Andii Weber: Tiny Dancers

Komplettes Layout im Originalskript auf Google drive

<- stehe ich wieder im raum und danze. die wahrheit interessiert mich nicht, mich interessiert DEINE wahrheit, verstehste?

guter Sound, wummerich und breit, DRdrdrECKIG. massiert die herzchen heute nacht. es rauscht, tropFtropFtropF DJ guckt unnahbar und mit dem kaviarschwarzen pulli (trauerFloor) gepellt wie aus dem EI aus, ist aber eigentlich voll am lachsen in’s Fäustchen und so. der tanzFlur ist leicht abschüssig, immer mehr gute tropFen Fallen auf den ballsaalboden, Fütze, riesige rinn(sale, (eau sale)), winzige sturzFluten, die all die Füße auf dem floor wegziehen, uns alle Ferschwimmen lassen, Flussaufwärts, Fischtreppen, hinauF, hinauF, whatafeelingwhenweredancingontheceiling gibt es hier überhaupt eine decke?

in der schwerfällig bewegten luFFFt (= bass) um uns rum: je nach individuellem geschmack und bedürfnis weite oder enge klklklkeidung, stacheldrahtkettttttten, bauchnäbel. die tanzFläche ist aus dem mittelalter glaub, oder aus dem märchen aber egal, heute ist ja heute BRRRholdmecloserBRRR. wir oszillieren in den böhen, im Fööööön, der beat knickt Kreise ins Korn und wir sind da mitten drin. dann schau ich kurzRTZRTZRTZ zu der einen Seite (dich an) und du zur anderen (mich an) und dann lachst du allwissend und wir RTZELRTZONjohnRTZRTZ.

aales Fällt auseinander, aber genau so, wie es soll !”§$%&/()=?[SCHNITT] ich grabe meine Fingerkuppen hinein in deinen Rücken, nur ein bisschen. muskeln, knochen, Fühle deine gräten ((((((((das “gräten” bitte so überbetont aFFektiert lesen)(das in den klammern dann auch), mit dem imaginären Fischmesser das Fleisch sorgfältig abziehen, an der haut herumschnieFen,, dieser slipperigen Fishhaut aus polyester die das alles irgendwie beisammen hält,,, dann hals,, Flaumig und ein bisschen schuppig, knibbeln:: ein sehniger korb, komprimierte geheimnisse darin. FeFFerkuchen oder pilze? ist ja auch egal WAS GENAU, solange da nur ein blutiges HerzrtzrtzrtzrtzrtzwrsrwsWASgenaudadrinist.HUI ein roter ApFell! und dein bariton knurrt sonor:: KOSTE doch MAL, hübsches!

irgendwo unter deiner haut — vielleicht gleich neben den schwimm- gallen- und giFFFtblasen — ist sicher ein gemeinsames verständnis vergraben, das uns (ab/ver)bindet von/vor/mit der welt, wie einer dieser schlüssel, den ich da einfach rausziehen machen kann und die tür zum nächsten rätsel auf, zu einer neuen wahrheit. und sie lebten glücklich bis an’s#Feelings interessieren mich nicht, mich interessieren D3IN3 Feelings, verstehst du mich bitte?

Menschen sind so krass manchmal, so krass geil.(GPT: “Hier könnten Sie mehr Kontext oder Details hinzufügen, um die Krassheit und die Geilheit der Menschen weiter zu erklären” — die maschine versteht es einfach nicht) Ja, scheisse auch oft, meistens, aber hier, auf dem märchentanzFlur, da sind’s einfach scheissegeil. und Finden sich auch einfach so. und gehen heim, irgendwann, wenn es wieder hell wird und dann ->

Ella:r Gülden: Granatsplitter

Ausnahmsweise … wird ein Film über einen männlichen Künstler nur mit
dessen Vornamen betitelt:
‚Anselm‘
… kann sich einreihen hinter Frida, Paula, Tove und vielleicht neben ‚Lotte am Bauhaus‘.
Jedenfalls reist er nicht im ‚Schatten von
Caravaggio‘ ins ‚Daliland‘.
„Anselm Kiefer — Alchemist, Provokateur“
‚Der größte Mythos ist der Mensch selbst‘, sagt er, einfach so (reingeschnitten, in den
Trailer) und verbrennt zuvor groß aufgestellte Bündel von Ähren und es raucht sehr, auch auf seinem Bild von früher so, wegen der Sieglin… äh Suh‘-lamith:
‚Dein goldenes Haar Margarete‘
– dazu eine Vanillestange vom Backwerk,
Verkauf ab Werk
brandneue Treter vielleich’ auch
an die Krautstampfer,
reimt sich auf Sauerampfer
– vielleicht das erste, was jemand mampft, wenn sie:er ins Gras beißt. ‚Another one bites the dust‘ – not yet. … Drah di ned um!, nur die zwei Euro, diese Zwickel, bitte, vielleicht ist der Erasmus von Rotterdam drauf, oder der Willy Brandt beim Kniefall in Warschau oder moderne Kunst aus Griechenland. Sammeln tun wir die trotzdem nicht. Der Sparfuchs muss jetzt kleinere Brötchen (auf)backen, und die Kröten beisammen halten …1,2,5,7: wo ist denn der Schmalhans Küchenmeister geblieben?

… Es pfeift inflationär von den Dächern, lieber einen Spatz auf dem Dach, als gar keine Taube.
Alle Vögel sind noch nicht da – viele Vögel sind bald weg. Flügge geworden, oder aus dem Nest gefallen, noch kein Ei gelegt:
Au Backe backe Mutterkuchen …!
Man sieht ihnen ihr Alter gar nicht an;
alt genug für die Schwarzwälderkirsch, zu jung für die Schwarzwaldklinisch. Es gibt übrigens eigentlich schon lange keine Granatsplitter mehr, als konditorische Spezialität zu erlangen!?

„ich hab ölige hände und öl in meinem bauch“
singt derweil Sophie Hunger (in 1983),
so ist das beim Snacken, Fingerfood: heiß und fettich
… Gewürzschnitte und halbe butterseele
nussecke und käselaugenstange
kürbiskernsemmel und quarktasche
soweit und so lecker das
Lieblingssortiment vom Pausenbäcker.
„Sinz“ hieß der,
– sind’s genug Pfenning’ne!?
[Den Cent’er Shock gab’s auch schon früher beim Bäcker]

Matt S. Bakausky: Die Seele des Backens

Ich mag keine Geschenke. Als ich jünger war, habe ich mal ein Buch geschenkt bekommen. Das war gerade, als ich in meine erste eigene Wohnung eingezogen bin. Da gab es dann lauter nützliche Dinge. Wie zum Beispiel Socken. Oder ebendieses Buch.
Das Buch hieß „Backen nach Zahlen“. Es war ein Kochbuch. Bis heute habe ich nichts aus diesem Buch gekocht. Das liegt erstens daran, dass ich nicht koche und zweitens daran, dass ich keinen Backofen habe. Wie soll ich bitte nach Zahlen backen, ohne einen Backofen?
Warum ich nicht koche? Nun ja, ich leide an etwas, was sich Neophobie nennt. Das ist die Angst vor neuen Dingen. Dieses Kochen ist mir doch zu modern, es wird erst seit 1,5 Millionen Jahren praktiziert. Zumindest gab es da in Äthiopien die ersten Spuren von einer mit Feuer zubereiteten Mahlzeit.
Ich selbst bin natürlich älter als 1,5 Millionen Jahre, müssen Sie wissen. Ich bin eine alte Seele und stamme ursprünglich von einem Planeten, auf dem es keine Nahrung gibt. Deshalb tue ich mich mit der Ernährung hier auf der Erde überhaupt schwer.
Diese ganze Sache von etwas anderes töten, um am Leben zu bleiben und so weiter. Das bin ich so von zu Hause nicht gewohnt. Gefressen und gefressen werden … Nein, danke!
Aber ich muss mich dennoch irgendwie ernähren und das mache ich ganz altmodisch. Ich kaufe im Supermarkt essen, welches man nicht backen oder kochen muss und füttere es in mich rein. Der erste Supermarkt ist noch keine 1,5 Millionen Jahre alt, werden Sie vielleicht sagen und Spuren davon wurden nicht in Äthiopien gefunden. Da haben sie aufmerksam aufgepasst. Vielleicht habe ich ein wenig geschwindelt.

Hier ein Rezept aus dem Buch Backen nach Zahlen:

Für den Teig:
125 g Butter
100 g Zucker
2 Eier
300 g Mehl
1 Teelöffel Backpulver
1 Packung Vanillezucker
Etwas Butter für die Form

Für den Belag:
200 g Aprikosenmarmelade
175 g Butter
130 g Zucker
1 Packung Vanillezucker
400 g gemahlene Nüsse
200 g Zartbitterkuvertüre

Na, schmeckt gut, oder? Man beachte die Zahlen. Ja, es wird nach Zahlen gebacken. Leider habe ich keinen Backofen, sonst würde ich dieses Rezept mit meiner Briefwaage abwiegen und zubereiten. Vielleicht hätte mir jemand einen Backofen schenken können. Das wäre ein schönes Geschenk gewesen und ich hätte mich darüber gefreut. Benutzt hätte ich ihn selbstverständlich trotzdem nicht.

Christian Knieps: Sridayan

Im weiten Raum der Stille. Ein Mann (N) ist einfach da.

N: Immer, wenn ich durch den Raum schwebe, beginne ich zu tanzen. Ich tanze in der Luft, umschwinge mich selbst, erhöre meine Bewegungen, ertaste meine Wahrnehmung, werde eins mit meiner Selbst. Ich bin und ich werde in einem Moment, in dem ich schwebend durch den Raum gleite.

Er geht ein wenig umher, nahezu schwebend.

N: Trotz dessen, dass ich durch den Raum schwebe, in der Luft tanze, mit mir eins werde und zugleich bin, höre ich ein fremdes Geräusch, das tief in mir drin ist. Ein Geräusch, das mich beständig begleitet, auf meinen Wegen, zu meinen Taten – es ist immer da und möchte nie selbst vergehen.

Er steht erneut an einer Stelle, schaut nach oben.

N: Erst, wenn ich mich entscheide, die Stille zu suchen, wenn ich mich darauf fokussiere und meine gesamte Energie in diesem Richtung lenke, dann passiert es, dass ich mich zu dieser Stille hinbewege. Das fremde Geräusch begleitet mich auf dem Weg dorthin, doch mit jeder Etappe, die ich auf meinem Weg zu Stille hinter mich bringe, erlange ich ein Stück mehr Ruhe und Gelassenheit.

Bewegt sich durch den Raum. Die Bewegungen werden fließender und auf ihre Art und Weise leiser.

N: Wenn ich mehr als die Hälfte der Strecke hinter mir habe, ist das fremde Geräusch so leise geworden, dass ich beginne, meine eigene Stimme, die tief in mir verborgen liegt, direkt neben der Stille, quasi an- und abgekoppelt zur gleichen Zeit, zu vernehmen. Erst als Gefühl, dass ich etwas Vertrautes höre, dann immer klarer und klarer, bis ich schließlich die innere Stimme sehr deutlich höre.

Er bleibt stehen und spricht mit seiner inneren Stimme. Diese wird in ganz kleinen Schritten lauter.

N: Sridayan! Sridayan! Sridayan! Es ist mein Mantra, meine innere Stimme, das Gefühl, mein Kompass in der Weite, der Weg aus den Irrgarten meiner Selbst! Ich muss nur dieser Stimme, diesem Wort folgen und ich finde meine Mitte, meine Stille. Sridayan! Sridayan! Sridayan…

Er wird langsam wieder leiser. Dann, plötzlich, geht ein Ruck durch seinen Körper und er wacht aus seiner Versunkenheit auf.

N: Es mag vermessen klingen, den Punkt, an dem ich meine Stille finde, dort zu verorten, wo dauerhaft ein Wort erklingt. Meine innere Stimme erklingt dort, wo meine Stille in mir selbst ist. Und schreit quasistumm Sridayan! Wie passt das zusammen? Diese Frage stelle ich mir nicht mehr, nachdem ich verstanden habe, dass der innere Kern, die innere Stille nichts mit der Vorstellung eines geräuschlosen Ortes ist, sondern dort, wo wir uns selbst in der Stille befinden. Bei manchen Menschen ist dort sogar ein heftiger Sturm zu finden – mein Sturm ist Sridayan! Sridayan! Sridayan!

Mit einem wissenden Nicken geht er ab.
Alle ab.

Harald Kappel: Bang Bang

..ein euphorisches Drama

(…eine Frau, ein Stuhl, ein Monolog)

Hier bin ich. Es ist schon ziemlich ungemütlich draußen, anders als wenn der Sommerwind unter den Sternen meine Gedanken wärmt.
Auf diesem Stuhl sitze ich gerne.
Wenn ich die Tür öffne, strömt eine frische Brise an den Gardinen vorbei in meine Küche. Als Kind durfte ich nicht zwischen diesen Gardinen nach draußen sehen, meine Mutter hatte es mir verboten.
Warum? Weiß ich nicht. Sie hat nicht mit mir darüber geredet.
Gegenüber, hinter dem großen erleuchteten Fenster, spielten alte Männer Karten, tranken Bier, und rauchten dicke Zigarren. Und um Mitternacht haben sie seltsame Lieder gesungen und sind auf die Strasse getorkelt.
Sie lachten und schrieen, sie waren frei.
Ich habe das erst später verstanden, vielleicht zu spät.
Aber das ist doch normal, dass man vieles erst zu spät versteht, oder?
Ich habe ein Kind und keinen Mann.
Mein Lebensmotto ist schwer in einen Satz zu packen. Irgendwie glaube ich aber daran, dass alles immer weitergeht. Dass auch hinter der dicksten Wolkendecke Sonnenschein und ein blauer Himmel warten.
Wenn mir langweilig ist, träume ich vom Reisen, vom Meer. Oder ich fahre ans Meer. Darüber lesen ist auch gut.
Ich wohne in einer sehr gemischten Strasse, es gibt wunderbare Häuser, und es gibt Bruchbuden. Mein Haus muss einmal wunderbar gewesen sein, aber jetzt…
Neulich war mir langweilig, das Kind schlief.
Ich habe mich bis auf den Slip ausgezogen, eine Spraydose mit schwarzem Lack genommen und Worte auf die Häuserfassaden gesprayt:
„Bang, Bang, Titte, Bazille.“ Bei „Bazille“ haben sie mich erwischt. Ich musste mit auf die Polizeiwache. Sie haben mich begafft, mir eine Decke um die Schultern gelegt und mich gut behandelt. Sie waren nett zu mir. Das mussten sie wohl sein. Obwohl ich ziemlich gestunken haben muss (das Wasserwerk wollte endlich sein Geld).
Dann sollte ich Fragen beantworten, die ich nicht zur Zufriedenheit der Fragenden beantworten konnte:
Warum haben Sie das gemacht?
Weil mir langweilig war und es mir nicht leisten kann, ans Meer zu fahren.
In ihrem Alter? Und halbnackt?
Gefallen Ihnen meine Titten nicht? Und ist man mit vierunddreißig zu alt zum sprayen? Oder ans Meer zu fahren? Wer sagt das? Hmh?
Weil ich seit vierunddreißig Jahren hier wohne und Mutter bin, haben sie mich wieder gehen lassen.
Das war nett. Ich muss das bezahlen, ich meine, die Reinigung.
Ich möchte mal wissen von was?
Sie fragten mich, ob ich das für normal halte, unbekleidet anderer Leute Häuser zu verschmutzen. Weiß ich nicht, hab ich gesagt. Ist das normal?
Die jungen Polizisten haben sich ganz komisch angeschaut.
Was meinen Sie? Ist Ihnen nie langweilig, oder fahren Sie dann ans Meer?
Ja, nun sagen Sie schon!
Sie…, waren Sie schon am Meer? Sie, ja…
Mein Elend begann mit der Schwangerschaft.
Als ich zweiundzwanzig war hab ich diesen hübschen Kerl getroffen, ehrlichgesagt, ich hab ihn auf seinem Fahrrad über den Haufen gefahren und dann zu Hause ein bisschen gepflegt und von diesen Umständen war ich dann gleich in „anderen Umständen“. Ich musste doch auch mal Erfahrung sammeln. Das ist normal, oder nicht? Irgendwann muss jede Frau das einmal tun.
Vorher war ich für Alle der gute Kumpel. Ein Mädchen, das nachts keine Angst haben musste… nachts durch den dunklen Park zu schlendern.. Niemand hätte mich belästigt, ich war eine Unberührbare.
Aber kaum fasste mich der Erste an, war’s vorbei mit der Freiheit.
Dabei habe ich doch nur etwas Normales machen wollen.
Was Normales…Was Normales…
Ich glaube, mein Elend begann mit der Normalität.
Meine Geduld ist nämlich wie normales Eis, nichts an ihm rührt sich.
Naja, ich wollte aber dann doch, dass mein Kind in einer ordentlichen Familie aufwächst. Mit der Geburt des Kindes war ich von einem Tag auf den anderen zu Hause angebunden. Ich musste so ziemlich alles aufgeben, was ich gerne gemacht habe. Alles! Keine Handpuppenlehrgänge mehr. Kein spätes Schlendern durch den dunklen Leninpark. Nichts!
Ich bin total an dieses Kind, dass ich nicht gewollt hatte, gefesselt.
Ja, aber ich liebe dieses Kind. Alle Mütter lieben ihre Kinder. Das ist normal.
Gottseidank, ist das normal!
Mein langweiliger Ex-Mann war keine große Hilfe. Wenn er nach Hause kam, klebte er auf seinem Sessel fest, bis das Fernsehprogramm Testbilder zeigte, und die fand er wohl auch interessanter als mich und seine Brut.
Halten Sie das für normal? Ich vermute, dass sie das für normal halten.
Schade eigentlich. Warum hält man das für normal?
Was glauben sie wohl?
Aber davon will ich Ihnen ja gar nicht erzählen. Ich wollte Ihnen erzählen, dass ich irgendwie hoffe, dass alles immer weiter geht, dass auch hinter der dicksten Wolkendecke Sonnenschein und ein blauer Himmel warten.
Das möchte ich Ihnen erzählen. Das ist schöner, oder?
Sie möchten etwas Schönes hören, oder?
Etwas schönes Normales!
Sie haben eine Bank in unserer Straße aufgestellt, auf der steht:
„Glück ist eine Bank, die plötzlich da steht.“
„Ich bin eine Bank vom Stadtmöblierungs-Projekt „Bau dir eine Bank“, hergestellt von den Bewohnern mit handwerklichem Geschick und allen die Lust haben, gemeinsam etwas zu bauen.“
Sie glauben an so etwas nicht?
Gehen Sie mal 30 m die Strasse herunter, und schauen sich das an.
Vielleicht setzen Sie sich sogar auf diese Bank.
Vielleicht gefällt es Ihnen sogar, auf dieser Bank zu sitzen.
Vielleicht fällt Ihnen auf dieser Bank etwas zu Ihrer Kindheit ein, oder zu ihrem letzten Urlaub, oder zu sich selbst. Das wäre schön. Das wäre gar nicht mal so normal, nicht wahr?
Ich sitze lieber hier auf meinem Stuhl, und schaue in das Fenster gegenüber.
Dort spielen sie leider keine Karten mehr. Vielleicht sind sie schon alle tot?
Ich lese hier manchmal etwas. Ich lese gerne das Handpuppenmagazin und ich lese Gedichte. Gedichte beruhigen mich.
Überrascht Sie das? Habe ich sie damit überrascht?
Ist das normal, dass sie das überrascht?
Sie, habe ich Sie damit überrascht?
Sehen Sie mich etwa als eine Frau, der man nicht zutraut, dass sie Gedichte liest?
Junge Mami liest Gedichte. Lächerlich. Und wann kocht sie?
Ich bin eine sogenannte Alleinerziehende. Ich koche, wann ich will.
Tag und Nacht.
Ich habe von Tag und Nacht gelesen.
Dass der Tag zu Ende geht.
Dass er seine Schuldigkeit getan hat.

nun geht der Tag zu Ende
hat seine Schuldigkeit getan
schweigt meiner Seelen Hände
mit Silberflügeln recht geschwind
vorm Fenster friert
der nackte Baum noch immer
und schwarzer Schnee
taut auf den Blüten
in dunklen Nachtgedanken
träum ich süß
von welken Wolken
blass und taub
der Regen trommelt
und packt
die Sehnsucht wieder ein
bin nur ein Glas voll Glück
wie Milch gemolken
bin Deiner Wärme Raub
ich horch dem Schlag der Stunden
wart auf des Morgens Ton
hör Deine Stimme rufen
Gedanken lachen schon
im hellen Bach
im grünen Schnee
und wachte auf
im Traum nur fad
von Licht umflossen
und niemand sagt
ich hab ein neues Kleid
im Bilderbuch gefunden
und niemand singt
von diesen offnen Stunden
wenn man
frei auf Bänken liegen kann
und hübsch
der Mond herunterlacht
dann schläft die Wolke
hinterm Haus
und welkt nicht mehr
nun geht die Nacht zu Ende
hat ihre Schuldigkeit getan

Verdammt, ich zieh mich aus und koche, wann ich will!!
Vielleicht fange ich aber jetzt damit an, davon zu reden, was passieren könnte.
Zum Beispiel könnte ich jetzt meine Spraydose nehmen, und irgend jemandem, Ihnen zum Beispiel!, ein Wort auf den Arm sprayen. Bang, oder Fuck!
Oder Anna. Ich heiße Anna, damit sie auch wissen, mit wem sie es zu tun haben. Wer ihnen so komische Geschichten erzählt. Sie könnten sagen, die ist doch nicht normal. Die ist vielleicht sogar verrückt.
Die Hundefänger müssten sie abholen, die sitzt hier rum, und sprayt anderen Leuten auf den Arm. Aber das tue ich ja gar nicht.
Ich stelle mir eher vor, es könnte mich jetzt jemand ansehen. Meine Titten .
Und mich dann mitnehmen.
Wohin wäre ganz egal, er müsste nur nett sein.
Vielleicht würde er ja sogar mit mir ans Meer fahren, wir könnten dort Wolken beobachten und überlegen, welchen Tieren sie ähneln, oder welchen Menschen.
Wenn wir das tun, dann könnte ich ihn sogar gerne haben, und er vielleicht mich.
Das wäre so schön, und ich würde glauben, dass auch hinter der dicksten Wolkendecke Sonnenschein und ein blauer Himmel auf mich warten.
Vielleicht möchte mich jemand von Ihnen mitnehmen?
Sie vielleicht? Gefalle ich Ihnen? Soll ich mich für Sie ausziehen? Wollen Sie mein Fleisch sehen? Das würde ich gerne tun…
Gefällt Ihnen mein Kleid? Meine Nase? Mein Stuhl?
Ich könnte Ihnen vorlesen, aus dem Handpuppenmagazin, oder lieber ein Gedicht?
Sind Sie romantisch, lieben Sie die Wolken, auch wenn aus ihnen Regen fällt?
Ich bin eine liebenswerte Person, ich liebe mich selbst. Das gelingt nicht jedem. Ich habe mir das verdient, dass ich mich selbst lieben kann.
Und ich koche wann ich will!
Seit dem Handpuppenlehrgang, habe ich keine Handpuppe selbst gemacht. Aber ich schaue mir immer gerne an, wie andere es tun.
Ich schaue mir immer gerne an, wie normal andere sind.
Ich möchte ein Ottonormalverbraucher sein.
Dann nimmt mich vielleicht jemand mit. Ans Meer.
Ich ziehe ein hübsches Kleid an und frisiere mir die Haare.
Ich liege mit den anderen Ottonormalverbrauchern am Strand.
Ich trinke gelbe Limonade und lache.
Ich gehöre dazu. Das würde mir gefallen. Vielleicht.
Vielleicht nehme ich aber auch meine Spraydose, und schreibe auf Ihr Haus: Feigling oder Bang.
Was würde Ihnen besser gefallen?
Noch haben Sie die freie Auswahl.
Ach vergessen Sie es, das war ein Witz.
Ein ganz normaler Witz.
Habe ich Sie erschreckt, nein, das wollte ich nicht.
Sie sollten sich nicht an Angst gewöhnen.
Die Menschen haben im Grunde nichts dagegen, betrogen zu werden.
Sie haben nur etwas dagegen, dass man sie es merken lässt.
Ich lasse sie nichts merken, denn das Unglück meiner Nachbarn macht mich traurig.
Und ihre Normalität macht mich traurig.
Ihr ständiges Bemühen.
Die Verlockung des Glücks.
Ich schlafe manchmal auf der falschen Bank.
Der kalte Regen fällt auf mein Haar.
Aber in mir ist immer blauer Himmel.
Ich trage die Erde, die Freude, und die Sonne an meiner Seite.
Ich bleibe anders.
Ich bin ein buntes Nebenleben.
Ich bin mein eigenes Wunschkind.
Bin in mir selbst hell ausgegossen.
Ich atme still den Wind, und lasse fallen was fällt.
Den Regen, die Tränen, die Träume
und mich….

Arabella Block: Euphorie

Wenn ich
gerade noch ich
genug bin
um zu spüren
dass ich
gar nicht mehr ich bin
das ist ein Gefühl
kann ich dir sagen.
Wie damals mein Kater
am Straßenrand
voll überrollt
vm LKW.
Das rosige Innere blüht
außen auf dem Asphalt
der noch bebt.
So ist das.
Nur reversibel.
Wenn ich dann wieder
ich bin
mit Knochen unter der Haut
und einem Spiegelbild
das sagt: komm
nicht unter die Räder.
Und putz mal das Bad.
Das ist ein Gefühl, sag ich dir.

Frédéric Schwilden: Gott

Das Erste, was irgendeinem Halbgebildeten wie mir zu Gott einfällt, ist natürlich Nietzsche. Aber Nietzsche muss man ignorieren. Ich habe mal, als ich wieder Herzprobleme hatte, im Bett liegend innerhalb einer Woche Nietzsches Gesamtwerk gelesen. Ich fand es amüsant. Aber es las sich so, als ob ein Typ auf Crystal Meth, der all sein Wissen aus Youtube-Videos hat, deepen shit schreiben wollte. 

Nietzsche hatte Syphilis, psychische und andere Krankheiten. Da ist so viel Wut in seinen Texten. Und so wenig Liebe. So viel Wahnsinn. Aber eben kein guter Wahnsinn. 

Wahrscheinlich hinderten ihn seine Krankheiten daran, zusammenhängende und sinnvolle Texte zu schreiben.  Das sage ich als jemand, der auch psychische und andere Krankheiten hat. Allein heute Morgen habe ich sieben Tabletten geschluckt. Ich habe allen Grund, wütend zu sein. Aber ich versuche, nur aus Liebe zu schreiben. Wut ist immer falsch beim Schreiben. Wer aus Wut oder Kränkung handelt oder schreibt, endet als Diktator. Deswegen glaube ich, dass wir Nietzsches „Gott ist todt“ ignorieren müssen. Ich halte die Aussage sogar für komplett falsch. Gott lebt.

Dass Menschen aus den Kirchen austreten, ist eine banale Tatsache. Im Jahr 2022 verließen in Deutschland 380.000 Menschen die evangelische und 522.821 Menschen die katholische Kirche. Das heißt aber nicht, dass die Menschen sich nicht mehr für Gott interessieren. Gott ist nicht mehr in der Kirche. Gott ist im Bitcoin-Wallet, im Fitness-Studio, bei der Fridays-For-Future-Gruppe. Gott ist auf dem CSD, Gott fährt Tesla, Gott isst vegetarische Mühlen-Würstchen oder Nackensteak.  Gott geht zum Drug-Checking und ist, wie ich auf dem evangelischen Katholikentag lernte, auch queer.  Das hat ein Pfarrer dort in Nürnberg in der Nähe des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes im Kongresszentrum gesagt. Ich war auch da. Und die üblichen Spießer haben sich natürlich über alles aufgeregt. Über das vegetarische Essen da. Das übrigens fantastisch war. Oder eben über den Pfarrer Quinton Ceasar, der sagte: „Gott ist queer“.

Aber wenn man die Bibel ernst nimmt, und das muss man ja, wenn man über Gott redet, dann liegt nichts näher, als anzunehmen, dass Gott queer ist. „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn“, heißt es im ersten Buch Mose. Und wenn es auch nur einen einzigen queeren Menschen auf der Welt gibt, dann muss Gott queer sein. 

Es gibt ja sogar mittlerweile einen Queer-Beauftragten der Bundesregierung. Also ist Gott auf jeden Fall queer. Und natürlich auch Alkoholiker. Gott ist auch Kokainist. Und Investment-Broker. Und sehr wahrscheinlich auch AfD-Wähler und Wurstfachverkäuferin. Was ich sagen will, Gott ist die Magie, die die Unergründbarkeit des Menschen geschaffen hat. Gott ist der Wahnsinn, der die Möglichkeit von Schönheit und Verderben zulässt. Weil die Möglichkeit, die einzige Realität ist. Alles andere ist nichtexistent. Nur die Möglichkeit ist real. 

In Douglas Adams‘ „Per Anhalter durch die Galaxis“ ist die Antwort auf alle Fragen: 42. Und dieser literarische Kunstgriff ist genial. Denn natürlich ist diese Antwort Schwachsinn. Aber Schwachsinn ist die einzig mögliche Antwort. Es gibt keine Antwort auf die letzte Frage. Zumindest keine von Menschen denkbare. 

Ich verstehe, wie die Zeugung meiner Kinder funktioniert hat. Ich verstehe, warum ich auf der Welt bin. Ich verstehe, warum meine Eltern auf der Welt sind. Zwei Menschen, Samen, Eizelle – fertig. Und das kann man tausende von Generationen zurückrechnen. Aber woher kommen die ersten Menschen? Woher kommt das Leben? Woher kommt die Welt? 

Selbst, wenn man an so einen Unfug wie den Urknall glaubt, gibt es keine Antwort. Viele denken ja, dass der Urknall der Anfang der Entstehung unserer Welt oder unseres Sonnensystems ist. Aber tatsächlich entstehen im Urknall nicht nur unsere Planeten. Der Urknall ist der Beginn von Materie, Raum und Zeit. Und da setzt mein Vorstellungsvermögen aus. Wenn der Urknall der Moment ist, in dem die Zeit entstanden ist, was war denn vorher? Beziehungsweise ist diese Frage ja schon Quatsch. Denn ohne Zeit gibt es kein Vorher. Aber irgendwas muss ja vor dem Urknall gewesen sein.  Und da bin ich dann in der Endlosschleife meines beschränkten Denkens gefangen, die zu nichts führt.

Mein Vater war Wissenschaftler. Professor, Doktor, Doktor. Experimentelle Physik und Medizin. Ich bilde mir nichts darauf ein. Ich bin Bildungsabsteiger. Ich bin der erste in der Familie, der nicht studiert hat.  Ich bin der Junkie. Der Versager. Aber eine Sache habe ich von meinem Vater gelernt. Zumindest bilde ich mir das ein. Das war so ein Abend. Vielleicht war ich 18. Mein Vater hat gedacht, wir trinken jetzt Cognac zusammen. Am Ende war die Flasche leer. Das ist nicht wichtig. Wichtig war dieser eine Satz von ihm. Irgendwann meinte er: „Egal, wie viel wir herausfinden, irgendwann kommt der Punkt, wo es nur noch Gott gibt.“ Damals habe ich das nicht verstanden. Aber es stimmt.

Wir Menschen haben Teile Atome genannt. In der Wortbedeutung sind das: unteilbare Teilchen. Aber Atome sind teilbar, sagt die Physik.  Sie bestehen aus Elementarteilchen. Nebenbei: „Elementarteilchen“ ist einer der größten Romane der Welt. Was ich sagen will: Wir glauben, alles zu wissen und bennen zu können, und  dann ist es doch ganz anders. Das war mit dem geozentrischen Weltbild so,  es wird mit unser kompletten Gegenwart so sein. Wenn heute „die Wissenschaft“ irgendwas sagt, wird es in 150 Jahren absoluter Quatsch sein.. Heute verstehe ich das. Je mehr wir herausfinden und meinen, zu wissen, desto mehr Fragen poppen auf, die wir nicht mehr anders beantworten können als mit: Gott.

Was also war vor dem Urknall? Vor dem Raum? Vor der Materie? Vor der Zeit? Die einzig vernünftige Antwort ist: Gott.  Ich weiß bis heute nicht, was Gott ist. Schöpfer ist ja auch so ein Menschen-Wort. Ein Zustand? Klingt nach Richard David Precht. Gott ist unser innerstes ich, glaube ich. Der Ursprung von allem.

Wir Menschen wollen das Klima retten, Krankheiten besiegen. Wir Menschen konstruieren künstliche Intelligenz. Wir Menschen sind Gottes Versuch, selbst Gott zu sein. Darin können wir nur scheitern.

„If man is five then the devil is six […] and if the devil is six then God is seven“, heißt es bei den Pixies. Und das ist die größtmögliche Näherung an die Frage, was Gott eigentlich ist.