen, um einen ganzen Staat zu zersetzen. Diese Engländer können ihnen davon ein Liedchen singen.

SPIEGEL: Es scheint mir so, als würde ihnen nicht langweilig werden, trotz der Verbannung in die absolute Abgeschiedenheit.

Napoleon: Was reden sie da? Es ist dermaßen fade. Ich möchte etwas singen!

SPIEGEL: Aber …

Napoleon: I’m so bored with St.Helen
I’m so bored with St.Helen
But what can I do?

SPIEGEL: Sind sie ein Punk, Herr Bonaparte?

Napoleon: Was erlauben sie sich?

SPIEGEL: Entschuldigung, dumme Frage.

Napoleon: Ja.

Spiegel. Verzeihung.

Napoleon. Schon gut.

SPIEGEL: Anders gefragt: Rosenschneiden, Regierungsgeschäfte, Arztvisiten. Bleibt da überhaupt noch Zeit, die Stille von St.Helena zu genießen?

Napoleon. Was ist denn das nun wieder für eine Frage? Was meinen sie, warum ich das alles mache? Meinen sie wohl, ich wäre hier zum Spaß? Ich schlage hier meine letzte Schlacht. Die schlacht gegen die Langeweile, die Stille. Also möchte ich durchaus sagen, dass ich erfolgreich bin, trotz der ganzen Amateure um mich herum. Entourage, entourage! ich kann es nicht mehr hören! Wuseln ständig in meinem schönen Garten herum und bringen alles durcheinander.

SPIEGEL: Wie lebt es sich denn so im Hause Bonaparte im Südatlantik?

Napoleon: Naja, ich habe einen sehr großen Hut und ein sehr kleines Bett. daneben versuche ich meine Memoiren zu schreiben. Und von wegen Abgeschiedenheit! Ganz im Gegenteil: Sie wissen ja gar nicht wie viele Touristen Täglich, stündlich versuchen in mein Anwesen zu gelangen, um mich zu begaffen. Das ist die eigentliche Demütigung: Die Romantisiereung meiner Abgeschiedenheit durch dahergelaufene Taugenichtse, die mir beim verschimmeln zuschauen wollen. PACK!

Und so versuche ich mich noch weiter zurückzuziehen: Ich gehe nur noch aus dem Hause, wenn es gar nicht anders geht. Und eigentlich geht es immer anders. Man braucht halt nur einen funktionierenden Hofstaat, dann kann man auch zu hause bleiben.

SPIEGEL: Viele Menschen, die momentan in Isolation leben, würden dem vielleicht entgegenen, dass sie keinen funktionierenden Hofstaat zu Hause haben. Haben sie den Realitätsbezug verloren, Herr Bonaparte?

Napoleon: Nein.