Schme(c)kstase – erstaunlich, dass uns die Lebensmittelreklame noch nicht mit diesem Begriff traktiert hat. Wie man es auch in die Internetsuchmaschine eingibt – ob mit k oder mit ck
–, es werden keinerlei Treffer angezeigt. Dabei wäre es ein so schönes Kofferwort, beziehungsweise, wie sich die Werbedeppen frech bei der Linguistik abgeschaut haben: ein so schönes Portmanteau aus »schmeck« und »Ekstase«. Wie zielgruppenpassgenau könnte man der Multiplexkinogesellschaft entgegenjodeln:
»Schme(c)kstase – schlemm’ Dich in Verzückung!«,
oder schamlos nicht nur vorne, sondern auch hinten den religiösen Ausnahmezustand zitierend schalmeien:
»Schme(c)kstase – die Geschmacksoffenbarung!«,
oder die Leute auf die übliche Tour granatendumm bombardieren mit:
»Schme(c)kstase – erlebe die Schme(c)ksplosion auf der Zunge!«
Wobei es, die Internetsuchmaschine präsentiert es stolz, die »Schmecksplosion« leider schon gibt oder gab oder was, wenngleich nur als Kinderkochsendung im Kinderkanal KiKA. Anders als die Schme(c)kstase wäre die Schmecksplosion für Lebensmittelreklame jedoch auch kaum empfehlenswert, assoziiert doch die eine oder andere womöglich mit Explosionen im Mundraum gleich Mord-, wo nicht Terroranschläge; was der Armen nicht einmal bewusst sein müsste, sie dennoch zum Konkurrenzprodukt greifen ließe.
Dass es die Schme(c)kstase noch nicht gibt, es ist eigentlich ein kleiner Grund zur Freude. Denn womit werden einigermaßen empfindsame Gemüter von der Reklameindustrie nicht alles gemartert: Zu den Verursachern neuerlicher Höhe- beziehungsweise Tiefpunkte zählen die Berliner Umweltinitiative »Trenntstadt Berlin« und der Eisteefabrikant Lipton.
Die Initiative »Trenntstadt Berlin« kümmert sich um, das heißt, richtiger: wirbt für Mülltrennung und warf dafür die Aufforderung »trennt« sowie die ganze »Trendstadt Berlin« in den Müllverbrennungsofen, um aus dem lavazähen Gewalke ganz unten die Verschmelzschmarrung »Trenntstadt Berlin« herauszuharkeln. Man möchte, mit einer solchen Spottgeburt von Wortupcycelung konfrontiert, sofort im Garten zum Fleiß seinen Stapel alter Autoreifen verbrennen oder – dem Internetmeme »Throwing Your Old Car Batteries into the Ocean« folgend – seine alten Autobatterien ins Meer schmeißen.
Jetzt mag eins einwenden und erwidern und einwerfeln: »Jamei, dann ist das halt ein gewollt-gewitzigter Name – aber die Kampagne als solche ist doch prima, also was soll’s!« Woraufhin man dann den Facebookauftritt der Kampagne aufsucht und sich recht bald folgendem Bild gegenübersieht: Ein hipper Kerl im lilafarbenen T-Shirt sitzt Zeitung lesend – er liest freilich die »TrenntZeitung« – auf einem Abort. Seine Jeans ist, dem Anlass angemessen, heruntergelassen, seinen Schritt verdeckt die Zeitung, die weiße Unterhose aber blitzt unter dem untersten T-Shirtrand hervor – erst daran merkt man, dass der heruntergelassenen Hose keine wiederum Unterhose aufliegt. Ein Bildbeschiss, von dem jedoch der große Haufen leerer Klopapierrollen links neben dem Protagonisten abzulenken trachtet – der Haufen türmt sich nämlich bis zur Höhe der Brustwarzen des Defäkierenden (ein gutes Wort für Kot ist übrigens Dejekt – denkt daran, wenn ihr am Kassettenrekorder wieder auf »Eject« respektive »eject« drückt), und stellenweise ragt er, der Klopapierrollenhaufen, auch empor zu des – pardon my french, aber jetzt wird alliteriert: empor zu des Scheißers Schultern. Rechts unten im Bild wurde ein Textkasten affichiert. (»affichieren« habe ich in anderem Zusammenhang bei Adorno gelesen und bedeutet ›ein Plakat ankleben, befestigen‹.) In dem Textkasten steht wortspielelnd-gewitzt: »Wir brauchen ein neues Rollenverhalten.« Haha, wegen Klorollen und des Dejektors Verbrauch hehe. Und weiters steht die Aufforderung: »Trenne Papier und Pappe in der Papiertonne.« Freunde, scheltet mich einen Barbaren, aber ich sage: Es ist den Zellstoffverwertern wurscht, ob Papier und Pappe in der Papiertonne getrennt, beieinander, nebeneinander oder sogar durcheinander liegen. Und sakrament, lest’s euch halt euren Schamott halt noch einmal durch, bevor ihr ihn plakateweise in der Gegend herumaffichiert. Und sage niemand, es sei ja gar nicht so gemeint gewesen oder immerhin nur fast oder wie.
Der Eisteefabrikant Lipton hinwiederum macht sich schuldig, indem er auf die Plastikbanderole seiner 1,5-Liter-PET-Flaschen neuerdings »Aufdrehen & Loserleben!« draufdruckt. Ob es bei der Firma jemandem aufgefallen ist, dass mit dem notabene und verkehrterweise großgeschriebenen »Loserleben« auch das Loser-Leben dortsteht – es ist vor der Tatsache, dass die Reklameindustrie allen Ernstes bei der gleißenden Granatenidiotie »los-erleben« angekommen ist, fast auch schon wieder wurscht. Von welcher Seite man es auch betrachtet: Mich erfüllt das nur mit heißer Trauer und stummer Wut.