Harald Kappel: 11mal11

vermischt
werden Wochen
zwischen kalten Nerven
eine stumpfsinnige Sprachlosigkeit mästen
sich an die Worte heranmachen
sie unvermittelt auf nasses Papier klopfen
damit es so ganz einfach nicht wird
unterwegs ein kopfloses Dasein zum bloßen Schein führen
eine alte Schreibmaschine mit jungen Haselnüssen und Jakobsmuscheln verzieren
wer entspricht schon der verlangten Anstrengung in der reichen Bedürfnislosigkeit
dösen

ohne Worte den Hof kehren
verlangt zufriedene Tüchtigkeit im Kleinen
sparen an der Denkfähigkeit
erhöht die physikalische Rente
trinken und spielen
ist gleichzeitig möglich
und ein natürlicher Wunsch der Umstände
schwüle Sommer
ohne Klimaschutz
begünstigen die Mattigkeit
das Innen bleibt schleierhaft

für die Frauen ein Witz
ist Hantieren in der Küche
gleichzeitig möglich
mit Überhörtwerden
Besenreisern Überbeinen und Schlafmangel
auf dem Land
gewöhnt man sich
an häusliche Funktion
der Schminktisch
steht im Vorratsraum
wird nur zum Kirchgang benutzt

drinnen ist Nebel am Herd
Zeichen der Äußerlichkeit
Wassertropfen hängen an Wäscheleinen
Tangas werden gestohlen
fremde Lebensformen des Ichs
existieren in der Dystopie
Kleinhalten ist wertvoll
ohne Vergleichsmöglichkeit
keine Bedürfnisse
Brauchtum und Tod
haben eine seltsame Ähnlichkeit

wo sind FlipFlops
Limonade und Leidenschaft
Heimweh nach Ferne
das Licht?
ordnet die Nachtstunden
das Unbegreifliche ein Ritual
Liebe
existiert handschriftlich
auf Rückseiten von Polaroids
das Tagebuch
Quersumme der Tagesschau

das
können
wir doch besser
die schlimmen Momente fehlen
die scharfe Unordnung ist nicht ansprechbar
der handzahme Körper ein schmerzloses Zeitvergehen
und doch erzähle ich sinnlos
am liebsten sofort abgelenkt
vom unhöflichen Zugehen
na hoffentlich
kurz

in dieser Zeit
half ich mir
aus dem Herausgehen
ich formulierte Berichte
über Traurigkeit
für das Radio
Prospekte aus Vergangenheit
sind Backpapier
für künftige Empfindungen
je mehr man fingiert
je fester wird der Glaube

nach den Kinderkrankheiten
unterschrieb ich das Darlehen
die Hypothek ist mein Ernstfall
meine Kinder liegen im Schatten
schweigen und atmen
lernen in der Schule
elementare Scham
summen Schlagertexte
werden frech
die Narben die Narben der Kinder
nach den Krankheiten

aus Hilflosigkeit
nahm ich Haltung an
keine Lust auf Abenteuer
das schwere Herz
ein Klumpen Embolie
verstockt vor Grausen
mein Doppelgänger
erwähnt ein tröstliches Ende
aber
identische Sprachlosigkeit
löst meine Rätsel nicht

hier werde ich stolz
früher hätte ich geprotzt
in der Ecke steht man stumm
das pure Auskommen
ein Beichte der Beschränktheit
das Ich erscheint mir fremder
als ein Stück Mond
in der Nacht
werde ich entpersönlicht
die guten Sitten
werden mein Rosenkranz

indem
die Zustände von frühen Neurosen nicht in der Notwendigkeit leben
gibt es nun tabellarische Momente von äußerst angespannten Deutungen
inzwischen habe ich euch elf sinnlose Briefe eingeschrieben
es sind private Szenen aus beweglichem Besitz
vielleicht treffen wir uns im Bewußtsein
oder in Alpträumen ohne Familiengeheimnis
eingefleischt im unheimischen Zuhause
vielleicht auch nicht
werden Wochen
vermischt

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